Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner
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Mikl-Leitner in ÖVP-U-Ausschuss

Scharfe Scharmützel auch im zweiten Anlauf

Erneut ist Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in den ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss geladen worden, das zweite Mal binnen einer Woche. Viel weitergegangen ist nicht, auch dieses Mal war die Befragung von vielen Unterbrechungen und Streiterei geprägt.

Mikl-Leitner, die in Niederösterreich vor Wahlen steht, war bereits vergangene Woche Auskunftsperson im U-Ausschuss. Wegen zahlreicher Geschäftsordnungsdebatten und Verzögerungen waren jedoch Antworten rar. Daher luden die Fraktionen die Landeshauptfrau prompt erneut.

Mikl-Leitner eröffnete ihr Eingangsstatement mit einem „Herzliches Grüß Gott den Damen und Herren Abgeordneten“, setzte dann aber weniger konziliant fort. Die neuerliche Ladung sei allein dem Wahlkampf in Niederösterreich geschuldet, es gehe nicht um die Sache. „Bei manchen brechen offenbar alle Dämme beim Umgang mit den Rechten des Parlaments“, so Mikl-Leitner, kurz unterbrochen vom Zwischenruf „Mein Gott, na“ aus den Reihen der Oppositionsabgeordneten.

Die ÖVP-Fraktion sekundierte, noch vor der ersten gestellten Frage gab es den ersten Geschäftsordnungsdisput. Es sei bereits in der letzten Befragung klar geworden, dass Mikl-Leitner im Untersuchungszeitraum keine Organfunktion auf Bundesebene gehabt habe, die Fragen dürften sich aber nur auf den Bundesvollzug beziehen, so ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger. Die übrigen Fraktionen würden eine „plumpe Wahltaktik“ verfolgen.

Johanna Mikl-Leitner und Martin Huemer
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Zweimal binnen weniger Tage: Mikl-Leitner im U-Ausschuss

Media Contacta im Fokus

Die SPÖ ging dennoch in medias res und führte ihre Befragung zu ÖVP-nahen Agenturen fort, unter anderem zur Media Contacta. Diese Eventagentur war schon vergangene Woche auf dem Tapet, auch deren Geschäftsführer – ein früherer Mitarbeiter Mikl-Leitners – wurde bereits im U-Ausschuss befragt.

Die SPÖ hegt den Verdacht, dass die Agentur engste Kontakte zur Landes-ÖVP hat, dass die ÖVP NÖ womöglich noch hinter der Agentur steht, die ihr einst auch gehörte. Fraktionsvorsitzender Jan Krainer sprach am Mittwoch von „mutmaßlichen Scheinangeboten“ und verglich unter ÖVP-Protest die Agentur mit dem Fall Karmasin, in dem es nun eine Betrugsanklage gibt.

Kai Jan Krainer
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Krainer konzentrierte sich erneut auf die Media Contacta und deren Bezug zur niederösterreichischen ÖVP

Krainer legte ein Mail vor, in dem die Media Contacta andere Firmen empfohlen habe, um Vergleichsangebote einzuholen. Auch gebe es Mutmaßungen, so Krainer, dass es bei Ministeriumsaufträgen Überzahlungen gegeben habe, zugunsten des Wahlkampfs der niederösterreichischen ÖVP. „Über geschobene Aufträge an die Agentur Media Contacta werden Steuergelder in den Einflussbereich der ÖVP Niederösterreich geleitet“, heißt es dazu in einer Unterlage der SPÖ. „Mit den so erzielten Gewinnen finanziert die Media Contacta in weiterer Folge Leistungen für den Wahlkampf der ÖVP Niederösterreich“, heißt es weiter.

Mikl-Leitner sagte, die Firma habe im Wahlkampf 2018 Aufträge für die Landespartei ausgeführt, Wahrnehmungen, dass bestimmte Unternehmen bevorzugt behandelt werden sollten, hatte sie nicht.

Busse in Blau-Gelb

Krainer legte Zahlen vor, wonach die Media Contacta im Jahr 2017 Aufträge aus Ministerien in Höhe von rund 60.000 Euro bekam, 2018 hingegen rund 360.000 Euro. Wieso der deutliche Sprung im Wahlkampfjahr erfolgte, dazu habe sie ebenfalls keine Wahrnehmung, so Mikl-Leitner. Per eingespieltem Video zeigte die SPÖ zudem einen Bericht über Mikl-Leitners Wahlkampf 2018. Darin begann die niederösterreichische ÖVP eine Tour in blau-gelben Kleinbussen – von der Media Contacta zugelassen und als Betriebsausgaben verbucht, so Krainer. Gleichzeitig habe die Media Contacta 2018 ihre Gewinnrücklagen (174.000 Euro) aufgelöst, das zeige ein Blick ins Firmenbuch.

Die ÖVP-Fraktion meldete sich nach fast jeder Frage zur Geschäftsordnung zu Wort, warf der SPÖ „Unterstellungen“ und „Spekulationen“ vor. Die Zusammenhänge seien „so weit hergeholt“, man habe „überhaupt keine Substanz“ und keinen Konnex zwischen dem niederösterreichischen Wahlkampf und der Bundesebene, und somit einen „Missbrauch des parlamentarischen Kontrollrechts“, so Hanger.

Christian Stocker
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Stocker wollte keine „Fantasie“, sondern den Fokus auf den Untersuchungsgegenstand

Die Media Contacta habe die Wagen bestellt und die ÖVP habe bezahlt, so Hanger. Es sei normal, dass Agenturen Aufträge im Wahlkampf erledigen und dafür bezahlt würden. Einen Zusammenhang zu den Fragestellungen des U-Ausschusses sei nicht gegeben, so auch ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Wenn man solche Fragen zulasse, dann „brauchen wir keinen Untersuchungsausschuss mehr, dann brauchen wir nur mehr Fantasie.“

Mikl-Leitner antwortete dennoch: Solche Buchungen seien Aufgabe des Landesparteisekretärs, freilich wisse sie über die Busse mit Wahlkampfbeschriftung Bescheid, doch nicht über die Abwicklung, geißelte sie Krainers „unredliche Unterstellungen“.

Doch Krainer führte fort, nicht nur die Media Contacta sei eine Agentur im direkten Umfeld der ÖVP, sondern auch die Agentur Media08. Auch hier seien Personen am Werk, die man in der ÖVP schon seit Jugendtagen, „aus der Jungen ÖVP“ kenne, und die ihren Sitz in St. Pölten neben der ÖVP-Parteizentrale habe, sowie im selben Haus wie das Alois-Mock-Institut. Beide Firmen gehörten bis 2021 der Investa Beteiligungsverwaltungs GesmbH, deren geschäftsführende Gesellschafterin die Finanzreferentin der ÖVP NÖ ist. Auch hier kam der Einwand der Volkspartei, man möge doch in Untersuchungszeitraum und -gegenstand bleiben. Mikl-Leitner musste daher Fragen über ihre Wahrnehmungen dazu nicht beantworten, der Vorsitzende Friedrich Ofenauer (ÖVP) ließ die Fragen nicht zu.

Niederösterreichs Inserate

Auch die Fragen der FPÖ sorgten anschließend nicht für versöhnlichere Stimmung. Fraktionsvorsitzender Christian Hafenecker (FPÖ) legte einen aktuellen Artikel des Onlinemagazins Zackzack zur ÖVP-Inseratenaffäre vor. Demnach ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien gegen „unbekannte Verantwortliche der EVN AG, der Hypo NOE Landesbank für Niederösterreich und Wien AG sowie der NÖ Landesgesundheitsagentur“. Eine anonyme Anzeige lege auf 14 Seiten dar, wie die drei Einrichtungen „zu weit überhöhten Preisen“ Inserate in ÖVP-Medien geschaltet hätten. Freilich hatte auch dieses Thema Geschäftsordnungsdebatten und eine Unterbrechung zur Folge – die Fragen wurden schließlich nicht zugelassen.

Anders als die Frage nach der Hygiene Austria, dem Joint Venture von Lenzing und Palmers. Mikl-Leitner half bei der Betriebsstättengenehmigung zu Anfang der Pandemie – „ein Expressservice für ÖVP-nahe Betriebe“, wie Hafenecker sagte.

Christian Hafenecker
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Hafenecker fragte zu Inseraten und ÖVP-nahen Betrieben

Sie habe als Landeshauptfrau nichts Rechtswidriges getan, man wisse, wie die Versorgungslage zu dem Zeitpunkt ausgesehen habe. Ein „Aufatmen“ sei erfolgt, als Palmers eine Maskenproduktion in Niederösterreich aufziehen wollte. Das Wirtschaftsministerium habe die Frage nach einem Schnellverfahren an sie herangetragen, sie habe dann telefoniert „mit der Bezirkshauptmannschaft oder ich weiß es nicht mehr“. Dabei habe sie um Beschleunigung des Verfahrens gebeten, allerdings nur unter der Prämisse, dass natürlich alle Regeln eingehalten werden sollten.

Es sei „Gebot der Stunde“ gewesen, um ein „Bemühen um einen guten Beitrag“ im Sinne der Gesundheit der Bevölkerung gegangen, so Mikl-Leitner. Da sei es um Leben und Tod gegangen. Einen Unterschied in der Behandlung der einzelnen Betriebe habe es nicht gegeben. „Ich wüsste auch nicht, dass die Firma Palmers in irgendeiner Verbindung zur ÖVP steht“, so Mikl-Leitner. Ob auch das Bundeskanzleramt – Palmers-Vorstand Tino Wiesers Ehefrau war Büroleiterin bei Sebastian Kurz (ÖVP) – interveniert hat, daran könne sie sich nicht erinnern, so Mikl-Leitner.

Schnelle Genehmigung für Hygiene Austria

Ein weiterer Themenkomplex der FPÖ war der Verbund: Hafenecker legte dazu einen Brief des Energiekonzerns vor, der im Namen Mikl-Leitners an die Bürgerinnen und Bürger ausgeschickt worden sei. Darin stehe, dass der „Strompreisrabatt“ gewährt worden sei, mit der Unterschrift der Landeshauptfrau – „und das unmittelbar vor einer Landtagswahl“, so Hafenecker. „Wie kommt es dazu, dass der Verbund in Ihrem Namen solche Briefe verschickt, und wer bezahlt dafür?“, fragte er. Doch auch hier kam es nicht zu einer Antwort, die Frage bezog sich nicht auf den Untersuchungszeitraum.

Keine Erinnerung hatte Mikl-Leitner bei der Frage, ob sie für die Bestellung des niederösterreichischen Landespolizeidirektors im Innenministerium interveniert habe. Sie könne sich „auf alle Fälle nicht erinnern“, so die Landeshauptfrau. Eine Intervention zugunsten ihres Neffen für ein Ferialpraktikum wollte Mikl-Leitner nicht unkommentiert lassen. Dessen Bewerbung sei natürlich den offiziellen Weg gegangen, das Praktikum sei zudem gar nicht angetreten worden.

Nach vier Stunden und 51 Geschäftsordnungsdebatten war schließlich Mikl-Leitners Befragungszeit zu Ende, sie durfte gehen. Der Tag Mikl-Leitners markierte das nur vorläufige Ende des U-Ausschusses. Die drei Oppositionsfraktionen SPÖ, FPÖ und NEOS einigten sich auf eine Verlängerung bis Ende Jänner. Wie viele Befragungstage noch absolviert werden sollen, stand am Mittwoch noch in Verhandlung.