Finanzminister Magnus Brunner
APA/Georg Hochmuth
Finanzausgleich

Ringen um 93 Milliarden beginnt

Mit einer großen Runde mit den Spitzenvertretern von Ländern, Gemeinden und Städten startet Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) am Montag das Ringen um den Finanzausgleich. Rund 90 Milliarden Euro an öffentlichen Einnahmen gilt es zu verteilen. Dass es damit verbunden zu einer größeren Aufgabenreform kommt, hält die Expertin Karoline Mitterer vom KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) für „unrealistisch“. Brauchen würde es sie jedoch, ist sie sich mit WIFO-Expertin Margit Schratzenstaller einig.

Eigentlich wäre der zuletzt 2016 verhandelte Finanzausgleich schon vor zwei Jahren neu zu verhandeln gewesen, doch hat man sich angesichts der Pandemie zu einer Verlängerung der alten Modalitäten verständigt. Aktuell beträgt die Verteilung roh gerechnet 68 Prozent Bund, 20 Prozent Länder und zwölf Prozent Gemeinden.

Die Realität bilden diese Zahlen freilich nur zum Teil ab. Denn bezieht man Transfers ein, bleiben dem Bund nach KDZ-Berechnungen nur 53 Prozent, den Ländern 30 Prozent und den Kommunen 17 Prozent. Die Länder profitieren von den direkten Transfers des Bundes, die zum allergrößten Teil für die Landeslehrer aufgewendet werden. Dazu kommen beispielsweise Krankenanstaltenfinanzierung und Pflegefonds.

Verhandlungen um Finanzausgleich

Am Montag beginnt in Österreich die politische Debatte zwischen Bund, Ländern und Gemeinden um den jeweiligen Anteil an Steuereinnahmen. Während der Pandemie wurde der geltende Finanzausgleich unverändert fortgeschrieben. Die Verhandlungen werden die ersten seit sechs Jahren.

Dennoch haben die Länder schon im Vorfeld klargemacht, dass sie einen größeren Anteil am Steuerkuchen haben wollen. Schaut man die gemeinschaftlichen Bundesabgaben von 2021 an, handelt es sich um gewaltige Summen – da lagen sie bei 93,3 Prozent. Die Länder wollen einen größeren Anteil des Kuchens mit dem Argument von Mehraufwendungen in den Bereichen Pflege, Gesundheit, Bildung oder Klimaschutz.

Klimaschutz sollte größere Rolle spielen

Letzterer Bereich ist auch für die von der APA befragten Expertinnen zentral abzubilden, ist er bisher doch im Finanzausgleich nur eine Randnotiz. Mitterer vom auf öffentliche Finanzen spezialisierten KDZ spricht sich für einen Klimaschutzfonds aus, der ähnlich dem schon bestehenden Siedlungswasserwirtschaftsfonds ausgestaltet sein sollte. Sie verweist darauf, dass 30 Prozent der öffentlichen Investitionen von Gemeinden kämen und hier riesiges Potenzial in Sachen thermischer Sanierung bestünde. Auch der Ausbau des öffentlichen Verkehrs brauche Geld.

Schratzenstaller hält eine Ökologisierung des Finanzausgleichs ebenfalls für notwendig. Sie denkt etwa eine ökologische Komponente bei der Grundsteuer an. Zudem brauchte es eine ebenenübergreifende Klima-Governance. Was die nur den Gemeinden zugutekommende Grundsteuer betrifft, sehen beide Expertinnen ohnehin längst Reformbedarf. Schratzenstaller erinnert daran, dass diese schon beim vergangenen Finanzausgleich angegangen hätte werden sollen. Passiert sei aber ebenso wenig wie bei der Aufgabenorientierung oder der Bundesstaatsreform. Mitterer erhofft sich auch mehr Einnahmen durch eine Reform für die Gemeinden.

Kommt „großer Wurf“ oder nicht?

Die Verhandlungen beginnen heuer vergleichsweise spät, auch wenn – wie Brunner betont – bis Herbst Zeit ist. Doch hält es Mitterer angesichts des kurzen Vorlaufs für „unrealistisch“, dass es zu einem großen Wurf kommt. Schratzenstaller will das zeitliche Argument nicht gelten lassen. Dann solle man diesmal eben einen kürzeren Zeitraum für den Finanzausgleich wählen und in ein, zwei Jahren eine große Reform ausarbeiten.

Brunner hatte im Vorfeld gemeint, wenn die Länder mehr Geld wollten, müssten sie eben auch mehr Aufgaben übernehmen: „Wenn man mehr Mittel will, ist das auch mit mehr Verantwortung verbunden.“ So eine Mittelzuweisung könne keine Einbahnstraße sein. „Wenn wir über Veränderung des Verteilungsschlüssels sprechen, dann müssen wir aber auch über Strukturreformen sprechen“, meint Brunner nun dazu. Das könnte beispielsweise sein, dass die Länder mehr Aufgaben übernehmen müssten. Vorstellungen hätte der Finanzminister dazu, die will er aber vor dem offiziellen Verhandlungsbeginn nicht kommunizieren: „Das wäre unfair.“

Pensionsantrittsalter kein Thema

Keine große Strukturreform plant der Finanzminister auch mit Verweis auf das Regierungsprogramm in Sachen Pensionen. Eine Anhebung des Antrittsalters ist jedenfalls nicht vorgesehen. Dafür wäre jetzt auch nicht der richtige Zeitpunkt. Stattdessen setzt Brunner auf andere Maßnahmen, die das faktische an das gesetzliche Pensionsalter heranführen. Dabei will er aber nur auf Anreize setzen, weiter im Arbeitsleben zu verweilen: „Da wird in den nächsten Monaten etwas kommen.“ So wenig sei da ohnehin nicht passiert. Im vergangenen Jahrzehnt habe man hier 2,5 Jahre „gewonnen“.

Schratzenstaller sieht es vor allem als zentral, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung zusammenzuführen. Die Länder hätten ja – abgesehen vom Wohnbauförderungsbetrag – so gut wie keine eigenen Einnahmen. Hier kann sie sich auch eine gewisse Steuerautonomie vorstellen, bei den Gemeinden wäre die Grundsteuer ein Kandidat, bei den Ländern etwa die motorbezogene Versicherungssteuer.

Länder bei Steueranatomie zurückhaltend

Freilich, im Gegensatz zu den bisher letzten Verhandlungen war diesmal selbst bei den ÖVP-geführten Ländern die Steuerautonomie kein Thema mehr. Verschließen würde sich Brunner aber nicht grundsätzlich: „Man kann über alles reden.“ Auch die Aufgabenorientierung, deren Pilotversuch in Sachen Kinderbetreuung in der nun auslaufenden Periode kläglich gescheitert ist, scheint diesmal kein allzu großes Anliegen zu sein.

Selbst der Dauerbrenner abgestufter Bevölkerungsschlüssel (ABS) dürfte diesmal im Hintergrund bleiben. Dabei geht es darum, dass größere Gemeinden wegen ihrer zentralörtlichen Funktionen mehr Geld bekommen. Mitterer vom – dem Städtebund nahestehenden – KDZ meint, dass man hier nicht mehr viel reduzieren könne. Wenig Freude mit dem ABS haben traditionell die großen Flächenbundesländer mit wenigen größeren Städten wie Niederösterreich.

Untergruppen nach Kick-off

Rein technisch ist der Auftakt Montag am späten Nachmittag quasi nur eine Kick-off-Veranstaltung. Danach geht es in Untergruppen weiter. Länder und Gemeinden haben ihre Verhandlungsteams schon nominiert, ebenso die Städte. Zentrale Rollen spielen werden etwa Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP), seine Kollegen aus Oberösterreich und dem Burgenland, Thomas Stelzer (ÖVP) bzw. Hans Peter Doskozil (SPÖ), Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) und der St. Pöltener Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ).