Sommerministerrat im Hotel Schlosspark Mauerbach
IMAGO/Martin Juen
Regierungsklausur

Opposition mit wenig Lob und viel Kritik

Vom Zünden eines „Turbos“ in Sachen erneuerbarer Energien ist bei der Präsentation der Ergebnisse nach der Regierungsklausur in Mauerbach am Mittwoch die Rede gewesen. Ein Maßnahmenpaket soll gewährleisten, dass der Ausbau künftig rascher geht, dazu gehört auch die UVP-Novelle. Details zum seit Monaten verhandelten Antikorruptionsgesetz gab es nicht, dafür aber die Ankündigung, die geblockte Altersteilzeit abzuschaffen – diese sorgte zumindest für recht laute Gewerkschaftskritik. Und auch der Erneuerbaren-„Turbo“ fand nicht allerorts Anklang – am wenigsten bei der Opposition.

Im Rahmen der UVP-Novelle sollen künftig die Verfahren für große Energiewendeprojekte wie etwa Windparks noch schneller gehen. Unter anderem soll es künftig keine Doppelprüfungen in den Verfahren mehr geben. Wenn etwa bei der Ausweisung von Flächen das Landschaftsbild bereits geprüft wurde, dann sei im Genehmigungsverfahren keine erneute Prüfung notwendig.

In Bundesländern, in denen es keine Energieraumplanung gibt, soll es künftig möglich sein, das UVP-Verfahren zu beginnen, ohne dass es eine Widmung der Gemeinde gibt. Das UVP-Verfahren prüft die Eignung des Standortes, im Rahmen dessen wird auch die Zustimmung der Gemeinde eingeholt.

Vorhaben für die Energiewende soll künftig ein hohes öffentliches Interesse zugesprochen werden. Damit sollen auch Beschwerden nicht mehr automatisch aufschiebende Wirkung mehr haben. Außerdem wurden eine Erhöhung der Photovoltaikförderung und ein Ausbau der Biogasproduktion angekündigt.

SPÖ ortet „nächsten Bauchfleck“

Für die SPÖ haben ÖVP und Grüne „den nächsten Bauchfleck“ und einen „Selbstfaller“ hingelegt. Auch die Einigung auf die UVP-Novelle konnte Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch nicht begeistern. „Die UVP-Novelle, für die sich (Kanzler Karl, Anm.) Nehammer und (Vizekanzler Werner, Anm.) Kogler (…) auf die Schultern klopfen, hängt seit Monaten in der Warteschleife, weil sich die Regierungsparteien gegenseitig blockiert haben.“

Die Rekordinflation sei bei der Klausur kein Thema gewesen, kritisierte Deutsch. Die Regierung sei in Bereichen wie der Stärkung der Pflege und der Absicherung des Gesundheitssystems untätig. Im Bereich Arbeit und Wirtschaft sei – „nach der gescheiterten Arbeitsmarktreform“ – wieder nur eine Arbeitsgruppe angekündigt worden. Und die Präsentation des Antikorruptionspakets sei „überhaupt vertagt“ worden.

Es sei war „fix und fertig“, wie Vizekanzler Werner Kogler bei der Pressekonferenz nach der zweitägigen Klausur sagte, soll aber erst am Donnerstag von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) präsentiert werden, wie es hieß.

FPÖ: „Österreicher endgültig abgeschrieben“

FPÖ-Chef Herbert Kickl teilte per Aussendung mit, dass die „Bundesregierung die Österreicher endgültig abgeschrieben“ habe. Die Preisexplosion samt Rekordinflation und das „Migrationschaos“ seien jene Probleme, die das Leben der Bürger tagtäglich beeinträchtigen würden, aber von der Regierung nicht einmal mit einem Wort erwähnt worden seien, wie er schrieb.

„So bedeutsam der Ausbau der erneuerbaren Energie auch sein mag: Menschen, die schon jetzt nicht mehr wissen, wie sie ihre Strom- oder Gasrechnung bezahlen sollen, haben momentan andere Sorgen als die Anschaffung einer Photovoltaikanlage", so Kickl. Der sofortige Rücktritt von ÖVP und Grünen sowie schnellstmögliche Neuwahlen seien laut Kickl der einzige Ausweg.

NEOS: „Nur Ankündigungen“

Auch von NEOS kam Kritik: „Das waren keine Ergebnisse, sondern nur Ankündigungen“, wurde Generalsekretär Douglas Hoyos in einer Aussendung zitiert. Die Einigung beim Ausbau der erneuerbaren Energien sei zu begrüßen, komme aber zu spät, so Hoyos. Bei vielen großen Themen habe die Regierung nichts geliefert, es gebe kein Klimaschutzgesetz, keine Maßnahmen gegen die Bodenversiegelung und keine Abschaffung klimaschädlicher Subventionen. Auch in Sachen Arbeitsmarkt habe die Regierung nichts geliefert. Das alles zeige, dass die Regierung „am Ende“ sei, so Hoyos.

Regierung fördert regenerative Energien

Die Bundesregierung will 2023 zum Jahr der regenerativen Energien machen. Das Ziel soll mit einem Paket für den schnelleren Ausbau von Photovoltaik und Windkraft erreicht werden.

BJV vermisst „klaren Rahmen“ für Klimaschutz

Die Bundesjugendvertretung (BJV) zeigte sich zwar über die Ausbauoffensive der erneuerbaren Energie erfreut, vermisst aber nach wie vor einen „klaren Rahmen“ für den Klimaschutz. Für junge Menschen „unverständlich“ sei, „warum sich die Regierungsparteien weiterhin nicht auf ein Klimaschutzgesetz einigen können, in einer Zeit, wo die Auswirkungen der Klimakrise unübersehbar sind“, sagte BJV-Vorsitzende Sabrina Prochaska. Bedauert wurde von der BJV auch, dass „wichtige Themen“ wie die Bekämpfung von Kinderarmut und die Unterstützung für die psychische Gesundheit nicht auf der Agenda standen.

Umweltdachverband und EEÖ mit Lob und Kritik

Der Umweltdachverband begrüßte die Aufstockung der PV-Förderung und den geplanten Ausbau der Biogasproduktion, kritisierte jedoch, dass das „Erneuerbaren-Wärme-Gesetz“ (EWG) und das Klimaschutzgesetz weiterhin ausständig sind. Auch der Umweltorganisation WWF fehlen noch der „Beschluss eines starken Klimaschutzgesetzes, eine Reform des geplanten Energieeffizienzgesetzes und der Abbau umweltschädlicher Subventionen in Milliardenhöhe“.

In dieselbe Kerbe wie der Umweltdachverband schlug der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ). Von einem „Beschleunigungspaket“ könne erst gesprochen werden, wenn neben der UVP-Novelle auch das EWG, das Klimaschutzgesetz und das Energieeffizienzgesetz umgesetzt werden und es einen offiziellen Entwurf für das „Erneuerbare-Gase-Gesetz“ gebe, schrieb EEÖ in einer Aussendung.

IV und WKO streichen UVP-Novelle heraus

Die Industriellenvereinigung (IV) hingegen lobte die Einigung zur UVP-Novelle. „Besonders positiv ist die klare Strukturierung der Verfahren, um den Projektwerbern mehr Planungssicherheit zu geben. Denn wesentliche Investitionsentscheidungen brauchen klare Rahmenbedingungen“, so IV-Präsident Georg Knill laut Aussendung.

Auch die WKO zeigte sich erfreut über die Neuerungen bei UVP-Verfahren, beim Ausbau von Biogas hätte sich WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf jedoch „mehr und praxisnähere Maßnahmen“ gewünscht. Höhere Kapazitäten in den kommenden Jahren seien jedoch ein „zentrales Ziel“.

Aus für geblockte Altersteilzeit

Die Ankündigung, die geblockte Altersteilzeit abzuschaffen, rief zahlreiche Reaktionen hervor. Derzeit kann man die geblockte Variante, mit der man unter Beibehaltung zunächst voll und dann gar nicht mehr arbeitet, ab 60 in Anspruch nehmen. Mit Zustimmung des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin wird so ein gleitender Übergang in die Pension geschaffen. Arbeitnehmerinnen und -nehmer verlieren dabei weder Pensionsbezüge noch Ansprüche auf Krankengeld bzw. Abfertigung oder Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung.

Laut ÖVP-Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher sei diese Variante „nicht mehr zeitgemäß“, wie er bei der Pressekonferenz nach der Klausur sagte – sie wirke nicht positiv auf den Arbeitsmarkt. Künftig soll es längere Übergangszeiträume geben. Ab dem kommenden Jahr steigt die Möglichkeit zum Antritt der Variante pro Jahr um sechs Monate.

ÖGB: „Anschlag der Regierung auf ältere Arbeitnehmer“

Der Gewerkschaftsbund (ÖGB) zeigte sich empört und sprach von einem „Anschlag der Regierung auf ältere ArbeitnehmerInnen“. Die geblockte Altersteilzeit sei eine „wichtige und notwendige Unterstützung“ für ältere Arbeitnehmerinnen und -nehmer – insbesondere für solche in einem psychisch oder körperlich anstrengenden Job. „Angesichts der Tatsache, dass ältere Arbeitslose es immer noch schwer haben, einen neuen Job zu bekommen, ist es kontraproduktiv, die geblockte Variante der Altersteilzeit abzuschaffen“, so Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB.

Katzian: „Wird nicht funktionieren“

Auf Twitter schrieb zudem ÖGB-Chef Wolfgang Katzian: „Menschen länger im Berufsleben zu halten wird nicht funktionieren, indem man ihnen die geblockte Altersteilzeit verwehrt. Es funktioniert mit fairen Arbeitsbedingungen und besserer Bezahlung.“

So sehen das auch die Gewerkschaften GPA und vida. Die Abschaffung der geblockten Altersteilzeit hätte „kaum einen beschäftigungsfördernden Effekt“, heißt es von der GPA. „Viel wichtiger wäre, dass Beschäftigte gesund bis zu Pension arbeiten können“, so GPA-Vorsitzende Barbara Teiber. Dazu gehören gute Arbeitsbedingungen, präventive Gesundheitsförderung, ausreichend Personalausstattung, altersgerechte Lösungen, flächendeckende Kinderbetreuung – Stichwort Enkelinnen und Enkel – sowie die Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit. Vonseiten der vida wird der Erhalt der geblockten Altersteilzeit gefordert.

AK ortet „keine taugliche Maßnahme“

Auch die Arbeiterkammer (AK) sprach sich klar gegen eine Abschaffung der geblockten Altersteilzeit aus. Es sei „keine taugliche Maßnahme, um den von Unternehmen ständig monierten dringenden Bedarf an Fachkräften zu decken“. Die AK sieht vor allem Frauen als Betroffene. Das Modell habe Frauen davor bewahrt, noch vor Erreichen des Pensionsantrittsalters arbeitslos zu werden oder in Invaliditätspension gehen zu müssen, so AK-Direktorin Silvia Hruska-Frank.

NEOS: „Frühpensionierungsprogramm für Betriebe“

Begrüßt wurde die Maßnahme dagegen von NEOS. Für Sozialsprecher Gerald Loacker ist die geblockte Altersteilzeit ein „Frühpensionierungsprogramm für Betriebe“. Die Unternehmen würden mit Steuergeld dafür bezahlt, dass sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter früher in die Pension schicken, so Loacker in einem Statement an die APA.

In Hinblick auf den Arbeitskräftemangel kündigte Kocher am Mittwoch zudem eine Arbeitsgruppe mit Arbeits-, Sozial- und Finanzminister unter Einbindung der Parlamentsklubs an. Diese soll Anreize vorschlagen, wie Ältere verstärkt in der Beschäftigung gehalten werden können. Bis Ende des ersten Quartals soll die Reformgruppe Vorschläge liefern.

WIFO: Ältere „unglaubliches Potenzial“

Für Christine Mayrhuber, Pensionsexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) ist der Ansatz, den Arbeitskräftemangel über ältere Beschäftigte abzufedern, durchaus sinnvoll. „Es ist tatsächlich so, dass wir ein großes Potenzial haben, was die Älteren betrifft“, so Mayrhuber zur APA. Vor allem in der Gruppe der über 55-jährigen Arbeitslosen liege ein „unglaubliches Potenzial brach“. Wie viele Arbeitskräfte man mit den richtigen Anreizen haben könne, sei allerdings schwer zu beziffern.

Derzeit gebe es bereits einige Anreize für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, länger im Beruf zu bleiben – beispielsweise der Wegfall von Unfallversicherungs- und Arbeitslosenbeiträgen ab dem 60. Lebensjahr. Die Arbeitsgruppe müsse sich laut Mayrhuber in erster Linie ansehen, ob die derzeit vorhandenen Anreize in die richtige Richtung gehen. Erst dann können weitere Justierungen vorgenommen werden.

Enttäuschung beim Seniorenbund

ÖVP-Seniorenbund-Chefin Ingrid Korosec zeigte sich enttäuscht darüber, dass es beim ÖVP-Wunsch nach Abschaffung der Pensionsbeiträge (wenn man als Pensionist bzw. Pensionistin noch einer Tätigkeit nachgeht) zu keiner Einigung gekommen ist. „Es gab dafür immerhin klare Bereitschaft seitens der Volkspartei und aus der Wirtschaft“, teilte sie per Aussendung mit. Sie sehe es positiv, dass diese Forderung innerhalb der neuen Reformgruppe zum Arbeitsmarkt behandelt wird – in dieser Gruppe müssen aber die Seniorenvertreterinnen und -vertreter fix eingebunden werden, verlangte sie.