Karner will über Afghanistan-Abschiebungen diskutieren

Nach den Berichten über geplante Abschiebungen nach Afghanistan „aus innenpolitischen Gründen“ hat nun Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) reagiert. Auf Puls 24 sagte er gestern, es sollte über Afghanistan-Abschiebungen diskutiert werden. Derzeit sei es „noch nicht möglich“. Karner verteidigte laut einer Vorausmeldung auf Puls 24 das Vorgehen von 2021. Er verstehe nicht, dass „etwas, das nicht zustande kommt, das nicht passiert ist, der große Skandal wäre“, wurde Karner zitiert. Immerhin sei der Flug gestoppt worden. „Wenn es Straftäter gibt, die abgeschoben werden müssen, dann ist der politisch Verantwortliche dafür zuständig, dass das auch durchgeführt wird“, verteidigte er das Vorgehen.

Karner würde gern darüber reden, wieder nach Afghanistan abzuschieben – er tue das auch mit Ministerkolleginnen und -kollegen. Man müsse aber vor allem darüber nachdenken, was man mit Anhängern der Taliban tue. Ebenso sollte über Abschiebungen nach Syrien nachgedacht werden.

Flug gestoppt

Hintergrund sind Berichte von „Falter“, WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“, wonach der frühere deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) seinem früheren Amtskollegen, dem heutigen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), 2021 helfen wollte, ein Abschiebeflugzeug mit Afghanen nach Kabul zu chartern. Die Aktion sei in letzter Sekunde gestoppt worden. Anlass sei der Mord an einer 13-Jährigen in Wien − begangen durch drei Afghanen – gewesen.

Die Medien beriefen sich auf vertrauliche Dokumente, Depeschen, E-Mails, Botschaftsberichte und Korrespondenzen der deutschen Bundesregierung. So heißt es laut „Falter“ in einem Bericht der deutschen Botschaft in Wien, man habe Anfang August 2021, als Kabul schon längst unter Beschuss der Taliban war, „aus einem ÖVP-geführten Ressort“ gehört, „dass an eine demonstrative Abschiebung einer größeren Zahl von Afghanen per Charterflug gedacht werde, wobei damals eine Provokation des grünen Koalitionspartners wohl bewusst in Kauf genommen werden sollte“. Nach dem Mord an der 13-jährigen Niederösterreicherin habe sich die Regierung in Wien unter enormem Druck gefühlt.

Nehammer verteidigte Vorgehen

Der deutsch-österreichische Abschiebeflug hätte am 3. August 2021 um 21.30 Uhr von München starten sollen, heißt es den Berichten zufolge weiters. An Bord waren demzufolge mehrere Straftäter – verurteilt zum Beispiel wegen gefährlicher Körperverletzung, sexueller Belästigung, Volksverhetzung, Diebstahl mit Waffen, Drogenmissbrauch –, aber nicht ausnahmslos „schwere Straftäter“, wie es die afghanische Regierung verlangt habe. Zwei Afghanen aus Wien hätten gefehlt, einer davon R. A., dessen Abschiebung der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gestoppt habe, so der „Falter“. Und das Flüchtlingsministerium in Kabul habe sein Veto eingelegt. Kurz darauf fiel Kabul in die Hände der Taliban.

Nehammer erklärte in einer Stellungnahme auf Anfrage der APA zu den Vorwürfen: „Österreich hat von Beginn an klargestellt, dass Rückführungen nach Afghanistan so lange stattfinden werden, solange es rechtlich möglich ist. Das war kein Geheimnis und ist unzähligen öffentlichen Statements zu entnehmen.“

Die FPÖ ließ per Aussendung wissen, es sei bestürzend zu sehen, wie sehr die Politik der ÖVP einzig und allein darauf ausgerichtet sei, um in der Öffentlichkeit gut dazustehen. „Getürkte Umfragen, Message-Control – und, wie jetzt bekannt wurde, Showabschiebungen nur aus Angst vor der FPÖ. Das ist ein Armutszeugnis, was die ÖVP in diesem Land aufführt“, so FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz.