Als der Startschuss für die Sanierung im Sommer 2017 fiel, befand sich Österreich im Wahlkampf für die Nationalratswahl. Mehr als fünf Jahre später hat es zwei Nationalratswahlen, eine Handvoll Bundeskanzler und eine Bundeskanzlerin sowie mehrere Ministerwechsel in der Regierung und zwei Nationalratswahlen gegeben – und nun gibt es eben ein komplett saniertes Parlament.
Wegen der Coronavirus-Pandemie verzögerte sich die geplante Eröffnung mehrmals, am Donnerstag kehren der Nationalrat, Bundesrat und die Beschäftigten des Parlaments in den Theophil-Hansen-Bau am Ring zurück. Der feierliche Festakt sieht Reden von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), Bundesratspräsident Günter Kovacs (SPÖ), der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) und dem Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer (FPÖ) vor.
Tag der offenen Tür am Wochenende
Die Festrede wird vom ehemaligen Präsidenten des deutschen Bundestages, Wolfgang Schäuble, gehalten. Abschließend findet ein moderiertes Gespräch mit den Klubobleuten der Parlamentsfraktionen, August Wöginger (ÖVP), Pamela Rendi-Wagner (SPÖ), Herbert Kickl (FPÖ), Sigrid Maurer (Grüne) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS), statt. Die musikalische Umrahmung wird durch die Wiener Philharmoniker, die Wiener Sängerknaben und die Wiener Chormädchen erfolgen.
Mit dem Endes des Festakts ist die Eröffnung nicht abgeschlossen. Am Samstag und Sonntag können Bürger und Bürgerinnen das sanierte Hohe Haus besuchen. Bei einem Rundgang können sich die Besucher und Besucherinnen ein Bild vom Ergebnis des fünfjährigen Bauens machen. Die Runde führt etwa in den Nationalratssaal mit seiner neuen Glaskuppel, den neuen Sitzungssaal des Bundesrats und den Bundesversammlungssaal, wo Ende Jänner die Angelobung des Bundespräsidenten stattfinden wird.
Für die meisten Abgeordneten und Mitglieder des Bundesrats wird die Eröffnung des Parlament übrigens keine Rückkehr auf den alten Arbeitsplatz sein. Denn „nur“ 75 der aktuellen 183 Abgeordneten arbeiteten schon vor der Sanierung im historischen Gebäude. Die restlichen 108 Personen erhielten ihr Mandat während der Zeit im Ausweichquartier in der Hofburg. Von den 61 Bundesräten und Bundesrätinnen kennt nur knapp ein Fünftel das historische Parlament als Arbeitsplatz.
Viele Quadratmeter und Kleber gegen „Attacken“
Erbaut wurde das Parlament nach den Plänen von Theophil Hansen in den Jahren 1874 bis 1883. Nach schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde es bis 1956 von den Architekten Fellerer & Wörle wiederaufgebaut. Damals entstand der neue Sitzungssaal des Nationalrats. Die Planung der Sanierung erfolgte durch das Büro Jabornegg & Palffy und die AXIS Ingenieurleistungen ZT GmbH. Die Kosten wurden 2014 per Gesetz mit 352,2 Mio. Euro sowie 51,4 Mio. Euro für das Ausweichquartier festgelegt, jeweils samt 20-prozentiger Reserve. Diese wurde 2020 auch aktiviert. Die Schlussabrechnung soll Ende 2023 vorliegen.
Insgesamt wurden 55.000 Quadratmeter Nettogeschoßfläche in dem denkmalgeschützten Haus saniert, 40.000 Quadratmeter Böden abgebrochen und samt Technikinstallationen neu verlegt, 740 Fenster und 600 Türen saniert sowie 500 Luster in Schuss gebracht. Die Nutzfläche wurde um 10.000 Quadratmeter erhöht, durch neue Räume und ein 1.500 Quadratmeter großes Besucherzentrum im Erdgeschoß. Neu sind auch 800 Quadratmeter Gastronomiefläche und vier Terrassen mit insgesamt 400 Quadratmeter Fläche.
Dachumbau des Parlaments im Zeitraffer
Nach mehr als fünf Jahren Bauzeit öffnet das renovierte Parlament wieder seine Tore. Das Highlight des Umbaus ist die neue Glaskuppel über dem Plenarsaal. Die Kuppel hat einen Durchmesser von 28 Metern und überspannt damit eine Fläche von ca. 550 m². Sie besteht aus elektrochromem Glas, das bei Bedarf verdunkelt werden kann, damit die Sonne nicht blendet. Die Abgeordneten können durch die Kuppel über dem Plenum direkt ins Freie schauen.
Highlight des Umbaus ist die Glaskuppel über dem Plenum. Das durchsichtige Dach hatte allerdings während der Umbauzeit Gegner. Konkret holten sich Krähen Steine vom losen Schotterrand auf dem Dach des Parlaments und ließen sie auf die Kuppel fallen. Um dieses Problem zu lösen, wurde der Schotterstreifen laut einem Bericht der „Kleinen Zeitung“ mit einer Kunstharzlösung festgeklebt. Die Vögel müssen demzufolge ihre „Munition“ zumindest von woanders herholen, sollten sie die Kuppel erneut ins Visier nehmen.
Ein Bösendorfer und viele neue Namen
Das anfängliche Akustikproblem wurde am Ende auch noch gelöst. Im November fand eine Generalprobe statt, die laut Parlamentsangaben gelungen sei. Verbessert wurden die Sicherheitstechnik und Infrastruktur. Auch für weitgehende Barrierefreiheit wurde gesorgt, heißt es. Mit 1,8 Mio. Euro wurde zudem für Kunst im Parlament gesorgt – und das nicht nur mit einem angemieteten, goldgeschmückten Bösendorfer-Flügel.
Das Parlament sticht aber nicht nur mit viel Kunst hervor, sondern auch mit vielen neuen Namen. Die Lokale, in denen etwa Ausschusssitzungen stattfinden, werden neben ihren Nummerierungen zusätzlich nach bekannten Persönlichkeiten benannt: „Erwin Schrödinger“ (Lokal 1), „Elise Richter“ (Lokal 2), „Theophil Hansen“ (Lokal 3), „Bertha von Suttner“ (Lokal 4), „Ludwig Wittgenstein“ (Lokal 5), „Lise Meitner“ (Lokal 6), „Egon Schiele“ (Lokal 7) und „Eugenie Schwarzwald“ (Lokal 8).
TV-Hinweis
ORF III zeigt am Samstag um 20.15 Uhr die Dokumentation „Säule der Demokratie – Geschichte des Parlaments“.
Im dritten Obergeschoß lassen sich die Wintergärten „Romy Schneider“ und „Maria Lassnig“ finden. Die insgesamt sechs Besprechungszimmer werden nach „Viktor Frankl“, „Ella Lingens-Reiner“, „Sigmund Freud“, „Gabriele Possaner“, „Ingeborg Bachmann“ und „Fellerer/Wörle“ benannt. Namensgeber jener Lokale, in denen Untersuchungsausschüsse stattfinden, sind der Künstler Oskar Kokoschka und Margaretha Lupac. Ein Gang heißt nun „Hedy Lamarr“ und einer „Friedrich August von Hayek“.
Neue Website geht online
Mit der Eröffnung des Hohen Hauses geht auch die überarbeitete Website des Parlaments (Parlament.gv.at) online. Ende der 90er Jahre konnten sich internetaffine Personen unter der Adresse Parlinkom.gv.at über den heimischen Parlamentarismus informieren. Über die Jahre hinweg wurde nicht nur die Adresse in Parlament.gv.at geändert, sondern es kamen auch unzählige Informationen, weiterführende Links und Subseiten hinzu. Mit der aktuellen Überarbeitung wollte man die Seite offensichtlich „aufräumen“ und auf den Stand des 21. Jahrhundert bringen.
Das Grundkonzept blieb gleich: Neben den aktuellen Nachrichten aus dem Parlament liegt der Fokus auf den Fragen: Wie funktioniert das Hohe Haus („Verstehen“)? Was kann ich im Parlament machen („Erleben“)? Wie kann ich an der Gesetzwerdung mitwirken („Beteiligen“)? Daneben können weiterhin Dokumente und Daten recherchiert werden. Sucht man nach den Abgeordneten und Mitgliedern des Bundesrats, wird man auch Videos finden, in denen die Personen über sich erzählen. Im Zuge des Relaunch wurde auch die Barrierefreiheit ausgebaut.