Bogota
Reuters/Luisa Gonzalez
20-Mrd.-Dollar-Wette

Schmutzige Tricks in Kolumbiens Bieterkrieg

Eine schon lange tobende Übernahmeschlacht rund um den kolumbianischen Milliardär Jaime Gilinski ist zuletzt eskaliert: Nach Rückschlägen bei Gilinskis Einkaufstour durch die wichtigsten Firmenkonglomerate des Landes wird nun auf Freundlichkeiten verzichtet. Die Vorwürfe lauten auf parteiische Medienberichte, Einflussnahmen und gar Drohungen. In Summe geht es um Firmenwerte von rund 20 Milliarden US-Dollar.

Die „Financial Times“ schrieb von „einer der erbittertsten Übernahmeschlachten Lateinamerikas“, es stünden nicht nur die Vermögenswerte in Höhe von 20 Milliarden auf dem Spiel, sondern auch die Zukunft des kolumbianischen Aktienmarktes und gar die Redlichkeit der Regierung. Im Zentrum dieses Finanzkrimis steht ein Name, den man in dem Anden-Staat mit Reichtum und Macht verbindet: Gilinski.

Der Banker gilt als zweitreichster Kolumbianer, er machte sein Geld, indem er etwa lokale Banken zu multinationalen Institutionen aufbaute. In der Liste der reichsten Menschen der Welt des US-Magazins „Forbes“ rangiert Gilinski mit einem Nettovermögen von 4,2 Milliarden Dollar auf Platz 687.

Gilinski verfolgt seit längerer Zeit ein nicht leicht erreichbares Ziel: Er will ein lange gewachsenes Firmennetz, den Grupo Empresarial Antioqueno (GEA), aufbrechen und teils übernehmen. Dann würde der Unternehmer Vermögenswerte kontrollieren, so wertvoll wie die Hälfte des gesamten Aktienmarktes des Landes. Hinzu kommt Entscheidungsgewalt über rund 125 Firmen des Konglomerats, wie die Wirtschaftsplattform Finance Colombia berichtet.

Übernahme in Etappen

Den Ursprung nahm dieser Kampf Goliath gegen Goliath im November 2021, als Gilinski gemeinsam mit Partnern aus der Königsfamilie Abu Dhabis den Lebensmittelverarbeitungskonzern Nutresa übernehmen wollte. Später bot er auch für das Finanzkonglomerat Sura und die Zementfirma Argos. Sie alle gehören zum GEA, verwoben durch ein Netz an Kreuzbeteiligungen.

Bald war allen Beteiligten klar: Gilinski will dieses Netz, das feindlichen Übernahmen vorbeugen soll, sprengen. Kleinere Aktionäre und Pensionskassen verkauften schnell, verlockt durch einen Aufschlag auf die zuletzt gefallenen Aktienkurse. Aber die wichtigen Investoren aus Medellin, so die „Financial Times“, lehnten ab und verwehrten dem Banker so sein Ziel – vorerst.

Gilinski gab nicht auf, er kaufte seither alle Anteile, die er kriegen konnte. Nach sieben Anläufen und investierten 2,9 Milliarden Dollar hält er nun 39 Prozent von Sura und gemeinsam mit seinen Partnern aus Abu Dhabi knapp 32 Prozent an Nutresa. Er sitzt im Aufsichtsrat beider Firmen, ihm fehlt aber weiterhin die Mehrheit.

Patt und gegenseitige Vorwürfe

GEA und Gilinski manövrierten sich so in ein Patt, seither fliegen die Hackeln in Kolumbiens Businesswelt tief. Vertreter des GEA und Gilinski werfen einander abwechselnd politische Beeinflussung, schlechte Unternehmensführung und tendenziöse Medienberichte vor.

Jaime Gilinski, GNB Sudameris Chef
Reuters/Fredy Builes
Jaime Gilinski

Gilinskis Sohn Gabriel gehört das Investigativmagazin „Semana“, das etliche Artikel über das Management von GEA veröffentlichte. Darin war etwa zu lesen, dass Verantwortliche mit Firmenjets zu Urlauben in der Karibik flogen. GEA wiederum besitzt die Zeitung „El Colombiano“, die sich kritisch mit Gilinskis Geschäftstaktiken auseinandersetzte.

Führungskräfte und Aktionäre von Sura behaupteten auch, dass die Gilinskis eine allzu enge Beziehung zu höchsten kolumbianischen Politikern unterhielten, darunter Ex-Präsident Ivan Duque. So sei Gilinski etwa Teil von Duques Wirtschaftsdelegation bei einem Besuch in Abu Dhabi gewesen, nur wenige Tage vor seinem ersten Übernahmeangebot. Duque bestreitet eine entsprechende Einflussnahme, er habe zur Familie Gilinksi schlicht ein gutes Verhältnis, genau wie zu anderen Wirtschaftsgranden des Landes.

„Fühlte mich bedroht“

Es gibt aber auch Vorwürfe, die Gilinskis hätten unangemessenen Druck ausgeübt. Die „Financial Times“ zitierte den ehemaligen Sura-Vorstand Luis Santiago Cuartas: „Er hat mir mehrmals gesagt, dass ich geopfert werden würde (…). Ich fühlte mich bedroht.“ Ein anderer Insider berichtete, Gabriel Gilinski habe die Sura-Vorstandsmitglieder ständig unter Druck gesetzt, die Anteile an Nutresa zu verkaufen, und mit Klagen gedroht. „Er sagte uns, dass wir alle mittellos und im Gefängnis landen würden“, hieß es.

Die Gilinskis wiederum warfen den gegnerischen Managern vor, nur ihre eigenen Interessen zu verteidigen, anstatt den Wert für alle Aktionäre zu vergrößern. „Das sind börsennotierte Unternehmen, und sie können nicht wie ein Country Club zugunsten des Managements und bestimmter Aktionäre geführt werden“, so Gabriel Gilinski zu dem Blatt.

Die Kreuzbeteiligungen würden Renditen hemmen und Heimlichkeiten fördern. „Die Kreuzbeteiligungsstruktur, bei der Manager sich gegenseitig und ihre Vorstände wählen, führt zu einem Mangel an Rechenschaftspflicht und Transparenz.“

Klagen und Gegenklagen

Die Zwischenbilanz des Bieterkriegs beläuft sich bisher auf diverse Klagen und Gegenklagen darüber, ob ein Anteilskauf rechtens war, und auch über eine mögliche unangemessene Beeinflussung Verantwortlicher. Daraus könnte nun ein jahrelanger Rechtsstreit werden oder aber auch eine Verhandlungslösung. Das Resultat dürfte in jedem Fall die Zukunft des größten Firmenbündnisses des Landes bestimmen und freilich auch die Zukunft der einflussreichen Businessfamilie Gilinski, es ist ein Kampf um Milliarden, um Ansehen und Macht.