Kevin McCarthy nach neuntem Wahlgang
Reuters/Jonathan Ernst
Zehnmal gescheitert

McCarthy stellt neuen Rekord auf

Es ist ein historisches Schauspiel, das im US-Abgeordnetenhaus nun bereits den dritten Tag aufgeführt wurde – mit ungewissem Ausgang: Dem republikanischen Kandidaten für den Chefposten der Kammer, Kevin McCarthy, wurde bereits zum zehnten Mal die nötige Mehrheit von seinen eigenen Parteifreunden verweigert. Das ist neuer Rekord. Wie eine innerrepublikanische Einigung aussehen könnte, ist bisher völlig unklar.

McCarthy hatte gehofft, sich mit weitgehenden Zugeständnissen an die parteiinternen Gegner die Mehrheit zu sichern. Das funktionierte bisher nicht – denn in den Wahlgängen sieben, acht neun und zehn am Donnerstag stimmten immer die gleichen 20 Republikaner gegen ihn. Dabei gab es zweimal auch eine Stimme für Donald Trump (man muss nicht Abgeordneter sein, um die Funktion auszuüben, Anm.). Mit 201 bzw. 200 Stimmen verfehlte McCarthy jeweils die nötige Mehrheit von 218 klar. Der demokratische Gegenkandidat Hakeem Jeffries erhielt mit 212 jeweils deutlich mehr Stimmen – die Demokraten stimmten geeint für ihn.

Zum letzten Mal war vor genau 100 Jahren, 1923, mehr als ein Wahlgang nötig. Damals wurde die Wahl beim neunten Mal entschieden, womit McCarthy und seine Partei nun einen neuen Rekord aufgestellt haben. Angesichts der starren parteiinternen Fronten erschließt sich für Außenstehende nicht, welchen Sinn die vielen Wahlgänge haben sollten. Jeder Wahlgang wird mit einem Initiativreferat von einem Abgeordneten, der die Vorzüge McCarthys aufzählt, eröffent – gefolgt von weiteren über seine Gegenkandidaten.

Mittlerweile nehmen laut US-Medien auch die Spekulationen zu, McCarthy könnte von seinen Unterstützern zu einem Verzicht seiner Kandidatur gedrängt werden. Logischer Nachfolger, so die „New York Times“, wäre der langjährige Abgeordnete Steve Scalise. Donnerstagnacht gab es aber vorerst keine Anzeichen dafür, dass McCarthy aufgeben könnte.

Politologe über US-Repräsentantenhaus

Der Politologe Reinhard Heinisch spricht unter anderem über das Chaos im US-Repräsentantenhaus und wie lange das so weitergehen kann. Außerdem bespricht er die Lage von dem Kandidaten für den Chefposten, Kevin McCarthy, und wie dieser durchhalten möchte.

Großes Zugeständnis von McCarthy

Der 57-jährige McCarthy hatte zum Auftag des dritten Tages sogar eingewilligt, die Hürden für die Abberufung eines Vorsitzenden im Repräsentantenhaus noch weiter zu senken. Das ist eine zentrale Forderung seiner Kritiker. Damit bietet er ihnen ein Druckmittel, um ihn nach Belieben wieder aus dem Amt zu jagen.

Das könnte schwerwiegende Folgen haben und zu noch mehr Instabilität führen, wenn im Kongress wichtige Entscheidungen anstehen. Die Rechtsaußen-Abgeordneten könnten die Kammer in Geiselhaft nehmen. McCarthy war den Abtrünnigen in diesem Punkt bereits zuvor weit entgegengekommen – allerdings ohne Erfolg. Er zeige nun ein neues Niveau an „Verzweiflung“, urteilte der Sender CNN.

McCarthy war Dienstag und Mittwoch bereits in je drei Wahlgängen durchgefallen. Zwei Tage lang hat er die erforderliche Mehrheit bei der Wahl zum Vorsitzenden der Parlamentskammer verfehlt und wurde blamiert. Die „New York Times“ wunderte sich darüber, dass McCarthy, der die führende Rolle in der Abgeordnetenkammer anstrebt, in diesen drei Tagen selbst noch keine Rede im Plenum gehalten habe, sondern immer andere für sich werben lasse.

Das Kapitol von außen, bewölkt
IMAGO/Sipa USA/Samuel Corum
Die neu gewählte Abgeordnetenkammer kann wegen der Uneinigkeit der Republikaner nicht arbeiten

Allianz mit Demokraten gegen eigene Radikale?

Wenn McCarthy sich nicht mit den Gegnern in seiner Partei einigen kann, könnte er womöglich versuchen, mit den Demokraten Verhandlungen aufzunehmen. Diese könnten ihm etwa durch Enthaltungen in ihren Reihen zu einem Wahlsieg verhelfen, weil das die Zahl der nötigen Stimmen senken würde. Möglich wäre auch, dass ein neuer Kandidat aufgestellt wird, auf den sich die Republikaner verständigen könnten. Denkbar wären aber auch Gespräche mit den Demokraten über einen Konsenskandidaten, den auch sie mittragen würden.

Dass die Demokraten aktuell aber große Freude daran zu haben scheinen, McCarthy scheitern zu sehen, zeigte sich am Mittwochabend (Ortszeit). Die Abgeordneten waren nach einer Pause zu einer erneuten Sitzung zusammengekommen.

McCarthy hatte zuvor gesagt, dass eine weitere Abstimmung am Abend keinen Erfolg bringen würde – einer seiner Vertrauten beantragte folglich eine Vertagung der Sitzung. Allerdings stemmten sich die Demokraten gegen das Vorhaben. Erst im letzten Moment wurde der Antrag mit einer hauchdünnen Mehrheit der Republikaner angenommen. Mit dem Antrag auf namentliche Abstimmung über den Vertagungsantrag revanchierten sich die Demokraten für das gleiche Vorgehen der Republikaner bei vielen Gesetzesbeschlüssen in den letzten beiden Jahren.

Große Abhängigkeit wegen knapper Mehrheit

Bereits am Dienstag und Mittwoch hatten mehrere Republikaner ihrem Parteikollegen McCarthy die Unterstützung verweigert und bei der Wahl um den Vorsitz für andere Kandidaten gestimmt. So versammelten sich 20 Republikaner bei den Wahlgängen am Mittwoch hinter dem Gegenkandidaten Donalds. McCarthys Gegner hatten den Republikaner nominiert. Da die Republikaner in der Parlamentskammer nur eine knappe Mehrheit haben, ist McCarthy fast auf jede Stimme in seiner Partei angewiesen, um zum Vorsitzenden gewählt zu werden.

USA: Weiter keine Mehrheit für McCarthy

Radikale Republikaner haben Kevin McCarthy, dem Kandidaten für das Amt des Sprechers des Repräsentantenhauses, auch am Donnerstag in weiteren Wahlgängen die notwendigen Stimmen verweigert. Obwohl er seinen Gegnern Zugeständnisse gemacht hat, hält die Pattsituation an.

Auch ein Appell von Ex-Präsident Trump änderte nichts an der verfahrenen Situation. Dieser hatte McCarthy bereits zuvor unterstützt – ihm aber nach dem Abstimmungsdebakel noch einmal Rückendeckung gegeben. Doch die glühenden Trump-Fans blockierten McCarthy weiter. Die Partei habe mit einem „Achselzucken“ reagiert, schrieb die „Washington Post“.

Für McCarthy sind die Niederlagen in Serie eine historische Schlappe und eine öffentliche Bloßstellung. Der Machtkampf zeigt auch die Zerrissenheit der Republikaner. Sie hatten bei den Zwischenwahlen im November die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückerobert und wollten eigentlich Präsident Joe Biden vor sich hertreiben. Nun fragen sich viele, ob die dysfunktionale Partei überhaupt in der Lage ist, die wichtigen Aufgaben in der Parlamentskammer zu bewältigen.