Ein Bild vom verstorbenen Tyre Nichols
AP/Daily Memphian/Mark Weber
US-Polizisten

Haft nach tödlicher Verkehrskontrolle

Ein Fall von tödlicher Polizeigewalt sorgt in den USA weiter für Aufregung: Der 29-jährige Tyre Nichols starb drei Tage nach einer Verkehrskontrolle in der US-Stadt Memphis, bei der er von fünf Polizisten zusammengeschlagen worden sein soll. Gegen die fünf Männer, wie Nichols schwarz, wurde am Donnerstag Anklage erhoben, sie sind in Haft. Ein Video der offenbar brutalen Tat soll demnächst veröffentlicht werden.

Den fünf Männern wird unter anderem Mord zweiten Grades, schwere Körperverletzung und Kidnapping zur Last gelegt, wie aus einem offiziellen Gefängnisregister im Südstaat Tennessee hervorging. Mord zweiten Grades ist in Tennessee eine Zwischenstufe zwischen Mord und Totschlag. „Die Handlungen von ihnen allen haben zum Tod von Tyre Nichols geführt“, sagte Staatsanwalt Steve Mulroy am Donnerstag. Der Fall sollte zu einer Diskussion über eine Reform der Polizei in den USA führen, so Mulroy bei einer Pressekonferenz.

„Die Welt schaut auf uns, und wir müssen der Welt zeigen, dass wir aus solchen Tragödien auch lernen.“ Das Video, das die Tat zeigt, soll am Freitag veröffentlicht werden, sagte Mulroy. Die Behörden befürchten, dass das zu gewaltsamen Protesten führen könnte. Die fünf Polizisten waren jeweils seit einigen Jahren in Polizeidienst, sie wurden am Mittwoch aus dem Dienst entlassen. Sie hätten übermäßige Gewalt angewendet, seien nicht eingeschritten und hätten keine Hilfe geleistet, hieß es.

Anwalt Steve Mulroy
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Staatsanwalt Mulroy zeigte sich am Donnerstag über die Tat erschüttert

Kontrolle wegen „rücksichtlosen Fahrens“

Nichols war der Polizei zufolge am 7. Jänner wegen „rücksichtslosen Fahrens“ angehalten worden. Laut einer Mitteilung der Polizei kam es zu einer „Konfrontation“, und Nichols flüchtete zu Fuß. Als die Polizisten ihn nach einer Verfolgungsjagd stellten, soll es zu einer weiteren „Konfrontation“ gekommen sein.

Weil Nichols dann über Atemschwierigkeiten geklagt habe, sei ein Rettungswagen gerufen worden. Der 29-Jährige wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht und starb dort drei Tage später. Seine Familie hat ein Foto veröffentlicht, das Nichols mit schweren Schwellungen im Gesicht und an ein Atemgerät angeschlossen im Krankenhaus zeigt. Eine von der Familie in Auftrag gegebene Autopsie kam zu dem Schluss, dass Nichols massive Blutungen infolge „starker Prügel“ erlitt.

US-Polizisten nach tödlicher Verkehrskontrolle in Haft

Der Tod eines Schwarzen nach einer Verkehrskontrolle im US-Bundesstaat Tennessee hat juristische Konsequenzen für fünf schwarze Polizisten, die der Tat verdächtigt werden. Die Männer wurden am Donnerstag wegen Mordes zweiten Grades und anderer Verbrechen angeklagt.

„Er war wehrlos“

Berichten zufolge soll ein rund einstündiges Videos den gesamten Vorfall zeigen. Bereits Anfang der Woche konnte die Familie das Video des Polizeieinsatzes ansehen. „Er war wehrlos. Die ganze Zeit“, so der Anwalt der Familie im Anschluss. Auf den Aufnahmen soll zu sehen sein, dass die Polizisten minutenlang auf das Opfer einschlugen.

Der Leiter der Ermittlungsbehörde von Tennessee, David Rausch, sagte hinsichtlich der Videoaufnahmen, diese seien „absolut entsetzlich“, und über das Verhalten der Polizisten: „Das war falsch. Das war kriminell.“ So etwas sollte nicht geschehen, er sei traurig und schockiert darüber, was er gesehen habe.

Immer wieder Entsetzen über Polizeigewalt

Die Polizeichefin von Memphis, Cerelyn Davis, äußerte sich Mittwochabend in einem Onlinevideo ebenfalls entsetzt über den Tod des 29-Jährigen. Das Vorgehen der Polizisten sei „abscheulich“ und „unmenschlich“ gewesen. „Das ist nicht nur ein professionelles Versagen. Das ist ein Versagen grundlegender Menschlichkeit.“

In den USA sorgt immer wieder tödliche Polizeigewalt gegen Schwarze für Entsetzen und Empörung, wie jetzt auch im Fall Nichols. Oft sind weiße Polizisten die Täter, wie im Fall des im Mai 2020 in Minneapolis bei einer Festnahme getöteten George Floyd. Der Fall Nichols weckt auch Erinnerungen an den Fall Rodney King im Jahr 1991, der ebenfalls nach einer Verfolgungsjagd mit der Polizei brutal zusammengeschlagen wurde.

Der Tod von Floyd löste in den USA bereits eine Debatte über eine Polizeireform aus, nach heftigen Protesten gegen Rassismus und rassistisch motivierte Polizeigewalt. Bei einer Kontrolle hatte ein weißer Polizist sein Knie minutenlang auf Floyds Hals gedrückt, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Der Mann wurde zu über 20 Jahren Haft verurteilt, seine Kollegen schritten nicht ein – sie wurden ebenfalls verurteilt.