Leopard 2 Panzer
AP/Michael Sohn
Offiziell

Berlin will Ukraine 14 Leopard-Panzer liefern

Nachdem am Dienstag die deutsche Bereitschaft zur Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine durchgesickert war, hat die Regierung in Berlin schon am Mittwoch die Berichte bestätigt. Deutschland will 14 Leopard-Panzer ins Kriegsgebiet schicken. Auch die USA sollen nun bereit sein, etwa 30 Panzer vom Typ Abrams zu senden. Die Frage ist, wie lange das dauern wird.

Der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit teilte am Mittwochvormittag per Aussendung mit, dass man die 14 Panzer „in einem ersten Schritt“ aus Beständen der Bundeswehr liefern werde. Ziel sei es, rasch zwei Panzerbataillone mit Leopard-2-Panzern zusammenzustellen. Europäische Partner würden ihrerseits dafür Panzer zur Verfügung stellen. Berlin werde dafür die entsprechenden Genehmigungen erteilen.

Zu einem deutschen Kampfpanzerbataillon gehören üblicherweise 44 Leopard-2-Panzer. Es geht bei der Lieferung in die Ukraine also um knapp 90 Panzer. Am frühen Nachmittag erläuterte der deutsche Kanzler Olaf Scholz seine Entscheidung in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag.

Scholz: Werden Ukraine Leopard-Panzer liefern

Vor dem Deutschen Bundestag erklärte der deutsche Kanzler Olaf Scholz, dass Deutschland der Ukraine Leopard-2-Kampfpanzer liefern werde. Außerdem wolle man auch den Partnerländern die Lieferung solcher Panzer erlauben und sich um die Ausbildung, Wartung und Versorgung mit Munition kümmern. Scholz betonte, dass man dabei nach dem Prinzip handle, das Notwendige möglich zu machen und gleichzeitig eine Eskalation zu einer Auseinandersetzung zwischen der NATO und Russland zu vermeiden. „Dieses Prinzip werden wir auch weiter beachten“, so Scholz.

Er habe am Mittwoch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert, so Scholz. Es sei richtig, dass man der Ukraine finanziell und auch mit Waffen helfe. Das habe man in enger Abstimmung mit internationalen Partnern beschlossen. „Deutschland wird immer voran sein, wenn es darum geht, die Ukraine zu unterstützen“, sagte Scholz. Dabei handle man nach dem Prinzip, das Notwendige möglich zu machen und gleichzeitig eine Eskalation zu einer Auseinandersetzung zwischen der NATO und Russland zu vermeiden. „Dieses Prinzip werden wir auch weiter beachten.“

Panzerdiplomatie

Scholz war schwer unter Druck geraten, weil er eine Entscheidung hinausgezögert hatte. Zudem hatte er betont, nur im Einklang mit den USA Panzer liefern zu wollen. Washington lehnte diese Verknüpfung zunächst ab, das US-Verteidigungsministerium hatte auf einen hohen Wartungsbedarf und den speziellen Antrieb verwiesen, weswegen es keinen Sinn habe, Panzer des US-Bautyps Abrams zu schicken.

Offenbar hat sich seit einem Gipfel am US-Stützpunkt Ramstein in Deutschland vergangene Woche eine intensive Debatte ergeben, und nun sind die USA laut Insidern doch bereit, etwa 30 Abrams-Panzer bereitzustellen. Eine entsprechende Ankündigung von US-Präsident Joe Biden wurde alsbald erwartet, das Weiße Haus kündigte eine Stellungnahme Bidens zur Ukraine für Mittwochabend an.

Grafik zum Kampfpanzer Leopard 2 A4
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: dpa

Sorge vor weiterer Eskalation

Der nach dem US-General Creighton Abrams benannte US-Panzer wurde in den 1970er Jahren entwickelt und 1980 in Dienst gestellt. Er geht ebenso wie der Leopard 2 auf ein gescheitertes deutsch-amerikanisches Projekt zur Entwicklung eines gemeinsamen Kampfpanzers in den 1960er Jahren zurück. Der vom Rüstungskonzern General Dynamics produzierte Abrams gilt in seiner neuesten Ausführung als einer der modernsten Panzer weltweit.

Deutschland und die Vereinigten Staaten hatten sich bisher mit der Bereitstellung schwerer Panzer zurückgehalten, da sie befürchten, dass eine Unterstützung dem Kreml Anlass zur Ausweitung des Konflikts geben könnte. Scholz hatte betont, ein Konflikt zwischen Russland und der NATO müsse vermieden werden.

Deutschland liefert Panzer

Andreas Pfeifer (ORF) analysiert die Motive Deutschlands, nun Panzerlieferungen zu organisieren.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte die deutsche Entscheidung am Mittwoch und erklärte, diese könne zum Sieg über die russischen Truppen beitragen. Die Entscheidung könne der Ukraine in einem „kritischen Moment“ des Krieges helfen, „sich zu verteidigen, zu gewinnen und als unabhängige Nation zu bestehen“, so Stoltenberg auf Twitter.

Ukraine will mehr

Noch bevor es die offizielle Bestätigung aus Berlin gab, begrüßte die ukrainische Regierung die Pläne als möglichen Wendepunkt in dem Krieg. Doch Selenskyj sah den Bedarf als weit höher an. „Es geht nicht um fünf oder zehn oder 15 Panzer. Der Bedarf ist größer.“ Später bedankte sich Selenskyj bei Scholz „aufrichtig“: Er sei Scholz und „all unseren Freunden in Deutschland aufrichtig dankbar“, schrieb Selenskyj auf Twitter.

Der stellvertretende Außenminister der Ukraine, Andrij Melnyk, forderte von Deutschland gleich noch die Lieferung von Tornado- und Eurofighter-Kampfjets, Kriegsschiffen und U-Booten – eine Forderung, der Deutschland laut Scholz nicht nachkommen wird. Das habe er ebenso wie US-Präsident Joe Biden bereits vor Monaten in der Debatte über eine Flugverbotszone klargestellt. Dabei bleibe es, so Scholz im Bundestag. Auch deutsche Bodentruppen werde es nicht geben.

Am Dienstag hatte Polen in Berlin den Antrag auf eine Exportgenehmigung für ebenfalls 14 Exemplare des deutschen Panzertyps gestellt. Der polnische Premier Mateusz Morawiecki dankte Scholz am Mittwoch für die geplante Unterstützung. „Die Entscheidung, Leopard-Kampfpanzer in die Ukraine zu liefern, ist ein großer Schritt, um Russland zu stoppen. Zusammen sind wir stärker“, schrieb Morawiecki auf Twitter.

Etliche Staaten wollen nun liefern

Es gibt noch weitere Staaten in Europa, die über Leopard-Panzer verfügen. Einige hatten ihre eigene Entscheidung davon abhängig gemacht, wie Deutschland entscheiden würde. Kurz nach Berlins Ankündigung erklärten auch die Niederlande ihre Bereitschaft zur Abgabe von Kampfpanzern an die Ukraine. Ministerpräsident Mark Rutte sagte, sein Land könne die von Deutschland bisher geleasten Panzer kaufen und dann der Ukraine zur Verfügung stellen. Die norwegische Regierung erwägt, einige Leopard-2-Panzer zu schicken, berichteten die Zeitungen „Aftenposten“ und „Dagens Naeringsliv“.

Auch Spanien sei bereit, Leopard-Kampfpanzer zu liefern, sagte Verteidigungsministerin Margarita Robles am Mittwoch vor Journalisten in Madrid. Man könne auch bei der Ausbildung der Ukrainer sowie bei der Wartung helfen. Eine Zahl an Panzern, die Madrid liefern könnte, nannte Robles nicht. Ähnlich Finnland: Man wolle liefern, eine Zahl gab es aber vorerst nicht.

Großbritannien hatte bereits vor anderthalb Wochen angekündigt, der ukrainischen Armee 14 Kampfpanzer vom Typ Challenger 2 zu liefern. Auch der britische Premier Rishi Sunak begrüßte nun Deutschlands Entschluss.

Russland erbost

In einer ersten Reaktion aus Moskau verurteilte das russische Außenministerium die Entscheidung Deutschlands scharf. Das komme einem „vorgeplanten Krieg“ gegen Russland gleich, sagte Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa.

Auch der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, kritisierte die Entscheidung als „extrem gefährlich“. Das werde „den Konflikt auf eine neue Ebene der Konfrontation führen“, so Netschajew. Der Westen befinde sich in einer Logik der „permanenten Eskalation“.

Grafik zum Kampfpanzer M1A1 Abrams
Grafik: APA/ORF; Quelle: dpa

Bei einem Pressebriefing sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, dass die möglichen Abrams-Lieferungen Geldverschwendung seien. „Ich bin sicher, dass viele Experten die Absurdität dieser Idee verstehen. Der Plan ist technisch desaströs“, so Peskow. „Aber vor allem wird das Potenzial überschätzt, das die Panzer für die ukrainische Armee bedeuten. Diese Panzer brennen genau wie alle anderen.“

Der russische Präsident Wladimir Putin äußerte sich vorerst nicht zu der Entscheidung Deutschlands. Bei einem Besuch der Staatsuniversität in Moskau beantwortete er für mehr als eine Stunde Fragen von Studierenden zu verloren gegangenen Hunden und Quantentechnologie. Der Krieg in der Ukraine war nur Randthema. Manche westliche Länder würden die Ukraine dazu nutzen, die russische Kultur löschen zu wollen. Streng genommen sei Deutschland immer noch von den USA besetzt, sagte Putin.

Könnte Monate oder Jahre dauern

Die Front, die sich über mehr als 1.000 Kilometer durch die Ost- und Südukraine erstreckt, ist seit zwei Monaten bei schweren Verlusten auf beiden Seiten weitgehend eingefroren. Es wird jedoch vermutet, dass sowohl Russland als auch die Ukraine neue Offensiven planen. Selenskyj sagte in seiner Ansprache, Russland verstärke seinen Vorstoß auf Bachmut, eine Industriestadt in der Ostukraine.

Dass die Kampfpanzer aus dem Westen rechtzeitig ankommen, wird aber bezweifelt. Der „Washington Post“ zufolge dürfte es Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis die Abrams-Panzer in dem Krieg zum Einsatz kommen. Es sei unwahrscheinlich, dass die Fahrzeuge zum Frühjahr in der Ukraine ankommen, wenn mit der Offensive Russlands gerechnet wird, so die Zeitung.

Die ersten deutschen Panzer sollen nach Einschätzung des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius in etwa drei Monaten zur Verfügung stehen. Die Bundeswehr werde nun „sehr schnell“ mit der Ausbildung ukrainischer Soldatinnen und Soldaten an dem Panzer sowie mit der Klärung der Nachschubwege beginnen, sagte Pistorius am Mittwoch. Die Ausbildung könne „vielleicht noch diesen Monat“, spätestens aber Anfang Februar beginnen, hieß es aus dem Berliner Verteidigungsministerium.