Ungarische und EU-Fahne
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Alles auf Anfang

Streit über EU-Milliarden für Ungarn eskaliert

Die Debatte über EU-Hilfsgelder in Milliardenhöhe für Ungarn nimmt kein Ende. Ungarn legte sich am Dienstag bei einem Treffen der Finanzministerinnen und -minister in Brüssel quer und blockierte lang erwartete Entscheidungen. Kurzerhand wurde die Tagesordnung zusammengekürzt – und die EU-Kommission dazu aufgefordert, Ungarns Situation neu zu bewerten, um damit vielleicht doch noch eine Freigabe der Milliarden zu erreichen.

Es ist der vorläufige Höhepunkt des Streits mit Ungarn. Auf der Tagesordnung bei dem Ministertreffen standen gleich mehrere hochsensible Themen: erstens die Abstimmung über die von der EU-Kommission vorgeschlagene Blockade von Hilfsgeldern für Ungarn, zweitens jene über ein Hilfspaket für die Ukraine und drittens die globale Mindeststeuer – Vorhaben, die Budapest bisher blockierte, die aber einstimmig beschlossen werden müssten.

Aus dem österreichischen Finanzministerium hieß es zu Mittag gegenüber dem ORF, dass Ungarn „signalisiert“ habe, diesen Vorhaben nicht zustimmen zu wollen. Daraufhin wurde von der tschechischen Ratspräsidentschaft entschieden, diese Punkte von der Tagesordnung zu streichen – gemeinsam mit den Diskussionen über die Milliardenhilfen für Ungarn. Es sei bedauerlich, dass man keine Entscheidung über Hilfe für die Ukraine getroffen habe, sagte der deutsche Finanzminister Christian Lindner nach dem Treffen. „Das verantwortet Ungarn“, so Lindner.

Magdalena Rzeczkowska, Mihaly Varga und Bruno Lemaire
Reuters/Yves Herman
Ungarns Finanzminister Mihaly Varga (M.) wollte den Vorhaben nicht zustimmen

Stattdessen wurde der Ball offenbar nach Brüssel zurückgespielt: „Der Vorsitz hat die Europäische Kommission aufgefordert, in den nächsten Tagen eine aktualisierte Bewertung zu den ungarischen Reformen im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit vorzunehmen“, heißt es in dem Statement des Finanzministeriums. Am Mittwoch wollte das ungarische Parlament erste Rechtsstaatsreformen auf den Weg bringen, die Ministerpräsident Viktor Orban angekündigt hatte.

Kommission will 7,5 Mrd. Euro zurückhalten

Die Kommission hatte letzte Woche angekündigt, 7,5 Mrd. Euro für Ungarn nicht freigeben zu wollen. Brüssel forderte von Ungarn weitreichende Reformen. Budapest „hat sich in die richtige Richtung bewegt“, sagte EU-Budgetkommissar Johannes Hahn letzte Woche. Doch letztlich habe Budapest nicht genug getan, um „Risiken, die wir identifiziert haben, abzuwenden“, so Hahn weiter.

Die EU-Länder hätten nun über diesen Vorstoß der Kommission entscheiden sollen, dazu kam es letztlich nicht. Im Vorfeld wurde bereits klar, dass die Meinungen der Staaten hier offenbar weit auseinanderklaffen. „Politico“ schrieb noch am Vormittag, dass Frankreich und Deutschland darauf gedrängt hätten, weniger als 7,5 Mrd. Euro einzufrieren, weil sich Budapest bei Reformen bewegt habe.

Österreich wollte Stopp der Hilfen zustimmen

An sich gab es eine breite Gruppe an Ländern, die dem Vorschlag der Kommission zustimmen wollten – darunter auch Österreich. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt würde Österreich der Beurteilung der EU-Kommission folgen, sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) am Dienstag auf eine entsprechende Frage.

Von der Kommission hieß es im Vorfeld, dass man eigentlich eine Zustimmung erwarte und keine weitere Prüfung der ungarischen Reformen durchführen wolle. „Wir glauben, dass der Ministerrat alle Elemente hat, um eine Entscheidung zu treffen“, sagte ein Sprecher.

Die EU-Finanzministerinnen und -minister haben in Brüssel keine Entscheidung über die Milliardenkürzung von Finanzmitteln für Ungarn getroffen. Der tschechische Ratsvorsitz hatte laut Österreichs Finanzministerium die Debatte darüber von der Tagesordnung gestrichen. Grund: Ungarn habe signalisiert, dass es keine Zustimmung zur Finanzhilfe für die Ukraine sowie zur globalen Mindeststeuer geben werde. Nun soll die EU-Kommission Ungarns Reformen zur Rechtsstaatlichkeit neu prüfen.

Ukraine-Paket soll trotzdem kommen

„Unser Ziel bleibt es, Anfang Jänner mit der Auszahlung der Hilfen für die Ukraine zu beginnen“, sagte unterdessen der tschechische Finanzminister Zbynek Stanjura, dessen Land noch bis Jahresende den EU-Ländern vorsitzt. Nach seinen Worten wollen die anderen 26 Mitgliedsländer nun eine Alternativlösung suchen, was jedoch als kompliziert gilt.

Budgetkommissar Hahn sagte, Brüssel werde „das Bestmögliche tun“, um der Ukraine die 18 Milliarden Euro bereitzustellen, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Kiew für das kommende Jahr in Aussicht gestellt hat.

Ungarn will mit seiner Blockadehaltung laut Diplomaten verhindern, dass die anderen Mitgliedsländer EU-Hilfen im Umfang von insgesamt mehr als 13 Milliarden Euro für Budapest sperren. Zu den 7,5 Mrd. Euro kommen weitere knapp sechs Milliarden aus einem anderen Topf. Die für die Zustimmung notwendige qualifizierte Mehrheit, das heißt 15 Mitgliedsstaaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, hat dabei die ganze Zeit gewackelt.

Zeit für Sperre von Geldern läuft ab

Was mit Ungarns Hilfsgeldern passiert, wurde nun einmal mehr vertagt – doch das Zeitfenster für eine Entscheidung schließt sich bald. Der EU-Rat, bestehend aus Vertretern der 27 Mitgliedsstaaten, muss bis spätestens 19. Dezember um Mitternacht eine Entscheidung zu dem EU-Kommissionsvorschlag getroffen haben. Sollte der Rat das nicht tun, wäre der EU-Kommissionsvorschlag abgelehnt, und 7,5 Mrd. Euro könnten ungehindert an Budapest fließen.

Umgekehrt sieht die Situation bei Geldern aus dem anderen für Ungarn relevanten Topf aus, hier geht es um den CoV-Wiederaufbaufonds. Sollte es bis Jahresende keine Zustimmung von den Staaten geben, würden 70 Prozent der für Ungarn vorgesehenen 5,8 Mrd. Euro verfallen – unwiderruflich. Für Tschechiens Finanzminister seien all diese Themen „ein Paket“, sagte er im Vorfeld des Treffens – was die Situation nicht vereinfachen dürfte.