Gewaltvorwürfe nach Zusammenstößen in Lützerath

Nach den Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und der Polizei bei den Protesten gegen die Räumung des Dorfes Lützerath im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen haben sich beide Seiten Gewalttätigkeiten vorgeworfen.

Die Initiatorinnen und Initiatoren der Großdemonstration gegen die Abbaggerung des Ortes sprachen gestern von „purer Gewalt“ und zahlreichen verletzten Kundgebungsteilnehmenden. Auch die Polizei berichtete von zahlreichen Verletzten in ihren Reihen.

Landesinnenminister verteidigt Polizei

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) nahm gestern Abend die Polizei in Schutz. Diese habe „hochprofessionell“ gearbeitet, sagte er in der ARD-Talkshow „Anne Will“. Die deutsche Aktivistin Luisa Neubauer widersprach dem, aus ihrer Sicht war der Einsatz unverhältnismäßig gewalttätig. „Das sah in keiner Weise professionell aus“, kritisierte sie.

Tausende bei Demo

Gestern hatten erneut Tausende Menschen gegen die Räumung der Siedlung und die geplante Abbaggerung für den Braunkohleabbau demonstriert, darunter auch die Klimaaktivistin Greta Thunberg. Laut Organisatoren beteiligten sich 35.000 Menschen an der Kundgebung, die Polizei sprach von 15.000.

Am Rande der Großdemonstration kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei, als einige hundert Menschen Polizeiketten durchbrachen und im strömenden Regen zur Abbruchkante des Tagebaus liefen.

Polizei: Zwölf Festnahmen

Die Polizei setzte nach eigenen Angaben Wasserwerfer, Pfefferspray und Stöcke gegen „Störer“ ein. Es habe „zum Teil gewalttägige Aktionen“ aus den Reihen der Demonstrierenden gegeben, erklärte die Polizei. Zwölf Menschen seien festgenommen oder in Gewahrsam genommen worden. Rund 30 Polizeifahrzeuge seien unter anderem durch Steinwürfe und Schmierereien beschädigt, 32 Reifen zerstochen worden.

Den Angaben zufolge wurden seit Beginn des Räumungseinsatzes mehr als 70 Beamte verletzt, ein Teil davon bei den Protesten am Wochenende. Die Verletzungen gehen einem Polizeisprecher zufolge sowohl auf Rangeleien mit Klimaaktivisten als auch auf Fehltritte aufgrund der Bodenverhältnisse oder andere Umstände zurück.

Demosanitäterin: „Hemmungslose“ Schläge auf den Kopf

Die Initiative „Lützerath lebt“ und weitere Initiativen warfen ihrerseits der Polizei vor, „massiv Schlagstöcke, Pfefferspray, Räumpanzer, Wasserwerfer, Hunde und Pferde“ gegen die Demonstrierenden eingesetzt zu haben. Eine Demosanitäterin sprach von einer „hohen zweistelligen bis dreistelligen Zahl“ an Verletzten, einige davon lebensgefährlich.

Beamte hätten „hemmungslos“ auf Demonstrierende eingeprügelt, vorzugsweise auf den Kopf, sagte sie. Die Polizei nannte hingegen nur die Zahl von neun Aktivistinnen und Aktivisten, die mit Rettungswagen in Krankenhäuser gebracht wurden. Niemand sei lebensgefährlich verletzt worden.