EU-Vizeparlamentspräsidentin Eva Kaili
IMAGO/ZUMA Wire/Eurokinissi
Korruptionsverdacht

Rufe nach Rücktritt von EU-Parlamentsvize

Nach dem Bekanntwerden des mutmaßlichen Korruptionsskandals im EU-Parlament wird der Ruf nach dem Rücktritt der Vizepräsidentin des Parlaments, Eva Kaili, laut. Die in Haft genommene Griechin soll so wie andere Parlamentsmitglieder von einem Golfstaat – laut Medienberichten handelt es sich um Katar – bestochen worden sein.

Laut Angaben der belgischen Staatsanwaltschaft gab es in dem Fall am Freitag 16 Durchsuchungen, fünf Personen wurden festgenommen, darunter auch die griechische Vizepräsidentin des Parlaments. Bei den Ermittlungen gehe es um eine mutmaßliche kriminelle Organisation sowie Vorwürfe von Korruption und Geldwäsche, teilte die Behörde mit.

Vizepräsidentin Kaili wurde infolge der Ermittlungen noch am Freitag aus ihrer griechischen Partei, der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (PASOK), ausgeschlossen. Die Sozialdemokratische Fraktion (S&D) im EU-Parlament suspendierte Kaili. Die Fraktion forderte zugleich, dass die Arbeit an allen Themen, die die Golfstaaten betreffen, sowie die Plenarabstimmungen dazu ausgesetzt werden.

Der Vorsitzende der SPD-Europaabgeordneten, Jens Geier, forderte am Samstag nun den sofortigen Rücktritt seiner griechischen Fraktionskollegin. „Natürlich kann sie das Parlament nicht weiter repräsentieren“, sagte der deutsche EU-Abgeordnete am Samstag der dpa zur Zukunft der Ex-Journalistin. „Es kann keinen Tag so weitergehen.“

ORF-Analyse: Folgen von Kailis Verhaftung

ORF-Korrespondentin Raffaela Schaidreiter meldet sich aus Brüssel. Sie berichtet über die Reaktionen auf die Verhaftung der Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili.

„Macht mich fassungslos“

Auch die deutsche Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Nicola Beer, zeigte sich schockiert. „Das macht mich fassungslos“, sagte die FDP-Politikerin. „Es ist völlig klar, dass das insgesamt negative Auswirkungen auf das Parlament hat.“

Beer sagte, Kaili habe das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das EU-Parlament erschüttert. „Ich hoffe, dass sie von sich aus Konsequenzen zieht.“ Zunächst solle sie ihren Posten als stellvertretende Präsidentin des Europaparlaments abgeben. Falls die Ermittlungen den Verdacht bestätigen, solle die frühere Journalistin auch als Abgeordnete zurücktreten.

Der ÖVP-EU-Abgeordnete und österreichische Vizepräsident Othmar Karas retweetete ein Post der maltesischen EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, in dem diese betont, man werde alles tun, um Korruption zu bekämpfen. Sie könne die laufenden Ermittlungen nicht kommentieren, das Parlament werde aber die Behörden voll unterstützen.

Der Kovorsitzende der Arbeitsgruppe Antikorruption des Parlaments, der Deutsche Daniel Freund, zeigte sich von den Ermittlungen schockiert. „Die Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden“, sagte der Grünen-Politiker. Geld dürfe bei den Entscheidungen in Europas größtem Parlament keine Rolle spielen. Es drohe ein gewaltiger Vertrauensverlust.

Haftprüfung am Sonntag

In den Korruptionsermittlungen gegen Kaili entscheidet sich am Sonntag, ob die griechische Politikerin und vier weitere Verdächtige im Gefängnis bleiben. Dann werde über mögliche Haftbefehle befunden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Samstag der dpa in Brüssel. Die fünf Verdächtigen waren am Freitag festgenommen worden.

Vizepräsidentin aus Partei ausgeschlossen

Die Griechin Kaili hatte noch am 21. November eine Rede im Europaparlament zur Fußballweltmeisterschaft in Katar gehalten. Darin bezeichnete sie die Veranstaltung als Beweis dafür, „dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben“. Katar habe etwa bei Arbeitsrechten eine Vorreiterrolle gespielt.

Kaili ist seit 2014 Europaabgeordnete und seit 2022 eine von 14 Vizepräsidentinnen und -präsidenten des Parlaments. Von 2004 bis 2007 war sie ihrem Lebenslauf auf der Parlamentshomepage zufolge Nachrichtensprecherin und Journalistin, später auch noch PR-Beraterin in Griechenland.

Laut Medien geht es um Katar

Welcher Golfstaat mutmaßlich Einfluss auf das Parlament auszuüben versucht, teilte die Staatsanwaltschaft nicht mit. Einer Recherche der französischsprachigen belgischen Tageszeitung „Le Soir“ und der flämischsprachigen Wochenzeitung „Knack“ zufolge handelt es sich dabei aber um das Emirat Katar.

Ein beschuldigter Ex-Europaabgeordneter soll der italienische Sozialdemokrat Pier Antonio Panzeri sein, der von 2004 bis 2019 im Parlament saß und heute die Nichtregierungsorganisation (NGO) Fight Impunity leitet, die sich gegen Menschenrechtsverletzungen wendet.

EU-Vizepräsidentin Kaili in Haft

Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, ist am Freitag in Belgien festgenommen worden. Der griechischen Abgeordneten werden Korruption und mutmaßliche Einflussnahme des Golfemirats Katar auf das Europaparlament vorgeworfen.

Internationaler Gewerkschaftsbund involviert

„Le Soir“ und „Knack“ zufolge wurden zudem ein parlamentarischer Mitarbeiter und der Vorsitzende einer weiteren NGO festgenommen – genauso wie der Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), der Italiener Luca Visentini. Der IGB teilte auf seiner Website mit, die Organisation sei „über die in der Presse verbreiteten Informationen informiert“, lehne jedoch „zum jetzigen Zeitpunkt“ jeglichen Kommentar ab.

Visentini hatte noch in dieser Woche in einem Interview über die Situation der Arbeiter in Katar gesprochen. Er rief in dem Gespräch insbesondere dazu auf, „weiterhin Druck auf die Behörden und Arbeitgeber auszuüben“, um bessere Löhne und mehr Mobilität bei der Arbeit zu erreichen.

Bargeld und Handys beschlagnahmt

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hegt die belgische Polizei seit mehreren Monaten den Verdacht, dass ein Golfstaat versucht, die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen des EU-Parlaments zu beeinflussen. Beträchtliche Geldsummen oder Sachgeschenke seien vermutlich an Personen im Parlament verteilt worden, die eine politische oder strategische Position innehätten.

Bei den Durchsuchungen wurden der Staatsanwaltschaft zufolge unter anderem 600.000 Euro Bargeld sowie Handys beschlagnahmt. Laut griechischen Medien soll auch der Vater Kailis dabei entdeckt worden sein, wie er sich mit einer Aktentasche voller Geld aus dem Staub machen wollte.