EZB-Gebäude in Frankfurt
APA/AFP/Daniel Roland
Plus 0,5 Prozent

Auch EZB drosselt Tempo bei Zinserhöhung

Nach der US-Notenbank Fed erhöht auch die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins um 0,5 Punkte auf 2,50 Prozent. Das ist moderater als zuletzt. Die Zinsstraffungen helfen dabei, die Teuerungsrate zu senken, schwächen aber das Wachstum – ein schmaler Grat. Der Euro-Zone steht ein wirtschaftlich schweres Winterhalbjahr bevor – nicht zuletzt wegen der Versäumnisse der EZB.

Lange hatte die EZB vor dem Sommer gezögert, die Zinsen zu erhöhen. Sie hatte darauf gesetzt, dass die Inflation nur vorübergehend hoch ist. Die Nachwirkungen der Pandemie und die Folgen des Ukraine-Krieges stellten sich jedoch letztlich als nachhaltig heraus. Seither erhöhte die EZB den Leitzins in vier großen Schritten um insgesamt 2,5 Prozentpunkte, die jüngste Anhebung vom Donnerstag einberechnet. Der auf den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz wurde im selben Umfang auf 2,00 Prozent nach oben gesetzt.

Die strenge Geldpolitik birgt das Risiko, dass Arbeitsmarkt und Konjunktur abgewürgt werden. Auch deshalb dürfte die EZB nun auf kleinere Schritte setzen, vor allem im neuen Jahr. Die Währungshüter um Notenbank-Chefin Christine Lagarde signalisierten am Donnerstag aber jedenfalls ihre Bereitschaft zu weiteren Zinsanhebungen. „Die Leitzinsbeschlüsse des EZB-Rats werden auch in Zukunft von der Datenlage abhängen und von Sitzung zu Sitzung festgelegt“, hieß es.

Inflation bei 6,3 Prozent, milde Rezession

Die Notenbank strebt für den Euro-Raum mittelfristig stabile Preise bei einer Inflationsrate von zwei Prozent an. Von diesem Ziel sind die Währungshüter derzeit weit entfernt. Im November lag die Teuerung im gemeinsamen Währungsraum der 19 Länder bei 10,0 Prozent. Im Oktober hatte die Inflation mit 10,6 Prozent einen Höchststand erreicht. Derzeit geht die EZB davon aus, dass die durchschnittliche Inflation des heurigen Jahres bei 8,4 Prozent liegen und im neuen Jahr auf 6,3 Prozent sinken wird.

Grafik: Entwicklung der Leitzinssätze seit 2000
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Im laufenden und im kommenden Quartal könnte die Wirtschaft im Euro-Raum nach Einschätzung der EZB schrumpfen. Allerdings werde eine Rezession relativ kurz und milde sein. Im aktuellen und im nächsten Quartal könnte die Wirtschaft schrumpfen, sagte EZB-Chefin Lagarde nach dem Zinsbeschluss. Ursächlich hierfür seien die Energiekrise, die große Unsicherheit, die globale Wirtschaftsflaute sowie verschärfte Finanzierungsbedingungen.

Insgesamt soll die Wirtschaft im Euro-Raum der neuesten EZB-Vorhersage zufolge im kommenden Jahr um ein halbes Prozent wachsen – nach erwarteten 3,4 Prozent in diesem Jahr. 2024 soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,9 Prozent zulegen. Für 2025 wird ein Anstieg der Wirtschaftsleistung um 1,8 Prozent erwartet.

Auch EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni hat für den Winter eine Rezession im Euro-Raum vorhergesagt. Er geht davon aus, dass die Wirtschaft nicht vor dem Frühjahr in die Wachstumsspur zurückkehren wird.

Für Österreich erwarten die heimischen Wirtschaftsforscher von Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und Institut für Höhere Studien (IHS) eine Konjunkturdelle im Winter, der rasch eine Erholung folgt. Für das Gesamtjahr 2022 rechnen sie noch mit einem kräftigen BIP-Wachstum von 4,7 Prozent (WIFO) bzw. 4,8 Prozent (IHS), 2023 dürfte aber ein Jahr der Stagnation werden. Ab 2024 erwarten WIFO und IHS aber wieder ein Anziehen der Konjunktur und Nachlassen des Preisdrucks, so die Institute am Donnerstag.

Anleihebestände werden abgebaut

Die Notenbank will außerdem eine weitere Maßnahme ergreifen und den Umfang der in den vergangenen Jahren von den Euro-Notenbanken aufgekauften, milliardenschweren Anleihebestände verringern. Ab März 2023 sollen Gelder aus auslaufenden Wertpapieren des billionenschweren allgemeinen Kaufprogramms APP nicht mehr in vollem Umfang in den Kauf neuer Anleihen gesteckt werden. Bis zum Ende des zweiten Quartals 2023 sollen die Bestände monatlich im Durchschnitt um 15 Milliarden Euro verringert werden.

Den Erwerb frischer Wertpapiere hatte die EZB bereits mit 1. Juli eingestellt. Insgesamt steckte die Notenbank im Rahmen des seit März 2015 genutzten Programms bis Ende November mehr als 3,4 Billionen Euro in Staatsanleihen und Unternehmenspapiere. Mit der nun beschlossenen Eindämmung der Geldflut sendet die EZB ein weiteres Signal in Richtung Inflationsbekämpfung.

Auch Fed nahm Tempo raus

Auch die US-Notenbank Fed hatte am Mittwoch den Leitzins mit plus 0,5 Prozentpunkten moderater als zuvor angehoben. Nun liegt der Zinssatz in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent, das ist immer noch beachtlich: Es ist der höchste Wert seit 15 Jahren. Fed-Chef Jerome Powell machte außerdem klar, dass weitere Erhöhungen im kommenden Jahr bevorstünden. Eine Senkung sei nicht in Sicht. Zuletzt hatte die Fed viermal in Folge den Leitzins um beachtliche 0,75 Prozentpunkte angehoben – insgesamt war es die siebente Anhebung in diesem Jahr.

Was versteht man unter Inflation?

Wenn etwa Produktionskosten steigen, weil Rohstoffe teurer werden oder eine größere Nachfrage seitens Konsumentinnen und Konsumenten an einem bestimmten Produkt besteht, kann es zu Teuerungen kommen. Bis zu einem gewissen Grad kann eine Preissteigerungsrate gut sein, doch im Jahr 2022 steigt die Inflation aufgrund des Ukraine-Krieges rasantn. Dieser Beitrag erklärt in aller Kürze, was Inflation bedeutet, wie die Preisentwicklung im Verbraucherpreisindex sichtbar wird und welche Rolle die EZB hat.

In den USA fielen die neuen Inflationsdaten des Arbeitsministeriums für November eher optimistisch aus. Sie zeigten den fünften Rückgang der Inflationsrate in Folge. Die Schätzungen der Verbraucherpreise zeigen allerdings, dass die Teuerungsrate langfristig von den zwei Prozent, die sich die Fed wünscht, noch weit entfernt ist.

Die Inflation soll in diesem Jahr laut den Schätzungen der Zentralbank durchschnittlich bei 5,6 Prozent liegen. Das deutet zwar darauf hin, dass die Dynamik des Preisanstiegs nachlässt. Aber für 2023 prognostiziert die Fed eine Inflationsrate von durchschnittlich 3,1 Prozent, für das Jahr 2024 dann immer noch von 2,5 Prozent.

„Wir gehen nach wie vor davon aus, dass weitere Erhöhungen angemessen sind“, sagte Powell. Aktuell reichten die Anzeichen einfach nicht aus, um sicher zu sein, dass die Inflation nachhaltig zurückgehe – eher im Gegenteil. Die Fed rechnet auch mit einem starken Rückgang des Wirtschaftswachstums und einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit.