Leopard 2 A7 Panzer
APA/AFP/Patrik Stollarz
Ukraine-Gipfel in Ramstein

Leopard-Frage bleibt ungelöst

Das Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe im deutschen Ramstein am Freitag hat Kiew weitere umfangreiche Zusagen über militärische Hilfe gebracht. Die aus ukrainischer Sicht aktuell vielleicht wichtigste Frage blieb allerdings wieder offen: die Lieferung deutscher Leopard-Kampfpanzer. Trotz Drängens aus Kiew wagt sich Berlin noch nicht recht aus der Deckung – macht aber einmal Inventur.

Der erst diese Woche angelobte neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte am Freitag auf dem US-Luftwaffenstützpunkt im Bundesland Rheinland-Pfalz, er habe eine Prüfung der Bestände von Leopard-Kampfpanzern für eine eventuelle Lieferung in die Ukraine veranlasst. Hinsichtlich einer tatsächlichen Lieferung gebe es bei den Ukraine-Unterstützerstaaten aber weiter „kein einheitliches Meinungsbild“.

Der Eindruck, es gebe „eine geschlossene Koalition, und Deutschland steht im Weg, ist falsch“, sagte Pistorius. Zugleich versicherte er, bei den Unterstützern der Ukraine gebe es eine „enge Abstimmung“ und ein „synchronisiertes Vorgehen“. Die deutsche Bundesregierung werde eine Entscheidung über den Leopard in Abstimmung mit den Partnern „so bald wie möglich“ fällen.

Angst vor Eskalation

Deutschland verfügt über die Versionen 1 und 2, die Ukraine will vor allem den Leopard 2. Nun sollen die Bestände in Deutschland und ihre Kompatibilität mit Systemen der Partnerländer geprüft werden. Das sei aber keine Vorentscheidung, betonte der neue deutsche Verteidigungsminister.

Grafik zum Kampfpanzer Leopard 2 A4
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: dpa

Aus dem Büro des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) hieß es dazu am Freitag, die drei Prinzipien bei Waffenlieferungen an Kiew seien: „die Ukraine so stark wie möglich zu unterstützen (…), zu verhindern, dass die NATO, dass Deutschland Kriegspartei werden, und als Drittes, dass wir keine nationalen Alleingänge machen“.

Weitere Rüstungslieferungen aus mehreren Ländern

In Ramstein diskutierten Vertreter der NATO-Staaten und anderer Unterstützerländer der Ukraine am Freitag über weitere Militärhilfen für Kiew. Die USA hatten vorab weitere Waffenlieferungen im Umfang von 2,5 Mrd. Euro Dollar (rund 2,3 Mrd. Euro) angekündigt.

Grafik zu Kampfpanzern
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: globalfirepower.com

Zum jüngsten Hilfspaket gehören laut Pentagon keine Kampfpanzer (Abrams), aber weitere 59 Panzer vom Typ Bradley, 90 gepanzerte Fahrzeuge vom Typ Stryker, Luftabwehrsysteme vom Typ Avenger sowie Munition. Finnland sagte Rüstungsgüter für 400 Mio. Euro, vor allem schwere Artillerie, zu. Deutschland hat der Ukraine seit Beginn des Krieges Militärhilfe für 3,3 Mrd. Euro geleistet.

Selenskyi mahnt zu Eile

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zum Auftakt des Treffens mehr Eile bei den Waffenlieferungen eingemahnt. Der von Russland begonnene Krieg „erlaubt keinen Aufschub“, sagte er per Videoschaltung. Zeit bleibe „eine russische Waffe“. Die Zeit sei kritisch, so Selenskyj, dessen Angaben zufolge Russland gerade seine letzten Kräfte zusammenziehe. „Wir müssen schneller werden.“ Der russische „Terror“ erlaube keine langen Diskussionen. „Der Kreml muss verlieren.“

Analyse: Velina Tchakarowa (AIES) zu Waffenlieferungen

Trotz Drucks aus der Ukraine und von verbündeten Staaten hat Deutschland immer noch nicht über die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern entschieden. In der ZIB2 war dazu Sicherheitsexpertin Velina Tchakarova, Direktorin des Austria Instituts für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES), zu Gast.

Selenskyj dankte den versammelten Vertretern westlicher Staaten für die bisherige Unterstützung seines Landes. „Wir sehen die Ergebnisse auf dem Schlachtfeld in der Ukraine.“ Den Verteidigern der Freiheit gingen aber langsam die Waffen aus. In Ramstein müssten konkrete Entscheidungen über die Lieferung etwa von Flugzeugen sowie Raketen und Artillerie mit großer Reichweite getroffen werden, um den russischen Terror beenden zu können.

Er habe bei den Gesprächen am Freitag viel Verständnis für die Erfordernisse der Ukraine gehört, sagte Selenskyj in seiner am Abend in Kiew verbreiteten täglichen Videobotschaft. „Ja, wir werden noch kämpfen müssen um die Lieferung moderner Panzer, aber mit jedem Tag machen wir es noch offenkundiger, dass es keine Alternative gibt zu der Entscheidung für Panzer“, sagte er.

Kritik an „Salamitaktik“ Berlins

Der ukrainische Vizeaußenminister Andrij Melnyk kritisierte die deutsche Bundesregierung für ihre Blockadehaltung bei der Lieferung von Kampfpanzern. „Es ist eine Riesenenttäuschung, dass Deutschland sich beim Thema Leopard wegduckte“, sagte der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland der „Welt am Sonntag“.

Berlin vergeude wertvolle Zeit mit einer „fragwürdigen Salamitaktik“ bei der Waffenhilfe für die von Russland angegriffene Ukraine, kritisierte Melnyk. „Dass man jetzt immer noch abwägen will, ist nichts anderes als eine Blamage.“

Ein „entscheidender Moment“

Zuvor hatte auch US-Verteidigungsminister Lloyd Austin die westlichen Alliierten gemahnt, in ihrer Unterstützung für die Ukraine nicht nachzulassen. „Das ist nicht der Moment, sich zurückzulehnen“, sagte er zum Auftakt des Ramstein-Treffens. Es sei vielmehr an der Zeit, die Militärhilfen zu verstärken. Austin sprach von einem entscheidenden Moment für die Ukraine.

„Das ukrainische Volk sieht uns zu. Der Kreml sieht uns zu. Und die Geschichte sieht uns zu", sagte Austin. Es gebe keinen Zweifel daran, dass „wir die Selbstverteidigungskräfte der Ukraine so lange unterstützen werden, wie es nötig sein wird“, fügte er hinzu.

Zu der Konferenz auf der größten US-Luftstreitkräftebasis außerhalb der Vereinigten Staaten hatte Austin die Mitglieder der Ukraine-Kontaktgruppe eingeladen. Zu dieser gehören neben den USA etwa auch Deutschland und Großbritannien. Insgesamt waren Vertreter von rund 50 Ländern an den Beratungen beteiligt. Österreich war nach Angaben des Verteidigungsministeriums wie schon zuvor bei ähnlichen Treffen als Beobachter eingeladen.

Deutschland für USA „verlässlicher Verbündeter“

In der Debatte über die Lieferung von Kampfpanzern in die Ukraine stellte sich die US-Regierung hinter Deutschland. Berlin sei seit sehr langer Zeit ein verlässlicher Verbündeter, sagte US-Verteidigungsminister Austin bei einer Pressekonferenz nach dem Ende des Ramstein-Treffens, und er glaube fest, dass das auch in Zukunft so sein werde. Wohl mit Blick auf den Leopard 2 erklärte Austin, dass die Ukraine nicht auf eine militärische Plattform angewiesen sei.

Kampfpanzer der US-Armee M1A1 Abrams
Reuters/Ints Kalnin
Die USA wollen Kiew den Kampfpanzer Abrams aktuell ebenfalls nicht liefern

Die USA selbst wollen gegenwärtig ebenfalls keine Kampfpanzer des Typs Abrams liefern. Sie rieten der Ukraine, hieß es am Freitag außerdem, mit Offensiven zu warten, bis neue Waffenlieferungen eingetroffen und Soldaten fertig ausgebildet seien. Dass die Ukraine alle von russischen Truppen besetzten Gebiete zurückgewinnen kann, bezweifeln die USA offenbar.

Zumindest US-Generalstabschef Mark Milley hält die Chance auf einen baldigen militärischen Sieg der Ukraine weiter für gering. Aus militärischer Sicht sei es „sehr, sehr schwierig“ für die Ukraine, in diesem Jahr die russischen Streitkräfte aus jedem Zentimeter der Ukraine und russisch besetzten Gebieten zu vertreiben, sagte Milley am Freitag nach der Konferenz auf dem US-Luftstreitkräftestützpunkt Ramstein. „Das heißt nicht, dass es nicht passieren kann“, betonte er, „aber es wäre sehr, sehr schwierig.“ Er glaube, dass auch dieser Krieg wie viele zuvor am Verhandlungstisch enden werde.

Kreml: Kampfpanzer können Russland nicht stoppen

Westliche Panzerlieferungen würden in der Ukraine „nichts ändern“, sagte unterdessen Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag in Moskau. „Es lohnt sich hier nicht, die Bedeutung dieser Lieferungen zu übertreiben hinsichtlich ihrer Fähigkeit, etwas zu ändern“, so Peskow nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax.

Der Kreml-Sprecher begründete das unter anderem mit Problemen beim Nachschub, der Munitionsversorgung und der Wartung der Panzer: „Das beschert der Ukraine zusätzliche Probleme, aber ändert nichts am Vorankommen der russischen Seite beim Erreichen ihrer Ziele.“