Tesla-Chef Elon Musk
AP/Susan Walsh
Musk rudert zurück

Twitter schaltet Journalisten wieder frei

Nach internationaler Kritik hat Twitter mehrere gesperrte Accounts von US-Journalisten und -Journalistinnen wieder freigeschaltet. Twitter-Chef Elon Musk kündigte den Schritt unter Verweis auf eine Umfrage unter Nutzern des Netzwerks an, bei der sich eine Mehrheit der knapp 3,7 Millionen Teilnehmenden für ein sofortiges Ende der Sperren ausgesprochen hatte.

Mehrere zuvor gesperrte Accounts von Journalisten, unter anderem der „New York Times“ („NYT“), der „Washington Post“ („WP“) und von CNN, konnten am Samstag wieder aufgerufen werden. „Die Leute haben gesprochen. Die Accounts, die meinen Standort verraten haben, werden jetzt wieder freigeschaltet“, twitterte Musk.

Am Donnerstagabend (Ortszeit) hatte Twitter die Konten mehrerer prominenter US-Journalisten und -Journalistinnen gesperrt. Die Sperrungen seien ohne Vorwarnung erfolgt, berichtete die „WP“. Die Betroffenen arbeiten unter anderem für renommierte Medien wie CNN, die „NYT“ und die „WP“. Auch frei arbeitende Journalisten und Journalistinnen waren betroffen.

UNO und EU alarmiert

Die Vereinten Nationen hatten sich daraufhin zutiefst beunruhigt gezeigt. Reporterinnen und Reporter dürften auf einer Plattform, die vorgebe, ein Raum für Meinungsfreiheit zu sein, nicht durch die willkürliche Sperrung von Konten zum Schweigen gebracht werden, sagte UNO-Sprecher Stephane Dujarric.

„Aus unserer Sicht schafft der Schritt einen gefährlichen Präzedenzfall zu einer Zeit, in der Journalisten auf der ganzen Welt Zensur, körperlichen Drohungen und noch Schlimmerem ausgesetzt sind“, so Dujarric. Man habe in letzter Zeit einen sehr besorgniserregenden Anstieg von Hassreden, Desinformationen zum Klima und anderen Themen auf Twitter gesehen, so Dujarric weiter. Man bleibe mit Twitter deshalb weiter in Kontakt, werde die Plattform aber weiterhin nutzen, um faktisch korrekte Informationen zu teilen.

„Es besteht weiterhin ernste Sorge“, auch wenn Musk nun die Sperrung wieder aufgehoben habe, schrieb UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk am Samstag auf Twitter. Er rief den Multimilliardär auf, eine grundsätzliche Linie in der Veröffentlichungspolitik festzulegen. Diese müsse rechtliche Grundsätze und die Meinungsfreiheit berücksichtigen.

EU-Vizekommissionspräsidentin Vera Jourova hatte am Freitag auf Twitter erklärt, die Nachrichten über die „willkürliche Suspendierung von Journalisten“ seien „besorgniserregend“. Sie verwies auf das Gesetz über digitale Dienste, das die Achtung der Medienfreiheit und der Grundrechte vorsehe. Es war im vergangenen Jahr vom EU-Parlament verabschiedet worden und soll besonders die sehr großen Onlinekonzerne in der EU stärker regulieren. Das Gesetz über digitale Dienste werde durch ein EU-Gesetz zur Medienfreiheit bestärkt. Musk solle sich dessen bewusst sein, so Jourova weiter. „Es gibt rote Linien. Und bald Sanktionen.“

Musk wittert „Doxing“

Bereits am Mittwoch hatte Twitter einen Account gesperrt, über den man den Privatjet von Konzernchef Musk verfolgen konnte. Einige der zeitweise gesperrten Journalisten hatten darüber sowie über Musks Äußerung, er und seine Familie seien durch die Weitergabe von Standortdaten gefährdet worden, berichtet. In mehreren Tweets in der Nacht auf Freitag schrieb Musk, für Journalisten gälten dieselben Regeln wie für alle anderen. Er bezog sich dabei auf „Doxing“, also die Weitergabe von persönlichen Daten einer Person einschließlich Informationen wie der Adresse. „Sie haben meinen exakten Echtzeitstandort gepostet, im Grunde die Koordinaten für ein Attentat“, schrieb Musk. Er sprach von einem Verstoß gegen die Twitter-Nutzungsbedingungen.

Der Journalist Tony Webster, der ebenfalls von der Sperrung betroffen war, schrieb nach seiner Entsperrung auf Twitter, es habe kein „Doxing“ gegeben – „auch wenn ein leicht erregbarer, niemandem rechenschaftspflichtiger Oligarch das gesagt hat“.

Massenkündigungen und Investorensuche

Der Multimilliardär Musk – derzeit hinter dem französischen Luxusgütermogul Bernard Arnault der zweitreichste Mensch der Welt – hat Twitter seit der Übernahme Ende Oktober ins Chaos gestürzt. Er entließ das Spitzenmanagement und rund die Hälfte der Belegschaft und schaltete gesperrte Konten wie jenes des früheren US-Präsidenten Donald Trump wieder frei. Kritiker befürchten, dass unter Musks Führung auf Twitter Hassbotschaften und Falschinformationen rasant zunehmen könnten.

So löste US-Medien zufolge Twitter ein Gremium auf, das den Kurznachrichtendienst im Umgang mit Hassbotschaften und anderen Problemen auf der Plattform beraten hatte. Der Beirat war 2016 gegründet worden. Mitglieder waren Vertreter der Zivilgesellschaft, etwa von Menschenrechts- und Jugendschutzorganisationen.

Einem Medienbericht zufolge sucht Musk derzeit neue Investoren für Twitter. Sein Vermögensverwalter Jared Birchall habe sich diese Woche an potenzielle Investoren gewandt, berichtete die Nachrichtenwebsite Semafor am Freitag. Er habe Twitter-Aktien zu je 54,20 Dollar angeboten und damit zum gleichen Betrag, den Musk im Oktober für die Privatisierung des Unternehmens gezahlt hatte.