EU will mehr Menschen abschieben

Die Europäische Union unternimmt einen neuen Anlauf, damit mehr abgelehnte Asylwerber in ihre Heimat abgeschoben werden. „Wir haben eine sehr niedrige Rückführungsquote, und ich sehe, dass wir hier erhebliche Fortschritte machen können“, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson gestern bei einem Treffen mit den EU-Innenministern in Stockholm.

Umstritten bleibt, wie viel Druck die EU auf Herkunftsländer ausüben sollte, mit denen die Kooperation schwierig ist, und wie sehr andererseits Anreize für Zusammenarbeit geschaffen werden sollten. Deutschland sprach sich dagegen aus, die EU-Visapolitik offensiv als Druckmittel zu verwenden. Die schwedische Migrationsministerin Maria Malmer Stenergard sagte nach dem Treffen dagegen, die EU-Staaten seien sich einig, dass das ein wichtiges Instrument sei.

EU erfüllt eigene Quote nicht

Die EU versucht seit Jahren, mehr Menschen ohne Bleiberecht abzuschieben, kommt aber kaum voran. 2019 lag die Quote abgelehnter Asylwerber, die die EU tatsächlich verließen, bei 29 Prozent. 2021 waren es 21 Prozent. Dabei hatte die EU-Kommission noch 2018 ein Ziel von rund 70 Prozent ausgerufen. Als Länder, mit denen die Zusammenarbeit schwierig ist, gelten etwa Marokko, Tunesien und Algerien.

Mehr Rückführungen wären aus Sicht vieler EU-Staaten auch deshalb wichtig, weil die Asylsysteme vieler Länder völlig überlastet sind. Die Zahl der Asylanträge stieg im vergangenen Jahr um fast 50 Prozent auf 924.000. Rund 60 Prozent der Antragsteller hätten kein Recht auf internationalen Schutz und überlasteten die Aufnahmekapazitäten, so Johansson. Hinzu kämen die vier Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die in der EU kein Asyl beantragen müssen.

Johansson fordert mehr Geschlossenheit

Auch Johansson betonte, dass der Visahebel funktioniere. Die EU müsse geschlossen handeln, um Druck auf Drittstaaten auszuüben. Zudem solle die Grenzschutztruppe Frontex mehr für Abschiebeflüge eingespannt werden. Andere Druckmittel gegen Drittstaaten gebe es in der Handelspolitik und Entwicklungshilfe.

Tatsächlich hat die EU-Kommission bisher nur für vier Länder vorgeschlagen, den Visahebel anzuwenden: Bangladesch, Irak, Gambia und Senegal. Die EU-Staaten wiederum haben den Vorschlag nur für Gambia angenommen. Aus der EU-Kommission heißt es, der Sinn von Artikel 25a sei nicht dessen Anwendung – sondern vor allem die Drohung damit. Johansson kündigte weitere Vorschläge unter dem Mechanismus an.

Karner für mehr Druck

Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hatte im Vorfeld erklärt, es brauche mehr Abkommen, einerseits von den Mitgliedsländern, die Kommission könne aber auch mehr Druck machen. In Österreich wurden bisher 22 bilaterale Rückführungsabkommen mit Drittstaaten abgeschlossen.

Karner erklärte auch, dass es „robuste“ Außengrenze brauche. Der Forderung nach der Finanzierung von Grenzzäunen erteilte Johansson eine Absage: „Im EU-Budget ist dafür kein Geld vorhanden.“ Sie stellte sich auch gegen eine weitere Forderung Karners, keine Einzelfallprüfungen mehr vorzunehmen. „Wenn eine Person einen Asylantrag stellt, hat sie das Recht auf ein Verfahren.“