Wildschwein neben parkenden Fahrzeugen in Rom
APA/AFP/Alberto Pizzoli
Urbanes Halali

Italien erlaubt Wildschweinjagd in Städten

In Italien ist es künftig möglich, Wildschweine auch in Städten zu schießen. Zudem dürfen die erlegten Tiere nach einer entsprechenden Untersuchung verzehrt werden. Hintergrund der ungewöhnlichen Maßnahme ist die hohe Zahl von Wildschweinen, die bis in die Großstädte vordringen und zunehmend zur Gefahr werden.

In Italien gibt es Schätzungen zufolge etwa 2,3 Millionen Wildschweine, die immer häufiger Verkehrsunfälle verursachen. Allein im vergangenen Jahr führte das laut Bauernverband Coldiretti zu Unfällen alle 41 Stunden mit insgesamt 13 Toten und 261 Schwerverletzten. Eine Situation, die für Coldiretti-Präsident Ettore Prandini eine sofortige Lösung erfordert. Unter anderem in Rom und Umgebung sind Wildschweine ein wachsendes Problem.

Dort haben sich die Tiere in den vergangenen Jahren stark vermehrt und dringen auf der Nahrungssuche immer häufiger auch in bewohnte Gebiete vor, wo sie sich am Müll auf den Straßen gütlich tun. Sie sollen in den vergangenen Monaten auch immer wieder Menschen angegriffen haben. Inzwischen sind die Paarhufer in anderen Teilen Italiens ebenfalls zum Problem geworden. Für Prandini ist die Situation in den Städten und auf dem Land unannehmbar. Die wirtschaftlichen Schäden für die landwirtschaftliche Produktion seien groß.

„Wir haben ein Problem“

Die Freigabe zum Abschuss der Tiere auch in städtischen Zentren geht aus einem Änderungsantrag des Haushaltsgesetzes hervor, das am Mittwochabend von der Abgeordnetenkammer in Rom verabschiedet wurde. Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida begrüßte den Beschluss: „Es geht nicht um die Jagd, wir haben es mit einem Problem zu tun“, sagte er.

Ein italienischer Wildschweinjäger mit Jagdhund
Reuters/Max Rossi
Bald nicht mehr nur im Unterholz, sondern auch auf Stadtstraßen unterwegs

„Wir geben riesige Geldsummen allein für Folgen von Verkehrsunfällen aus, die durch Wildtiere verursacht werden. Die Landwirte stellen die Produktion ein, weil ihre Felder durch eine unangemessene Anzahl von Tieren verwüstet werden. So kann es nicht mehr weitergehen“, sagte Lollobrigida. Das Gesetz muss am Freitag noch vom italienischen Senat angenommen werden.

„Safari und Barbecue“

„In wenigen Wochen wird eine neue Figur in unseren Städten auftauchen: der urbane Jäger“, heißt es in einer Kolumne der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“. Dieser sei nicht zu verwechseln mit dem ländlichen Jäger, der im Morgengrauen im Unterholz seiner Beute auflauert und sich an Schonzeiten für das Wild zu halten hat.

„Die städtische Jagd ist immer eröffnet“, schreibt „La Repubblica“. Zu jeder Jahreszeit könne rund um die Uhr geschossen werden. Außerdem ermöglicht das neue Gesetz die „Hetzjagd“ mit Hunden. Die urbane Jagd sei eher einer Safari vergleichbar. Jedenfalls sollten Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner auf der Hut sein, wenn sie das Haus verlassen, um niemandem mit einem geladenen Gewehr über den Weg zu laufen.

Die wichtigste Neuerung zur Freigabe des Abschusses von Wildschweinen auch in städtischen Gebieten ist, dass die erlegten Tiere auch gegessen werden können. Bevor sie zum Verzehr freigegeben werden, müssen sie jedoch hygienisch-sanitären Untersuchungen unterzogen werden. Dann steht es jedem frei, das Wildschweinfleisch zu braten, dünsten oder grillen. Und vielleicht findet es auch einen Platz auf der Speisekarte manches städtischen Restaurants.

Tierschützer protestieren

Tierschützerinnen und Tierschützer protestierten gegen den Beschluss der Abgeordnetenkammer und bezeichneten ihn als unannehmbar. Bereits in den vergangenen Jahren wurden in verschiedenen italienischen Regionen die Erweiterung der Jagdgebiete und Keulungen zu Hunderttausenden geplant – und sorgten damit regelmäßig für heftige Proteste.

Laut Tierschützern kann man die Lage auch anders in den Griff bekommen – etwa mit Medikamenten, die auf die Fruchtbarkeit der Tiere wirken. Oder man müsse eben mehr Straßenabschnitte mit Zäunen oder Anti-Wildschwein-Netzen begrenzen und den Wildtieren die Möglichkeit geben, Straßen mit Über- oder Unterführungen zu queren.

Menschengemachtes Problem

Dass sich die Wildschweine in Italien so stark vermehren, hat natürlich mit dem Fehlen von natürlichen Fressfeinden zu tun. Das Problem dürfte aber noch eine andere – ebenfalls vom Menschen geschaffene – Ursache haben. In den 1990er Jahren brachten Jäger Tiere aus Ungarn und anderen osteuropäischen Ländern nach Italien. Diese waren größer und kräftiger als die italienischen Wildschweine – und fruchtbarer.

Aus einer von Coldiretti erhobenen Umfrage geht hervor, dass 81 Prozent der Italienerinnen und Italiener der Meinung sind, dass das Wildschweinproblem durch Keulung angegangen werden sollte, indem spezialisiertes Personal eingestellt wird, um die Zahl zu reduzieren. 69 Prozent halten Wildschweine für zu zahlreich, 58 Prozent halten sie für eine Bedrohung. Begleitet werden die Sorgen außerdem vom Auftreten mehrerer Fälle der Schweinepest.