Person mit Schutzanzug auf einer Straße in Shanghai
Reuters/Aly Song
China

Drei CoV-Wellen bis zum Frühjahr erwartet

Nach seiner 180-Grad-Wende in der Pandemiepolitik erwartet China bis ins Frühjahr insgesamt drei Coronavirus-Wellen. Die aktuelle Situation ist unterdessen von außen nur schwer zu beurteilen. Am Montag meldeten die Behörden die ersten CoV-bedingten Todesfälle seit der Rücknahme vieler Maßnahmen. Dass die Zahlen das reale Infektionsgeschehen widerspiegeln, wird bezweifelt.

Die aktuelle Welle werde bis Mitte Jänner dauern, sagte der Chefepidemiologe des nationalen Gesundheitsamtes, Wu Zunyou, jüngst bei einer Konferenz. Unmittelbar danach rechnet Wu mit einem neuerlichen Anstieg der Zahlen, ausgelöst durch Reisetätigkeiten rund um die chinesischen Neujahrsfeierlichkeiten, die am 21. Jänner beginnen. Eine dritte Welle dürfte dann nach Einschätzung des Experten Ende Februar Fahrt aufnehmen, wenn die Menschen nach ihrem Urlaub an die Arbeitsplätze zurückkehren.

Die Zahl der schweren CoV-Fälle habe im Vergleich zu den vergangenen Jahren abgenommen, sagte Wu, was der Epidemiologe auf die verfügbare Impfung zurückführt. Vulnerable Gruppen sollten besonders geschützt werden, für die breite Bevölkerung empfahl er Booster-Impfungen. Doch gerade unter den besonders gefährdeten Älteren ist die Impfquote verhältnismäßig niedrig. Nur 66,4 Prozent der über 80-Jährigen sind nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua geimpft.

China: CoV außer Kontrolle?

Nach Aufhebung aller Schutzmaßnahmen steigt die Zahl der Covid-Infektionen in China rasant. Am Montag meldeten die Behörden die ersten CoV-bedingten Todesfälle seit der Rücknahme vieler Maßnahmen.

Erste Todesfälle seit Ende der Maßnahmen gemeldet

Am Montag meldeten die Behörden die ersten CoV-bedingten Todesfälle seit der Rücknahme vieler Maßnahmen Anfang des Monats. An der offiziellen Darstellung gibt es Zweifel. Vor einem Krematorium, in dem CoV-Opfer eingeäschert werden, würden zahlreiche Leichenwagen warten, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag aus Peking. Die Toten seien von Personal in Schutzanzügen ins Gebäude gebracht worden.

Auch die „Financial Times“ („FT“) berichtete unter Berufung auf Klinikpersonal und Bestattungsinstitute, dass die Todesfälle in Zusammenhang mit dem Coronavirus deutlich höher als offiziell angegeben sein dürften. Aus Schanghai, Shenzhen und anderen Großstädten werden laut „FT“ fiebersenkende Medikamente und CoV-Selbsttests knapp. Offizielle Statements zu den Engpässen gibt es nicht. Die Hauptstadt Peking kündigte am Montag allerdings an, die weltweite Beschaffung von Covid-19-Medikamenten beschleunigen zu wollen.

Menschen auf einer Straße in Shanghai
Retuers/Aly Song
Offiziell wurden in China landesweit nur knapp 2.000 neue CoV-Fälle gemeldet – die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher sein

Im Mai, als die Staatsführung noch unumstößlich an der Null-Covid-Politik festhielt, kamen chinesische Fachleute zum Schluss, dass eine vollständige Aufhebung der strikten Eindämmungsmaßnahmen zu 1,55 Mio. Todesfällen führen könnte – mehr dazu in science.ORF.at.

Maßnahmen stark zurückgefahren

Die Volksrepublik hatte im Dezember nach landesweiten Protesten sowie einem Einbruch des Außenhandels im November mit einer Abkehr von der Null-Covid-Politik begonnen. Landesweit wurden Quarantäneregeln und Testpflichten gelockert oder sogar abgeschafft und die Massenabriegelungen beendet.

Kurz darauf kündigten die Behörden zudem das Ende der staatlichen Coronavirus-App an, die zweieinhalb Jahre lang die Bewegungsfreiheit der Menschen stark eingeschränkt hatte.

Distanzunterricht und geschlossene Kindergärten

Nur sehr eingeschränkte Aussagekraft haben auch die offiziellen Angaben zu den Neuinfektionen. Am Sonntag wurden laut den chinesischen Behörden 1.995 neue Fälle gemeldet, tags zuvor waren es 2.097. Fachleute gehen von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus.

Für eine enorme Anzahl von Fällen abseits der staatlichen Statistiken sprechen manche regionale Maßnahmen. In der Wirtschaftsmetropole Schanghai wurden die meisten Schülerinnen und Schüler aufgrund des starken Infektionsgeschehens in den Distanzunterricht geschickt, auch Kindergärten und Kinderbetreuungseinrichtungen wurden von den Behörden aufgefordert, den Betrieb einzustellen.

Mit leichten Symptomen in die Arbeit

Trotz der zumindest nach außen hin unklaren Lage wird an den Öffnungsschritten festgehalten. In der Millionenmetropole Chongqing, in der inklusive Einzugsgebiet 32 Mio. Menschen leben, dürfen Menschen mit „leichten“ CoV-Symptomen wieder in die Arbeit gehen. „Leicht symptomatische“ Angestellte der Regierung, der Partei und des Staates könnten „nach persönlichen Schutzmaßnahmen entsprechend ihrer körperlichen Verfassung“ ganz normal arbeiten, berichtete die Zeitung „Chongqing Daily“ am Montag unter Berufung auf städtische Behörden.

Schlange bei einer Teststation
AP/Andrew Braun
Teststation in Schanghai vergangene Woche: Die Testangebote wurden landesweit zurückgefahren, vor den verfügbaren Stationen heißt es Warten

Außerdem wurden die Einwohnerinnen und Einwohner von Chongqing aufgefordert, sich nicht „unnötigerweise“ einem Test zu unterziehen. Ausnahmen würden lediglich für bestimmte Einrichtungen wie Pflegeheime, Schulen und Gefängnisse gelten.

Auch in der östlichen Provinz Zhejiang, einem wichtigen Wirtschaftszentrum mit mehr als 60 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, hieß es am Sonntag, dass Menschen mit leichten Symptomen bei Bedarf „weiterarbeiten können, sofern sie persönliche Schutzmaßnahmen ergreifen“. Behörden landesweit haben die Menschen jedoch generell dazu ermutigt, sich zu Hause zu isolieren, während sie sich von der Krankheit erholen.