Symbolische Darstellung von Binärcode, mit der Ziffer zwei auf einer Sprungfeder
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Jahr-2038-Problem

Vorbereitung auf die „Epochalypse“

Nachdem der IT-Weltuntergang im Jahr 2000 ausgeblieben ist, kündigt sich langsam, aber sicher das nächste große Problem für einige Computer an: In genau 15 Jahren droht der „Y2K38“-Fehler, auch „Epochalypse“ genannt. Von einer Sekunde auf die andere könnten einige Rechner einen Zeitsprung machen, erneut wird vor verheerenden Auswirkungen gewarnt. Die Vorbereitungen laufen – doch nicht alle Probleme werden sich lösen lassen.

Es war das große Angstszenario im Jahr 1999: Das „Y2K“-Problem könnte zu Silvester Computersysteme auf der ganzen Welt lahmlegen, gefolgt von Chaos, Unruhen und zumindest ein bisschen Weltuntergang, hieß es im Vorfeld. Dass manche Rechner den Sprung von „99“ auf „00“ nicht schafften, sorgte aber letztlich für keine gröberen Probleme, der Jahr-2000-Fehler ist heute bestenfalls eine belächelte Fußnote.

Diesmal wird es aber ernst, möglicherweise. Wenn, dann jedenfalls mitten in der Nacht in Europa: Am 19. Jänner 2038 um 4.14 Uhr und acht Sekunden, mitteleuropäischer Zeit, werden einige Computer Probleme mit der Zeitanzeige bekommen. Konkret könnte die Zeit der betroffenen Rechner auf den 13. Dezember 1901 springen.

Pressekonferenz im Dezember 1999
AP/Aynsley Floyd
Nach dem Jahreswechsel verschwand der Jahr-2000-Fehler nicht nur von den Rechnern, sondern auch aus den Köpfen

Die Auswirkungen sind schwer abzuschätzen, aber schon in den vergangenen Jahren war zu lesen, dass verheerende Folgen zumindest theoretisch möglich wären. Zwar ist bei Computern nicht alles vom korrekten Datum abhängig – viele Systeme reagieren aber empfindlich auf plötzliche Zeitsprünge. Auch wenn es nicht zum Super-GAU kommen sollte: Selbst kleinere Fehler könnten Systemadministratoren und -administratorinnen länger beschäftigen.

Ursache geht auf 70er Jahre zurück

Hintergrund des Problems ist eine Entscheidung aus den 1970ern: Die damaligen Großrechner verwendeten das Betriebssystem Unix, die Entwickler einigten sich auf den 1. Jänner 1970 als Beginn der Zeitzählung dieser Systeme. Dieses Datum wird auch als Beginn der „Unix-Epoche“ bezeichnet, seither läuft der Zähler hinauf, Sekunde für Sekunde. Fast alle modernen Systeme verwenden diese „Epoch“-Zeitzählung, vom Smartphone bis zum Webserver, mit Ausnahme von Windows-Rechnern.

Arbeiter in Datenzentrum in Hangzhou
AP/FeatureChina/Long Wei
Ein Großteil der Server setzt auf die „Epoch“-Zeitzählung

Mittlerweile sind über 1,674 Milliarden Sekunden seit 1970 vergangen. Am 19. Jänner 2038 werden es knapp über 2,147 Milliarden Sekunden sein – die wenig runde Zahl ist eine kritische Grenze für viele Systeme. Computer rechnen normalerweise im Hintergrund in Einsern und Nullern, also binär. Für das Speichern von Datumsangaben sind in der Vergangenheit oft nur 32 Bit, also 32 Einser und Nuller, vorgesehen gewesen. Das reicht, um Zahlen zwischen minus 2.147.483.648 und plus 2.147.483.647 zu speichern.

Will man allerdings eine größere Zahl, also ein Datum nach dem 19. Jänner 2038 darstellen, fängt der Computer im schlechtesten Fall wieder bei der niedrigstmöglichen Zeit zu zählen an, also bei minus 2.147.483.648 Sekunden. Die Uhr springt auf den 13. Dezember 1901, über 68 Jahre vor – und nicht nach – Beginn der „Unix-Epoche“.

Einige Probleme noch zu lösen

Weil das für manche Rechner mehr als bloßes Schnackerl sein könnte, laufen die Vorbereitungen dazu schon länger. Diese Woche erinnerten Programmierinnen und Programmierer an die drohende „Epochalypse“ – und machten auf zahlreiche Programme aufmerksam, die den Sprung ins Jahr 2038 nicht schaffen könnten. Ein Entwickler des Linux-Systems openSUSE machte in einem Beitrag auf Reddit etwa darauf aufmerksam, dass die weit verbreitete Programmiersprache Python Probleme mit dem Datumswechsel hat – allerdings nur unter bestimmten Umständen und nicht auf allen Rechnern.

Und er machte darauf aufmerksam, dass das Problem schon früher als am 19. Jänner 2038 schlagend werden könnte – schließlich müssen Computer auch oft mit der Zukunft und nicht nur mit der Gegenwart rechnerisch umgehen können. Doch nicht alle Systeme können umgestellt werden, weil sie zu alt sind oder der nötige Programmcode nicht verfügbar ist. Hier bleibt nur zu hoffen, dass sie bis dahin aussortiert sind. Immerhin: Das ein oder andere Jahr bleibt Entwicklerinnen und Entwicklern sowie Administratoren noch zur Lösung.

Vom gefürchteten „Y2K-Bug“ zur Lachnummer

Zu erwarten ist also, dass die große „Epochalypse“ ausbleibt, immerhin wurde das Thema deutlich früher diskutiert als der viel gefürchtete „Y2K-Bug“, der letztlich auch glimpflich verlief. Und obwohl man heutzutage bestenfalls schmunzeln muss, wenn man an die Zeit damals zurückdenkt: Dass gröbere Probleme ausgeblieben sind, ist auch vielen Arbeits- und Überstunden der IT-Branche zu verdanken, deren Arbeit oft nur dann auffällt, wenn etwas nicht so hinhaut, wie es soll.

Sollten alle betroffenen Programme und Systeme den Sprung von 19. Jänner 2038 4.14 Uhr und sieben Sekunden auf 4.14 Uhr und acht Sekunden überstehen, kann die IT-Branche großteils durchatmen, was Zeitangaben anbelangt. Die nächsten wirklich gröberen Probleme sind wohl erst 2100 zu erwarten, auch das Jahr 10.000 gilt als problematisch – und so fern das auch klingen mag: Selbst hierfür gibt es bereits in manchen Bereichen Vorbereitungen.