Der tschechische Ex-Premier Andrej Babis
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Tschechien wählt Staatspräsidenten

Milliardär gegen Ex-General und Ex-Rektorin

Ab Freitag wählt Tschechien einen neuen Präsidenten. Acht Kandidatinnen und Kandidaten wollen die Nachfolge von Milos Zeman antreten – und dreien wird eine echte Chance auf das höchste Staatsamt eingeräumt. Allein dieses Spitzenfeld ist durchaus vielseitig: Ein ehemaliger Armeegeneral und eine ehemalige Universitätsrektorin fordern jenen Mann heraus, der das Land zuletzt jahrelang führend regierte – den Milliardär Andrej Babis. Ein knappes Rennen, das viel Spannung verspricht.

Denn dass der erste Wahltag am Freitag und am Samstag einen neuen Staatspräsidenten bzw. eine Staatspräsidentin hervorbringen wird, gilt als ausgeschlossen – zu knapp läuft das Rennen an der Spitze ab. Alles deutet auf eine Stichwahl Ende Jänner hin – auf eine „Absolute“ kann schon allein wegen des breiten Angebots niemand hoffen. Letzten Umfragen zufolge liegen Babis (er war von 2017 bis 2021 Ministerpräsident) und der frühere Generalstabschef Petr Pavel mit 28 Prozent in Front – die Ex-Rektorin der Mendel-Uni in Brünn, Danuse Nerudova, wird bei 24 Prozent gesehen.

Doch ist das Rennen noch offener, als es angesichts der Prognose für die erste Runde scheint. Denn sollte es Nerudova in die Stichwahl schaffen, wird ihr ein relativ klarer Sieg gegen Babis vorausgesagt. Ähnlich scheint es sich im Falle einer Stichwahl zwischen dem Ex-Premier und dem ehemaligen Armeegeneral zu verhalten – auch bei diesem Duell läge Babis laut Umfragen weit hinten. Beide Stichwahlszenarien stünden etwa 40 gegen 60 – in beiden Fällen hätte Babis das Nachsehen. Sollten Pavel und Nerudova in die zweite Runde kommen, wird die Ex-Rektorin leicht vorn gesehen.

Tschechische Präsidentschaftskandidaten Petr Pavel und Danuse Nerudova
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Die aussichtsreichsten Herausforderer: Der Ex-Militär Pavel und die Ex-Rektorin Nerudova

Freispruch für das „starrköpfige Rindvieh“

Dabei verlief das Wahlkampffinish für Babis erfreulich. Erst am Montag waren die Augen der Öffentlichkeit auf jenes Gericht gerichtet, das über Schuld oder Unschuld des Ex-Ministerpräsidenten in der Causa „Storchennest“ zu befinden hatte.

In der Affäre geht es um das Wellness-Resort „Storchennest“, das rund zwei Mio. Euro an EU-Geldern für kleine und mittlere Unternehmen beantragte. Babis überschrieb das Projekt seinen Kindern und engen Verwandten. Doch nach Ansicht der Anklage gehörte es faktisch seiner gigantischen Firmenholding Agrofert – und hätte die Gelder nie bekommen dürfen. Doch in der Causa, die Babis seit Jahren verfolgt, wurde ebendieser freigesprochen, obwohl die Staatsanwaltschaft eine dreijährige Haftstrafe auf Bewährung und hohe Geldstrafen für ihn gefordert hatte. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig.

Präsidentenwahl in Tschechien

Am Freitag beginnt die Präsidentenwahl in Tschechien. Rund 8.3 Millionen Bürgerinnen und Bürger sind diesmal stimmberechtigt.

„Ein normaler Mensch wäre schon gegangen, aber ich bin (…) ein starrköpfiges Rindvieh“, so der 69-jährige Milliardär zu seinem Wahlantritt. Doch orten Kritiker und Kritikerinnen noch einen Hintergedanken, schließlich genießt ein Staatspräsident Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung. Bisher geriert sich Babis stets als Opfer einer „politischen Hetzjagd“, die ihn aus der Politik vertreiben soll. Das Urteil wenige Tage vor der Wahl sah er als Beweis dafür.

Der tschechische Ex-Premier Andrej Babis
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Ex-Ministerpräsident Babis will jetzt auch noch Staatspräsident werden – sein Angebot: Er will „Krisenmanager“ sein

Ex-General will für „Ruhe und Ordnung“ sorgen

Und die beiden aussichtsreichen Herausforderer? Da wäre eben der charismatische 61-jährige Armeegeneral Pavel, der „Ruhe und Ordnung nach Tschechien zurückbringen will“, wie sein Motto lautet. Über politische Erfahrung verfügt er nicht, dafür diente er jahrelang in den höchsten militärischen Strukturen des Landes. Gleich nach seiner Pensionierung 2018 kamen Gerüchte auf, er wolle Präsident werden – 2022 setzte er den Schritt der Kandidatur schließlich. Den Schub zum Umfragekrösus brachten ihm wohl auch jene, die Babis verhindern wollen.

Als der Vorwurf aufkam, der Armeegeneral außer Dienst hätte vor 1989 eine Karriere als militärischer Spion angestrebt und die Geheimdienstschule besucht, wies Pavel dies zurück – er habe „militärischer Diplomat, kein Spion werden wollen“. Außerdem habe er in seiner späteren Karriere alles „wiedergutgemacht“, wie er sagte. Dasselbe gelte für seine einstige Mitgliedschaft bei der Kommunistischen Partei. „Das war ein Fehler, den ich nicht mehr ändern kann“, sagte er.

Grafik zeigt Umfragedaten zur tschechischen Präsidentschaftswahl
Grafik: APA/ORF.at; Fotos: AFP; Quelle: POLITICO Poll of Polls

Ex-Rektorin will „Tschechien ankurbeln“

Ein Fehler, den die Ex-Rektorin Nerudova allein schon aufgrund ihres Jahrgangs nicht machen konnte („Ich habe eine saubere Weste ohne kommunistische Vergangenheit“). Die 44-Jährige ist wie Pavel als Quereinsteigerin ein politisches Greenhorn. Umso mehr kann sie sich als „unabhängig“ bezeichnen. Kein Schaden für ihre Popularität, wie sich zuletzt zeigte, als sie nämlich den Abstand zu ihren beiden Konkurrenten stetig verringern konnte. Die „Wirtschaftsexpertin“ verkörpere eine „Veränderung, die Tschechien ankurbeln“ werde, sagt ihr Slogan.

Es werden gerne Parallelen zur slowakischen Präsidentin Zuzana Caputova gezogen, die 2019 gewählt wurde. Doch der tschechische Politologe Jiri Pehe dämpft die Erwartungen: „Caputova hatte ein klares Profil als zivilgesellschaftliche Aktivistin und Rechtsanwältin, wohingegen Nerudova keine so starke Lebensgeschichte vorweisen kann.“ Nerudova geht auf der Videoplattform TikTok mit Szenen aus ihrem Alltag auf Stimmenfang bei jungen Menschen.

Grafik zeigt Umfragedaten zur tschechischen Präsidentschaftswahl
Grafik: APA/ORF.at; Fotos: AFP; Quelle: POLITICO Poll of Polls
In einer allfälligen zweiten Runde werden laut Umfragen sowohl Pavel als auch Nerudova als Gewinner gegen Babis gesehen

Weitere Überraschungen?

Die übrigen fünf Kandidaten mit einstelligen Prozentwerten haben kaum Chancen, sich in die Stichwahl durchzukämpfen. Zwei Bewerber könnten für eine Überraschung sorgen, indem sie ein zweistelliges Ergebnis leicht über zehn Prozent erzielen: der frühere Botschafter in Frankreich und Mitarbeiter von Ex-Präsident Vaclav Havel, Pavel Fischer, sowie der rechtspopulistische Kandidat Jaroslav Basta von der Partei des Rechtspopulisten Tomio Okamura und einstiger Botschafter in Russland.

Für eine Überraschung sorgte jedenfalls zuletzt Gewerkschaftsboss Josef Stredula, der ursprünglich der neunte Kandidat im Feld war. Bei der Elefantenrunde am vergangenen Sonntag gab er am Ende bekannt, seine Präsidentschaftskandidatur aufzugeben – er gab an, in der Folge Nerudova zu unterstützen. Bei der Runde nicht dabei war einer, dem das womöglich schaden könnte: Ex-Premier Babis. Er war auch bei sämtlichen anderen Diskussionen nicht dabei.