ÖVP-Zentrale in Wien
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Wahlkampf 2019

ÖVP korrigierte Zahlen, Strafe droht

Die lange Prüfung der ÖVP-Wahlkampfkosten für das Jahr 2019 ist nun um eine Facette reicher. Der Rechnungshof übermittelte am Montag einen Verstoß gegen das Parteiengesetz an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS). Nach Ansicht der Prüfer und Prüferinnen wurde die Wahlkampfkostenobergrenze um 525.000 Euro überschritten. Die ÖVP sieht das allerdings anders. Die Opposition forderte Konsequenzen.

Der Rechnungshof hatte im Juni die ÖVP-Bilanz für das Wahljahr 2019 veröffentlicht und eine Reihe von Verstößen gegen das Parteiengesetz angezeigt. Unter anderem bezweifelten die Prüfer und Prüferinnen, dass die Volkspartei die Wahlkampfkosten korrekt abgerechnet hat. Daraufhin schickte der Rechnungshof erstmals einen Wirtschaftsprüfer in die Parteizentrale. Im Zuge der Prüfung, die Ende November mit einem Bericht abgeschlossen wurde, bestätigten sich laut RH nun die vermuteten Unregelmäßigkeiten.

In einer Presseaussendung hieß es etwa, dass die ÖVP ihre Angaben der Wahlkampfkosten 2019 (5.602.512,40 Euro) um eine Million Euro nach oben korrigiert hat. Die Prüfer und Prüferinnen hielten kritisch fest, „dass die ÖVP ihm (dem RH, Anm.) gegenüber im Stellungnahmeverfahren zum Rechenschaftsbericht 2019 deutlich niedrigere Zahlen mitgeteilt hat“. Man erwarte sich allerdings, dass Parteien bereits vorher „umfassende und aussagekräftige Angaben“ machen – und nicht erst im Zuge einer Prüfungshandlung durch Wirtschaftsprüfer.

Rechnungshof
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Der Rechnungshof ortet eine Wahlkampfkostenüberschreitung der ÖVP

ÖVP: 900.000 Euro nicht Wahlwerbungskosten

Insgesamt machte die ÖVP für den Wahlkampf also 6,6 Millionen Euro geltend. Damit würde man die auf sieben Millionen Euro festgelegte Wahlkampfkostengrenze nicht überschreiten. Allerdings hätten sich nach Durchsicht des Berichts der Wirtschaftsprüfer weitere Wahlwerbungskosten in Höhe von 888.676,58 Euro ergeben, was zu einer Überschreitung der Grenze führt, so der Rechnungshof. Veröffentlicht wird der Bericht des Wirtschaftsprüfers nicht, hieß es seitens des Rechnungshofs. Dafür fehle die Rechtsgrundlage.

Rechenschaftsbericht

Jährlich müssen Parteien dem Rechnungshof einen Bericht über ihre Einnahmen und Ausgaben vorlegen. Der Bericht muss von zwei Wirtschaftsprüfern überprüft und unterzeichnet werden. Die Wirtschaftsprüfer werden vom Rechnungshof für fünf Jahre aus einem Fünfervorschlag der jeweiligen politischen Partei bestellt.

Die knapp 900.000 Euro sind offenbar Ausgaben für die „Berg-Auf Tour“ mit dem damaligen Spitzenkandidaten der Partei, Sebastian Kurz. Die Kosten für die Beschäftigung ehemaliger Kabinettsmitarbeiter, für Wahlkampfprämien und für Leistungszulagen seien den Wahlwerbungsausgaben zuzurechnen. Die ÖVP wies das in einer ersten Stellungnahme zurück und betonte, bei dieser Summe – die der Wirtschaftsprüfer nicht abschließend beurteilt habe – handle es sich nicht um Wahlwerbungskosten.

„Diese Ausgaben sind nicht den Wahlkampfkosten zuzuordnen. Wir gehen aufgrund der Faktenlage nicht davon aus, dass der UPTS zu einem anderen Ergebnis kommt“, sagte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Er verwies außerdem darauf, dass die Nachkontrolle durch einen zusätzlichen Wirtschaftsprüfer erstmals zum Einsatz kam. Damit sei die ÖVP durch drei Wirtschaftsprüfer kontrolliert worden, alle drei hätten die Einhaltung der Wahlkampfkostengrenze bestätigt: „Für die Volkspartei wurden völlig neue Maßstäbe angewandt. Noch nie wurde so intensiv und umfassend geprüft.“

UPTS muss entscheiden

Die Entscheidung liegt nun beim UPTS im Kanzleramt. Der Senat hat die ÖVP bereits dreimal wegen Überschreitung der Wahlkampfkostengrenze bestraft. In Summe bezahlte die ÖVP dafür 1,2 Millionen Euro Geldbuße.

Bei der Nationalratswahl 2013 hatte die ÖVP die Sieben-Millionen-Euro-Grenze um mehr als vier Millionen Euro überschritten, bei der niederösterreichischen Landtagswahl im selben Jahr um fast zwei Mio. Euro, und bei der Nationalratswahl 2017 hatte die ÖVP schließlich um fast sechs Millionen Euro zu viel ausgegeben. Die FPÖ lag damals um 3,7 Mio. Euro über der Grenze, die SPÖ um knapp 400.000 Euro.

Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer, der zwischen 2018 und 2020 zuständiger Generalsekretär der ÖVP war, zeigte sich im Juni noch gelassen, dass der Rechnungshof einen Wirtschaftsprüfer in die Partei schickt. Es sei legitim, dass die Behörde noch einmal Nachschau halten wolle, „wir haben damit kein Problem“. Er gehe davon aus, dass der damalige Bundesgeschäftsführer Axel Melchior hier sauber und redlich gearbeitet habe, meinte Nehammer.

Opposition fordert Konsequenzen

Konsequenzen forderten die Oppositionsparteien. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz nannte den Rechenschaftsbericht „ein einziges Schummelwerk“. Es sei nicht länger hinzunehmen, wie die ÖVP die Österreicher an der Nase herumführe. Und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sei für den „Schummelbericht“ verantwortlich, schließlich war er 2019 Generalsekretär der ÖVP. Daher müsse er den Hut nehmen, so Schnedlitz.

Ähnlich NEOS: „Eine Partei wie die ÖVP, die permanent die Gesetze bricht und die erlaubten Wahlkampfkosten überschreitet, die trickst und täuscht, wo es nur geht, und das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für ihre eigenen Zwecke missbraucht, kann kein Land führen“, so Generalsekretär Douglas Hoyos, der ebenfalls daran erinnerte, dass Nehammer damals die „erschummelten Wahlkämpfe“ geleitet habe. Der neuerliche „Gesetzesbruch“ dürfe nicht wieder ohne Konsequenzen bleiben, forderte Hoyos.

Auch für SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sind sofortige Neuwahlen unumgänglich: „Nehammer ist als ÖVP-Obmann und ehemaliger türkiser Generalsekretär zu 100 Prozent für den Wahlkampfkostenskandal und den türkisen Rechenschaftsbericht verantwortlich.“ Daher sei Nehammer als Kanzler untragbar.