ein Mann mit Schutzanzug im Eingangsbereich eines Apartment-Komplex
AP/Koki Kataoka
Infiziertes Personal

CoV-Welle setzt Chinas Spitäler unter Druck

Mit der Kehrtwende der chinesischen Coronavirus-Politik und einer Abkehr von Anti-CoV-Maßnahmen vor einer Woche hat das Virus inzwischen das Land erfasst. Manche Unternehmen melden bis zu 90 Prozent Personalausfälle. Besonders kritisch ist die Situation im Gesundheitswesen. Aussagen von Ärzten zufolge sind in manchen Spitälern bis zu 80 Prozent des Personals selbst infiziert und müssen dennoch weiterhin arbeiten.

Das erzählten mehrere Ärzte, die anonym bleiben wollten, aus unterschiedlichen Städten, berichtete Reuters. Die Krankenhäuser seien oft überfüllt, da mangels eines gut ausgebauten Hausarztsystems diese meist die erste Anlaufstelle im Krankheitsfall sind, sagte der Experte für öffentliche Gesundheit, Xi Chen, gegenüber AP: „Wenn die Menschen nicht die Kultur haben, zu Hause zu bleiben, um diese Ressourcen für schwerer erkrankte Menschen zu sichern, dann könnte das System leicht zusammenbrechen.“

Während Spitäler in den großen Städten wie Peking, Shenzen und Schanghai ausgebaut und modernisiert wurden, verfügen Krankenhäuser in kleineren Städten und auf dem Land nicht über ausreichend Kapazitäten, um mit einem großen CoV-Ausbruch umzugehen. Es fehle an Medikamenten und Schutzmaßnahmen für das Krankenhauspersonal, sagte ein Spitalsarzt aus der Provinz Sichuan gegenüber Reuters. Medikamente und Testkits gehen aber auch in Peking aus. Die Preise für Medikamente und Testkits stiegen auf dem Schwarzmarkt enorm.

Gesundheitspersonal und Patienten in einem Krankenhaus in Peking
AP/Dake Kang
In manchen Krankenhäusern sind bis zu 80 Prozent des Personals selbst mit CoV infiziert

Steigen die schweren Fälle und die Erkrankungen bei älteren Menschen, droht eine schnelle Überforderung und Überlastung des Systems. Selbst aus einigen Krankenhäusern in Peking berichten Ärzte von hohen Infektionszahlen des Personals und dadurch notwendigen Verschiebungen von Operationen – es sei denn, der Patient liege „morgen im Sterben“, sagte ein Mediziner. Offizielle Stellungnahme aus Krankenhäusern und der Politik gibt es nicht.

Statistik nicht aussagekräftig

Offizielle Zahlen gibt es, deren Aussagekraft ist allerdings fraglich. So sollen am Mittwoch 2.000 Neuinfektionen in dem 1,4-Milliarden-Einwohner-Land hinzugekommen sein. Allerdings funktioniert das Tracking der Neuinfektionen auch wegen des Rückgangs der Testtätigkeit kaum noch. Die Nationale Gesundheitskommission meldet derzeit nur Fälle, die in öffentlichen Testeinrichtungen bestätigt werden.

Es sei „unmöglich“, die Zahl zu erfahren, da die meisten Menschen nicht getestet würden oder sich zu Hause testeten, ohne dabei erfasst zu werden, hieß es von der Gesundheitskommission. Zudem verzichtet die Regierung mangels Zählbarkeit inzwischen auf die Nennung asymptomatischer Fälle. Die Zahl der Infektionen in Peking steige „rasant“, meinte Vizeregierungschef Sun Chunlan. Zahlreiche Unternehmen, Geschäfte und Restaurants in Peking sind geschlossen, weil die Beschäftigten krank sind.

eine Person beim testen in einer Teststation
AP/Andy Wong
Durch die Reduktion von Tests sind die offiziellen Infektionszahlen nur noch bedingt aussagekräftig

Kaum Auffrischungsimpfungen

Der Notfallchef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Michael Ryan, meinte am Mittwoch, dass der CoV-Ausbruch in China lange vor der Lockerung der Maßnahmen begonnen habe. Nun gebe es aber einen enormen Anstieg der Infektionen in Peking. Ryan führt das nicht nur auf die Lockerung zurück: „Die Krankheit breitet sich aus, weil die Kontrollmaßnahmen an sich die Krankheit nicht aufhalten konnten.“ Der Nutzen von Kontrollmaßnahmen habe sich angesichts der hohen Infektiosität der Omikron-Variante geändert.

Am Donnerstag verteidigte sich die chinesische Führung für die bisherige Null-Covid-Linie. Damit seien die Voraussetzungen geschaffen und Zeit gewonnen worden, um die Politik nun der schwächeren Omikron-Variante anzupassen, hieß es im kommunistischen Parteiorgan „Volkszeitung“.

Es sei nun wichtig, sich auf die Entlastung des Gesundheitssystems zu konzentrieren und zu impfen, so die WHO. Sorgen bereitet der Organisation die niedrige Impfrate in China. Der Großteil der chinesischen Bevölkerung ist geimpft, aber Millionen vor allem ältere Menschen haben noch keine Auffrischungsimpfung. Studien zeigen, dass chinesische Impfstoffe Krankenhausaufenthalte und Todesfälle wirksam verhindern, aber mindestens drei Dosen benötigt werden, um ihre volle Wirkung zu entfalten.

USA boten Hilfe an

Angesichts der Herausforderungen durch den starken Anstieg der Infektionen bot der Nationale Sicherheitssprecher der US-Regierung, John Kirby, China Unterstützung an, falls Peking das wünsche. Bisher habe China allerdings keine Hilfe angefordert, so Kirby. Dabei wird es voraussichtlich auch bleiben. In einer Reaktion auf das Hilfsangebot der USA betonte das chinesische Außenministerium, dass China einen „institutionellen Vorteil“ habe und diese „Flut an Fällen“ sicher überstehen werde.

WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus deutete indes an, dass Peking nicht ausreichend mit der UNO-Behörde kooperiere, um dem Auslöser der Pandemie auf den Grund zu gehen: „Wir fordern China weiterhin auf, die von uns verlangten Daten zur Verfügung zu stellen und Studien durchzuführen, damit wir den Ursprung des Virus besser verstehen können.“