Rumäniens Staatschef: Österreichs Veto „unverdient“

Rumäniens Staatschef Klaus Johannis hat gestern Abend erstmals zu Österreichs Veto gegen den Beitritt seines Landes zum grenzkontrollfreien Schengen-Raum Stellung bezogen und dieses als „unverdient, in einer nicht von uns verschuldeten Causa“ bezeichnet.

Da Österreich eine Schengen-Erweiterung um Rumänien und Bulgarien wegen der hohen Zahl an Migranten abgelehnt, besagtes Argument jedoch nicht auch im Fall von Kroatien gelten habe lassen, sei das Veto für rumänische Bürger nur äußerst schwer nachvollziehbar, sagte Johannis auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem schweizerischen Amtskollegen Ignazio Cassis.

Sinneswandel „binnen 48 Stunden“

Rumäniens Staatsoberhaupt räumte offen ein, wegen der Blockade der österreichischen Bundesregierung „enttäuscht und sauer“ gewesen zu sein. Im laufenden Jahr hätten es die rumänischen Behörden immerhin geschafft, beizeiten angemeldete Bedenken der Niederlande und Schwedens durch Dialog und eine Reihe multinationaler Kontrollmissionen auszuräumen.

Österreich habe seinen Sinneswandel jedoch „binnen 48 Stunden vollzogen“, nachdem es bis Mitte November keinerlei Einwände gegen eine Erweiterung des Schengen-Raums um Rumänien gehabt habe. Zudem habe Österreich trotz aller Kritik am Schengen-System „interessanterweise“ dessen Erweiterung um Kroatien abgesegnet – eine derartige Europapolitik sei weder positiv noch konstruktiv, so der rumänische Präsident.

Für sein Land verkompliziere sich der seit elf Jahren angestrebte Schengen-Beitritt nun abermals, doch helfe Frust nicht weiter, Probleme würden einzig durch Dialog gelöst – sowohl mit der österreichischen Seite als auch der EU-Kommission, stellte Johannis klar. Er werde sich daher persönlich zwecks Lösungsfindung einbinden und die Angelegenheit u. a. in den kommenden Tagen auch beim Europäischen Rat ansprechen.

Karas: „Instrument ist falsch“

Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), kritisierte gestern in der ZIB2 erneut die Vorgangsweise der Parteikollegen in der Wiener Bundesregierung. „Ja, wir haben ein Problem mit den Asylzahlen in Österreich“, räumte Karas ein, „und ja, es braucht ein gemeinsames System und legale Fluchtlinien“. Das habe aber nichts mit Schengen zu tun, womit der Falsche zum Sündenbock gemacht werde. „Ein Weckruf“ für die Asylpolitik der EU sei notwendig, so Karas, „aber das Instrument ist falsch“. Seine Aufgabe sei es nun, die Debatte zu versachlichen und Lösungen anzusprechen.

Rumänischer Innenminister schrieb Karner

Der rumänische Innenminister Lucian Bode (Liberale Partei/PNL) richtete zuvor ein offenes Schreiben an seinen österreichischen Amtskollegen Gerhard Karner (ÖVP), um das nach wie vor bestehende Unverständnis Rumäniens in puncto des österreichischen Vetos gegen den Beitritt des Landes zum grenzkontrollfreien Schengen-Raum zum Ausdruck zu bringen.

Noch im Rahmen des Salzburg Forums Mitte November habe sich Österreich für eine gemeinsame Erklärung ausgesprochen, in der „alle Mitglieder ihrer Zustimmung für die Schengen-Erweiterung um Rumänien Ausdruck verliehen haben“. Davor habe ihm Innenminister Karner persönlich im Jänner in einem Arbeitsgespräch zugesichert, dass sein Land den Schengen-Beitritt Rumäniens befürworte, hieß es in dem via Facebook veröffentlichten Schreiben.

Niemand in Rumänien könne folglich nachvollziehen, „was binnen zwei Tagen“ bzw. zwischen 16. und 18. November passiert sei, um den urplötzlichen Sinneswandel der österreichischen Seite zu bewirken. Politspielchen dieser Art seien „eines Landes mit einer gefestigten Demokratie und einer so reichen politischen Tradition wie jener Österreichs unwürdig“, schrieb Bode.

Medien: Zahlreiche bilaterale Treffen

Die rumänischen Medien berichteten unterdessen unter Berufung auf ein Referat der Exekutive, dass Österreichs Umdenken beim Thema Schengen die Behörden in Bukarest tatsächlich eiskalt erwischt habe.

Zwischen Juni 2021 und Mitte November 2022 habe es 27 bi- und multilaterale Treffen auf verschiedenen Ebenen gegeben, wobei die österreichische Seite zu keinem Zeitpunkt Bedenken bezüglich Rumäniens Schengen-Beitritts anmeldet oder Besorgnis über eine mutmaßliche Migrantenroute durch das Land geäußert habe.

Es habe stets geheißen, Österreich wisse den von Rumänien geleisteten Beitrag zum Schutz der EU-Außengrenzen zu schätzen und befürworte daher die Schengen-Erweiterung um das Land, hieß es in dem von den Medien zitierten Regierungsdokument.