Frauen in einer Bibliothek in Kabul
Reuters/Ali Khara
Afghanistan

Sorge um letzte Bildungschancen für Frauen

Nach dem Hochschulverbot für Frauen in Afghanistan ist nun die Befürchtung groß, dass ein gänzliches Bildungsverbot für Frauen und Mädchen der nächste Schritt sein könnte. Derzeit befinden sich die meisten Schulen in der Winterpause. Danach, so die Sorge, könnten die Mädchenschulen einfach geschlossen bleiben. Doch selbst innerhalb der afghanischen Regierung scheinen manche Mitglieder nicht einverstanden mit der Haltung der Taliban.

Diese Woche hatten die islamistischen Taliban Frauen mit sofortiger Wirkung von allen Universitäten verbannt, sie dürfen dort nicht mehr lernen oder unterrichten. Seit ihrer Machtübernahme im August 2021 wurden Frauenrechte sukzessive eingeschränkt: Entgegen ihren Zusagen hatten die Taliban zunächst Frauen aus dem Arbeitsmarkt weitgehend ausgeschlossen, dann durften Mädchen auch die Oberstufen nicht mehr besuchen.

Auch vom öffentlichen Leben sind Frauen und Mädchen bereits weitgehend ausgeschlossen, sie dürfen sich nicht in Parks oder öffentlichen Bädern aufhalten. Am Samstag schließlich verboten die Taliban auch noch ausländischen Mitarbeiterinnen von Hilfsorganisationen, zur Arbeit zu kommen. Einige von ihnen hätten sich nicht an die Auslegung der islamischen Kleiderordnung gehalten, sagte ein Sprecher.

Nun fürchten sowohl die Frauen in Afghanistan als auch Beobachter, dass der nächste Schritt ein komplettes Bildungsverbot sein könnte. „Nach der Erfahrung mit dem Universitätsverbot kann man nicht einmal mehr ausschließen, dass die Taliban alle Mädchenschulen schließen“, sagte Thomas Ruttig von der Denkfabrik Afghanistan Analysts Network der dpa am Donnerstag. „Das wäre ein einmaliger Vorgang, nicht nur für Afghanistan.“ Diese „systematische Frauenfeindlichkeit“ wirke wie aus der Welt gefallen, selbst im Vergleich mit anderen repressiven islamischen Staaten, sagte Ruttig weiter.

Derzeit Winterpause

Derzeit befinden sich die allermeisten Schulen in Afghanistan in der Winterpause. Beobachter hatten bereits Sorgen geäußert, dass Mädchenschulen nach den freien Tagen einfach geschlossen bleiben könnten. Auf diese Weise ging es auch vergangenen März mit den Schulen für Mädchen im Teenageralter vonstatten. Die Taliban haben mehrfach angekündigt, diese wieder zu öffnen, doch geschehen ist es anders. „Manches kündigen sie offiziell an, anderes nicht. Es kommt darauf an, was sie den Menschen antun, nicht was offiziell ist“, sagte die Bauingenieurin Sodaba Bayani gegenüber dem ORF.

Afghanistan: Kaum mehr Rechte für Frauen

In Afghanistan schränken die Taliban die Rechte von Frauen weiter ein. Nun dürfen Mitarbeiterinnen von Hilfsorganisationen nicht mehr in die Arbeit gehen. Mädchen und Frauen sind vom öffentlichen Leben weitgehend ausgeschlossen. Immer weniger Frauen protestieren für ihre Rechte.

Bayani kann ihren Beruf nach dem unbegründeten Verbot der Taliban nicht mehr ausüben. Bayani schloss sich einer Frauenrechtsgruppe an, sie unterrichtet online und geheim angehende Bauingenieurinnen und protestiert auf Kabuls Straßen. Viel Unterstützung erhielt sie bisher dabei nicht, keine 25 Frauen waren es bei einem Protest vor wenigen Tagen – und kein einziger Mann. Die Angst vor Strafen durch die Taliban ist groß. Ganz Kabul sei voller Männer mit geladenen Waffen gewesen, so Bayani. Sie gehen auch mit roher Gewalt gegen Widerspruch vor.

Am Samstag protestierten auch in der westafghanischen Stadt Herat Dutzende Frauen gegen ihre Verbannung von den Unis. Mit Parolen wie „Bildung ist unser Recht“ gingen sie in Kleingruppen auf die Straßen und versammelten sich schließlich vor dem Büro des Provinzgouverneurs. Die Taliban aber lösten den Protest mit Wasserwerfern und Schlagstöcken auf.

Dass die Hälfte der Bevölkerung aus der Arbeitswelt ausgeschlossen wird, hat auch enorme ökonomische Konsequenzen für das heruntergewirtschaftete Land. „Die Taliban zerstören Afghanistan zur Gänze“, so Bayani.

Kritik auch aus der arabischen Welt

Dem stimmt auch Afghanistan-Experte Ruttig zu. Die Taliban aber seien siegestrunken, nachdem sie das Land voriges Jahr im Handstreich eingenommen hatten. „Offenbar betrachten sie sich als einzig wirklich islamisches Land und scheren sich selbst nicht um Meinungen wie aus Katar.“ Denn auch mehrere Staaten in der arabischen Welt hatten das Hochschulverbot kritisiert, neben Katar auch Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Pakistan, die Türkei und Saudi-Arabien. Die Vorgangsweise der Taliban habe mit dem Islam nichts zu tun. Nach Wissen zu streben, sei gemäß den Lehren im Islam Pflicht für Männer und Frauen.

Bericht über Uneinigkeit

Gänzlich einig scheint aber auch die Taliban-Führung nicht. Einem Medienbericht zufolge sollen Innenminister Sirajuddin Haqqani und Verteidigungsminister Mullah Jaqub Mujahid eine Wiedereröffnung der Universitäten für Frauen diskutiert haben. Das berichtete der für gewöhnlich gut informierte afghanische Sender Tolonews unter Berufung auf eine namentlich nicht genannte Quelle im Innenministerium. Die beiden Taliban-Minister sollen demzufolge in die Südprovinz Kandahar zu Gesprächen mit Taliban-Führer Hibatullah Akhundzada reisen. Ähnliche Meldungen gab es im vergangenen Jahr aber auch zu den Schulen ab der Sekundarstufe – sie sind nach wie vor geschlossen.