Paket- und Briefsendungen auf einem Förderband im DHL Logistikzentrum in Essen
IMAGO/Ralph Lueger
Onlinehandel

Langsamer Abschied von Gratisretouren

Die Zeit der kostenlosen Retouren im Onlinehandel dürfte sich langsam dem Ende zuneigen. Die inflationsbedingt gestiegenen Preise für Transport und Verpackung veranlassen Händler zunehmend, die Kosten an die Kundschaft weiterzugeben. Die Gratwanderung ist schwierig, ist der kostenlose Rückversand doch für viele ein ausschlaggebendes Kriterium bei der Bestellung.

Über 90 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher kaufen regelmäßig im Internet ein. Vor allem bei Kleidung und Schuhen werden oft verschiedene Größen zum Anprobieren bestellt – entsprechend hoch ist die Retourenquote. In einer im Vorjahr durchgeführten Umfrage des Österreichischen E-Commerce-Gütezeichens gaben fast 85 Prozent der heimischen Onlinekäuferinnen und -käufer an, Artikel zurückzusenden, drei Viertel davon betreffen Kleidung, Schuhe und Accessoires. Die Käufe werden vielfach erst dann getätigt, wenn Gratisretouren garantiert sind.

Für Händler ist der Retourenprozess dagegen zeit- und arbeitsaufwendig. Über Speditionen muss die Ware zurückgeführt und anschließend ihre Qualität bewertet werden. Danach wird sie entweder neu eingelagert, bearbeitet und verpackt oder – bei sichtbaren Zeichen von Mängeln oder Abnutzung – entsorgt. Das Unternehmen verliert auf diesem Weg Geld durch Materialkosten, durch den Arbeitsaufwand für die Aus- und Rückführung der Bestellung und durch die doppelten Frachtkosten.

Aufruf, beanstandete Artikel zu behalten

Die Gewinnmargen schrumpfen dadurch gewaltig, nicht selten wird der Verkauf zu einem Verlustgeschäft. Große Einzelhändler wie Amazon fordern ihre Kundschaft daher zunehmend dazu auf, die Artikel zu behalten und sich den Kaufpreis erstatten zu lassen. Um zu entscheiden, ob eine Rücksendung wirtschaftlich sinnvoll ist, wird auf künstliche Intelligenz zurückgegriffen. Bei preiswerten oder sperrigen Artikeln, bei denen hohe Versandkosten anfallen würden, ist es oft günstiger, die Waren bei den Kunden zu belassen.

Bunte Kleidungsstücke
Getty Images/Kinga Krzeminska
Bei Bekleidung ist die Retourenquote mit Abstand am höchsten

Etwas Bewegung in der Modebranche

Kleinere Einzelhändler konnten sich ein Erlassen der Retourenkosten freilich nie leisten, doch zumindest in der Modebranche setzt langsam ein Umdenken auch bei den Riesen ein – aus ökonomischen und ökologischen Gründen. Vorreiter war der größte japanische Bekleidungshändler Uniqlo: Hier ist bereits seit dem Vorjahr eine Rücksendegebühr von 2,95 Euro pro Paket fällig. Vor sieben Monaten zog Zara, die bekannteste Modekette des spanischen Inditex-Konzerns, mit einer Retourengebühr von 1,95 Euro je Rücksendung nach.

Beim schwedischen Konzern H&M fällt eine Rücksendepauschale in Höhe von 2,99 Euro pro Bestellung an – sofern man nicht „Member“ ist. Die Rückgabe in einer H&M-Filiale ist kostenlos, ebenso bei Zara. Aus gutem Grund: Händler sparen sich bei der persönlichen Retoure Benzin, Porto und Arbeitskosten, der direkte Wiederverkauf ist bedeutend einfacher.

Onlineriesen machen nicht mit

Zwei, drei Euro decken „natürlich bei Weitem nicht die tatsächlichen Kosten der Rücksendungen ab“, zitierte die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) im Mai Marco Atzberger, Retourenexperte des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI. Dennoch sei das „der richtige Weg“. Björn Asdecker, Leiter der Forschungsgruppe Retourenmanagement an der Universität Bamberg, geht konform. „Es gibt aus meiner Sicht erfreulicherweise tatsächlich Bewegung im Markt“, sagte er der „SZ“.

Allerdings sei die Veränderungsbereitschaft noch „auf homöopathischem Niveau. Ich sehe noch keinen echten Trend“. Schließlich würden jene Anbieter, die einen Großteil des E-Commerce-Umsatzes ausmachen – Zalando, Amazon oder Universal – „diesen Weg ganz sicher nicht mitgehen“. Sollte einer der großen drei Händler den Weg einer kostenpflichtigen Retoure einschlagen, würde er das innerhalb kürzester Zeit mit großen Verlusten an Marktanteilen bezahlen, schätzte Asdecker. Er sieht den einzigen Ausweg in einer gesetzlichen Rücksendegebühr.

Verheerende Umweltbilanz

Unterstützung bei diesem Anliegen dürfte er bei Umweltorganisationen finden, verursacht die Rückführung von Waren in die Lieferkette doch ein deutliches Mehr an Verkehr und damit CO2- Emissionen. Dazu kommt der erhebliche Teil der Rücksendungen, die vernichtet werden. Auf internationalen Studien und der österreichischen Paketstatistik aufbauend hat die Umweltorganisation Greenpeace im Vorjahr errechnet, dass 2020 hierzulande in etwa 1,4 Millionen Retourpakete mit Kleidung und Elektronik auf dem Müll gelandet sind bzw. vernichtet wurden.

Dabei werden wertvolle Rohstoffe wie Baumwolle und erdölbasierte Kunstfasern vernichtet, Kupferkabel und Platinen zerstört, Energie verschwendet. Der Großteil dieser Produkte werde nicht in Europa produziert, die Transportkosten würden nicht eingepreist, die CO2-Emissionen seien de facto umsonst entstanden. Für ein Ende der kostenlosen Retouren im Onlinehandel gäbe es also genügend Gründe, ob andere Händler, vor allem aber die Kundschaft, bereit sind mitzuziehen, muss sich erst weisen.