Werbung der chinesischen Volksbefreiungsarmee auf der Fassade eines Einkaufszentrum in Peking
AP/Andy Wong
Taiwan-Szenarien

Chinesische Attacke hätte keinen Sieger

Eine Invasion Taiwans würde für China wohl nicht mit einem Sieg enden – und erhebliche Verluste für alle Kriegsparteien zur Folge haben. Es gebe so gut wie nur Verlierer. Das ist das Ergebnis eines am Montag veröffentlichten Berichts des Zentrums für internationale und strategische Studien (CSIS) in Washington.

Laut dem Bericht, der auf 24 durchgeführten Kriegssimulationen basiert, würde Taiwan im Falle eines Angriffs Chinas „in den meisten Szenarien als demokratisch und unabhängig bestehen bleiben“. Der zu zahlende Preis wäre jedoch für alle beteiligten Staaten enorm hoch.

China betrachtet die demokratische Inselrepublik als Teil der Volksrepublik, während sich Taiwan hingegen schon lange als unabhängigen Staat ansieht. Zuletzt hatten die Spannungen in der Region zugenommen. Wörtlich hieß es in dem Bericht: „Die Vereinigten Staaten und Japan verlieren Dutzende von Schiffen, Hunderte von Flugzeugen und Tausende von Soldaten. Solche Verluste würden die globale Position der USA für viele Jahre schädigen.“

Grafik von China und Taiwan
Grafik: APA/ORF.at

Chinesische Marine würde „in Trümmern liegen“

Die Chinesen würden demnach in den meisten der durchgeführten Simulationen zwei US-Flugzeugträger versenken. Zudem müssten die USA zwischen zehn und 20 weitere Kriegsschiffe als Verlust verkraften. 3.200 US-Soldaten könnten den Szenarien zufolge innerhalb von nur drei Wochen getötet werden. Weiter hieß es, Taiwans Streitkräfte würden zwar nicht vollständig bezwungen, jedoch stark geschwächt werden. Sie müssten eine Insel verteidigen, auf der die Grundversorgung zusammengebrochen ist.

Eine F/A-18E Super Hornet an Deck der USS Carl Vinson im Pazifik
IMAGO/Mc3/Larissa Dougherty
Eine F/A-18E Super Hornet an Deck der USS Carl Vinson im Pazifik

Für China hätte eine Invasion demnach jedoch noch weitaus größere Verluste zur Folge. Nicht nur würde der Angriff scheitern. Rund 10.000 chinesische Soldaten könnten der Simulation zufolge fallen und Zehntausende in Kriegsgefangenschaft landen, so der CSIS-Bericht. Zudem würde die Volksbefreiungsarmee laut der Schätzung 155 Flugzeuge und 138 Kriegsschiffe verlieren. Die Marine des Landes würde „in Trümmern liegen“.

Blockade hätte schwere Folgen für Weltwirtschaft

Eine Katastrophe für Taiwan wäre eine Blockade zur See und in der Luft, wie die „New York Times“ bereits vor geraumer Zeit schrieb. Die Effekte wären unvorhersehbar. Bereits eine kleine, „softe“ Absperrung von Taiwan würde die Wirtschaft und damit auch die Autonomie Taiwans gefährden – alles mit schweren Konsequenzen für die Weltwirtschaft.

Werbung der chinesischen Volksbefreiungsarmee auf der Fassade eines Einkaufszentrum in Peking
AP/Andy Wong
Werbung der chinesischen Volksbefreiungsarmee auf der Fassade eines Einkaufszentrums in Peking

China missachtet in jüngster Zeit auch eine gedachte Linie in der Taiwan-Straße zwischen dem Inselstaat und China. Die Linie wurde von den USA 1954 während des Kalten Krieges gezogen. Peking hat diese Linie zwar nie anerkannt, jedoch hielt sich die Marine der chinesischen Volksarmee bisher an diese imaginierte Grenzziehung, wie die Nachrichtenagentur Reuters schreibt. China verfeinere derzeit seine Fähigkeiten, Taiwan von der Außenwelt abzuschneiden, um so schließlich die Kontrolle über die Insel zu erlagen, skizziert die Zeitung ein mögliches Zukunftsszenario.

Logistische Herausforderung für China

Selbst eine begrenzte Blockade der Taiwan-Straße würde eine der meistbefahrenen Handelsrouten der Welt bedrohen. Ein Großteil des Schiffsverkehrs in der Straße von Taiwan wird über die beiden Häfen Kaohsiung und Taichung im Westen der Insel, also der China zugewandten Seite, abgewickelt.

Eine gesamte Blockade wäre allerdings auch für China eine logistische Herausforderung. Dazu wären laut „New York Times“ Hunderte Schiffe und Flugzeuge sowie auch mehr U-Boote als bei den chinesischen Manövern im August notwendig. Sie müssten versuchen, alle Häfen, aber auch die Flughäfen Taiwans zu blockieren, sowie äußerst wahrscheinliche Unterstützung und Durchbruchsversuche durch Kriegsschiffe und Flugzeuge der USA und ihrer Verbündeten abwehren.

Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen posiert mit Soldaten im Rahmen einer Übung
AP/Chiang Ying-ying
Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen posiert mit Soldaten im Rahmen einer Übung Ende des Jahres

Schnelle US-Eingreiftruppe für Schutz Japans angedacht

Angesichts der Spannungen in der Region wollen auch die USA nun noch aktiver werden. Neben Taiwan geht es ihnen auch um den US-Verbündeten Japan. Die USA wollen als Schutzmacht Japans angesichts Chinas zunehmender militärischer Operationen im Ostchinesischen Meer einem Medienbericht zufolge eine schnelle Eingreiftruppe im Süden Japans installieren. Sie soll der Verteidigung abgelegener Inseln im Südwesten Japans dienen, wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo am Dienstag unter Berufung auf diplomatische Quellen berichtete.

Das Marine Littoral Regiment (MLR) solle innerhalb weniger Jahre als Teil der Neuausrichtung des Marinecorps in Japans Inselpräfektur Okinawa entstehen, wo das Gros der US-Truppen in dem Land stationiert ist.

Gespräche in Europa und den USA

Japan will die militärische Zusammenarbeit mit seiner Schutzmacht USA sowie Partnern in Europa angesichts des wachsenden Machtstrebens Chinas in der Region weiter stärken. Zu diesem Zweck führt der japanische Regierungschef Fumio Kishida in dieser Woche Gespräche in Europa sowie in den USA. Am Freitag trifft Kishida US-Präsident Joe Biden in Washington.

Zur besseren Verteidigung seiner China zugewandten Inseln im Falle eines Konflikts um Taiwan erwägt Japan einem kürzlich veröffentlichten Medienbericht zufolge die Einrichtung von Dutzenden Munitions- und Waffendepots auf diesen abgelegenen Inseln.

Japan verdoppelt Verteidigungsetat

Japan vollzieht derzeit einen historischen Kurswechsel seiner Sicherheitspolitik und will seine Verteidigungsausgaben stark aufstocken. Erstmals will sich das Land Offensivwaffen wie Marschflugkörper zulegen, die potenzielle Ziele in China erreichen können. Der Wehretat soll sich statt wie bisher auf ein Prozent künftig auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes belaufen.

Der Kurswechsel geschieht angesichts eines Sicherheitsumfelds, das die Regierung in Tokio als das „ernsteste und komplizierteste“ seit dem Zweiten Weltkrieg beschreibt. Das militärische Auftreten Chinas in der Region stelle „die größte strategische Herausforderung“ aller Zeiten dar, heißt es in einem kürzlich beschlossenen neuen Sicherheitspapier. Ähnlich formuliert es auch Japans Schutzmacht USA.