Bundespräsident Alexander Van der Bellen
ORF
Vor neuer Angelobung

Van der Bellen weiter auf Distanz zu Kickl

Sechs Jahre nach seiner ersten Kür wird Alexander Van der Bellen am Donnerstag zum zweiten Mal von der Bundesversammlung, dem gemeinsamen Gremium von National- und Bundesrat, als Bundespräsident angelobt. Am Vortag ging Van der Bellen erneut klar auf Distanz zu Herbert Kickl. Der FPÖ-Chef könne sich demnach bei einem allfälligen Wahlsieg – die FPÖ liegt derzeit in allen Umfragen auf Platz eins – nicht sicher sein, automatisch den Auftrag zur Regierungsbildung zu bekommen.

Er werde „eine antieuropäische Partei, eine Partei, die den Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht verurteilt, nicht durch meine Maßnahmen noch zu befördern versuchen“, sagte Van der Bellen Mittwochabend in der ORF-Sendung „20 Fragen“. Er lege den Amtseid nicht nur auf die Verfassung ab, sondern sei auch seinem Gewissen verpflichtet.

Die Frage, ob das heiße, dass er Kickl, auch wenn die FPÖ bei der Nationalratswahl Erste wird, nicht automatisch mit der Regierungsbildung beauftragen würde, reichte der Bundespräsident weiter – mit den Worten, man möge Kickl und nicht ihn fragen, „ob es richtig war, gegen sein eigenes Haus, gegen das Innenministerium, eine Razzia zu machen, die zu nichts geführt hat, außer dass die ausländischen Intelligence-Dienste jedes Vertrauen in Österreich verloren haben und und und. Fragen Sie ihn, nicht mich.“

20 Fragen an Alexander Van der Bellen

Susanne Schnabl (ORF) und Hanno Settele (ORF) haben Bundespräsident Alexander Van der Bellen 20 Fragen gestellt. Wie will der neue alte Bundespräsident seine zweite Amtszeit anlegen, was sagt er zum Zustand des Landes und zur Verfasstheit der Politik nach und inmitten noch nie da gewesener Krisen, was erwartet er sich, welche Rolle will er dabei einnehmen, und wie hat ihn das Amt als Mensch nach den ersten sechs Jahren verändert?

„Freunderlwirtschaft ist Gift“

„Streng genommen“ stehe in der Verfassung nicht, dass die stimmenstärkste Partei den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten müsse. Aber es stehe darin, dass der Bundespräsident den Kanzler ernennt, und zwar in seiner „höchstpersönlichen Entscheidung“. Dafür brauche er keinen Vorschlag, das sei „einer der ganz, ganz wenigen Punkte, in denen der Bundespräsident frei ist in seiner Entscheidung“.

„Ja sicher, das hat sich ja anhand der Chatprotokolle herausgestellt“, sagte Van der Bellen auf die Frage, ob Österreich ein Korruptionsproblem habe. Er mahnte nicht nur die gesetzliche Schritte ein – die Koalitionseinigung zum Lückenschluss im Strafrecht begrüßte er –, sondern auch eine „Änderung der Haltung“. Die in den Chatprotokollen sichtbar gewordene „Freunderlwirtschaft“ – „wie wir das so beschönigend in Österreich nennen“ – müsse „wirklich aufhören, das ist ein Gift“.

Die Regierung sollte diskutieren, was man vom Antikorruptionsvolksbegehren noch umsetzen kann bis zur Wahl. Er selbst hätte bei „diesen Chatgeschichten“ mehr kommunizieren sollen, räumte Van der Bellen ein. Da sei „nicht ganz zu Unrecht der Eindruck entstanden, ich halte mich zu sehr zurück“.

Verhältnis zu Kanzlern

Auch um das Verhältnis des Bundespräsident zu den Regierungsspitzen ging es. Mit ÖVP-Ex-Kanzler Sebastian Kurz – der ja „berühmt, manche sagen berüchtigt war für seine Versuche der Message-Control“ – habe er einige Auseinandersetzungen gehabt, aber „da soll man nicht empfindlich sein, das gehört zur Politik“. Mit dem jetzigen Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) habe er „sehr gutes Arbeitsverhältnis entwickelt im Laufe der Zeit“.

Durchaus positiv beurteilte Van der Bellen die von der ÖVP-Grünen-Koalition geleistete Arbeit zur Linderung der Krisenfolgen. Da sei die Regierung „nicht untätig“ gewesen, deshalb seien auch zu Beginn des Ukraine-Krieges befürchtete Katastrophen – Gas- und Strommangel, nicht Heizen zu können etc. – nicht eingetreten. Nicht gelungen sei allerdings die Kommunikation der zahlreichen Maßnahmen, mit denen die Teuerungsfolgen abgefedert wurden.

Tempo 100 „wirklich zumutbar“

Emotional zeigte sich Van der Bellen in Sachen Klimakrise. Er forderte nicht nur vehement mehr Tempo bei Gegenmaßnahmen ein, sondern trat auch scharf jenen entgegen, die Aktivisten und Aktivistinnen als „Terroristen“ bezeichnen – ohne die FPÖ zu nennen. Das zu tun sei eine „Geschmacklosigkeit erster Güte“, denn „diese Leute verwenden Klebstoff, ein Terrorist verwendet Sprengstoff“.

Auch der von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) im Vorfeld der niederösterreichischen Landtagswahl erhobenen Forderung nach höheren Strafen für Blockaden trat Van der Bellen klar entgegen: „Das finde ich weit über das Ziel schießend.“ Für „wirklich zumutbar“ hielte er Tempo 100 auf der Autobahn.

Kickl reagiert auf Facebook

FPÖ-Chef Kickl reagierte umgehend via Facebook. Offenbar solle nicht der Wählerwille in Sachen Regierungsbildung entscheiden, „sondern die persönliche Willkür einer einzelnen Person“, postete er. Er wandte sich gegen die kritischen Anmerkungen des Bundespräsidenten zur FPÖ: „Um moralisch zu sein, genügt es, den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zu verurteilen. Alle anderen Angriffskriege sind offenbar gar kein Problem“, schrieb Kickl: „Und zur EU darf man nur freundlich sein, sonst ist man ein Europafeind.“

Kritik kam am Donnerstag auch von FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker. Eine „willkürliche Verweigerung des Regierungsbildungsauftrags“ durch den Bundespräsidenten wäre nicht nur der Bruch mit einer seit Bestehen dieser Republik gelebten Usance, sondern ein zutiefst „antidemokratischer und autoritärer Akt“, so Hafenecker.

Auch wenn Van der Bellen Kickl und die FPÖ nicht namentlich genannt habe, seien die Aussagen „für Van der Bellen und für einen Bundespräsidenten schon sehr klar“ gewesen, sagte die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle in der ZIB2. Interessant sei die Begründung gewesen: „Hier das eigene Gewissen ins Spiel zu bringen, das ist doch ein Abrücken von der sonst üblichen Rolle eines Staatsnotars“, so die Politologin.

Festakt am Donnerstag

Am Donnerstag sind rund 1.000 Menschen in den historischen Sitzungssaal des Parlaments eingeladen, der Zeremonie der Angelobung Van der Bellens beizuwohnen. Der Bundespräsident wird dabei auch selbst rund 20 Minuten eine Rede an die Gäste richten. Neben ihm kommen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und der Vorsitzende des Bundesrats, Günter Kovacs (SPÖ), zu Wort.

Politikwissenschaftlerin zu Van-der-Bellen-Interview

Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle sprach über das Interview mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen, in welchem er sich klar auf Distanz zu FPÖ-Chef Herbert Kickl zeigte.

Im Anschluss an den parlamentarischen Teil wird es für den Oberbefehlshaber des Bundesheers einen militärischen Festakt mit Flaggenparade und Totengedenken auf dem Heldenplatz geben. Fortgesetzt werden die Feierlichkeiten mit einem Empfang von Van der Bellens Heimatbundesland Tirol.