Soldaten der Wagner-Gruppe in der Ukraine
IMAGO/Viktor Antonyuk
London

Wagner-Söldner als Kanonenfutter

Die russische Söldnergruppe Wagner nutzt in der Ukraine nach Einschätzung britischer Geheimdienste Rekruten als Kanonenfutter. Sie bekämen eine Route vorgegeben, entlang derer sie vorrücken müssten. Für diesen Vormarsch erhielten sie Feuerschutz, aber selten gepanzerte Fahrzeuge.

Manche rekrutierte Soldaten erhielten ein Smartphone oder Tablet, das ihnen mit Hilfe von Satellitenbildern ihre vorgegebene Angriffsroute und ihr Ziel zeige, teilte das Verteidigungsministerium in London am Montag mit. „Wagner-Mitgliedern, die ohne Genehmigung von ihren Angriffsrouten abweichen, droht wahrscheinlich eine standrechtliche Hinrichtung.“ Die Kommandeure würden von geschützten Stellungen aus über Drohnenbilder informiert.

Wagner rekrutiert neue Kämpfer auch in Gefängnissen. Die Söldnergruppe spiele bei den Kämpfen um die Stadt Bachmut in der Ostukraine nach wie vor eine zentrale Rolle, hieß es weiter.

Soldaten der Wagner-Gruppe in der Ukraine
IMAGO/Viktor Antonyuk
Laut Bericht werden die Wagner-Söldner mit Hilfe von Satellitenbildern gelotst

Nur wenig erfahrenes Personal

„Diese brutalen Taktiken zielen darauf ab, Wagners geringe Reserven an erfahrenen Kommandanten und gepanzerten Fahrzeugen auf Kosten der leichter verfügbaren Sträflingsrekruten zu erhalten, die die Organisation als entbehrlich einschätzt“, so das Ministerium.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor.

Waffenanleitungen auf Wikipedia

Auch die „New York Times“ („NYT“) berichtete von einer „Katastrophe“ bei der Ausstattung der russischen Truppen. So hätten die russischen Soldaten kaum Nahrung, Munition oder Ahnung von den Waffen, die ihnen zur Verfügung gestellt werden. Oftmals würden zur Vorbereitung Wikipedia-Anleitungen herangezogen werden. Wenn es Landkarten gebe, dann seien sie teilweise aus den 1960er Jahren.

Eine Untersuchung der „NYT“ auf der Grundlage von Interviews, abgefangenen Daten, Dokumenten und geheimen Schlachtplänen offenbare das „Durcheinander“ in den eigenen Reihen. „Unsere Artillerie beschießt unsere eigenen Soldaten. Die Idioten schießen gegenseitig auf sich. Wir bringen uns hier einfach selbst um“, zitierte die „NYT“ ein Gespräch, das über eine offene Telefonleitung eingesehen werden konnte.

Fehlendes Vorwissen, mangelhafte Ausbildung

Nach der von Kreml-Chef Wladimir Putin im September befohlenen Teilmobilmachung hatten zahlreiche Rekruten darüber geklagt, nur unzureichend ausgerüstet und ausgebildet in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine geschickt worden zu sein. Vor wenigen Monaten hatten die Männer noch als Fabriksarbeiter oder Lastwagenfahrer gearbeitet.

Ein Sanitäter sei ein ehemaliger Barista gewesen, der nie medizinisch ausgebildet worden war, heißt es weiter. „Das ist kein Krieg. Es ist die Zerstörung des russischen Volkes durch seine eigenen Befehlshaber“, zitierte die „NYT“ aus einem Telefongespräch eines russischen Soldaten außerhalb Moskaus. Nach Beginn der russischen Militäroffensive in der Ukraine im Februar waren Zehntausende Russen aus dem Land geflohen. Eine zweite Fluchtwelle erfolgte, nachdem Putin am 21. September die Mobilmachung von 300.000 Reservisten verkündete.