Windräder hinter Häusern
ORF.at/Viviane Koth
Wettlauf mit USA

EU-Staaten bei grünen Subventionen uneins

Neben dem Ukraine-Krieg treibt die EU-Staaten aktuell ein Problem besonders um: Die USA locken seit Monaten ganz intensiv europäische Firmen, die im Bereich grüne Energie und Klimaschutz tätig sind, mit riesigen Subventionen zur Übersiedelung in die USA. Europa droht dadurch in diesem Zukunftsbereich ins Hintertreffen zu geraten. Die EU-Kommission präsentierte daher vor zehn Tagen einen Gegenplan in Form eines grünen Investitionsfonds. Dieser stößt allerdings auf Widerstand von mehreren EU-Staaten, darunter Österreich.

Wie akut die Situation mittlerweile ist und wie nachhaltig das US-Werben um europäische Unternehmen, die teils führend in Bereichen sind, die für die Energiewende wichtig sind oder sein werden, zeigte sich zuletzt auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos: Dort nutzten gleich mehrere US-Gouverneure und -Gouverneurinnen und -Senatoren die Gelegenheit, um bei eigenen Terminen und Abendessen Firmenvertreter zu umwerben.

Ebenfalls in Davos kündigte EU-Kommissionschefin Ursula Von der Leyen ein Gegenpaket an. Die Grundidee: keine direkten Subventionen, aber ein milliardenschwerer grüner Investitionsfonds, der allen EU-Staaten wirtschaftspolitische Schwerpunktsetzungen im Bereich Klimaschutz erlauben soll. Sehr wohl sollen aber zeitlich befristet Staatshilfen – sprich Subventionen – erlaubt werden. Beim EU-Gipfel am 9. und 10. Februar soll über einen dann konkretisierten Vorschlag beraten werden. Die Debatte darüber hat aber bereits begonnen.

Viele Länder gegen Brüsseler Plan

Wie Reuters am Freitag berichtete, deponierten sieben Staaten nun in einem gemeinsamen Brief an die Kommission ihre Opposition zu den Plänen. Sie fordern vielmehr, dass die Kommission, anstatt frisches Geld auszugeben, zuerst jene 800 Mrd. Euro an Garantien und billigen Krediten aufbraucht, die als postpandemische Konjunkturspritze bereits zur Verfügung stehen. Nur 100 Milliarden der 390 Mrd. an Garantien aus diesem Titel seien bisher gezogen worden, betonen laut Reuters die Unterzeichner Tschechien, Dänemark, Finnland, Irland, Estland, Slowakei und Österreich. Auch die 400 Milliarden an Krediten seien noch nicht vollständig ausgeschöpft.

Die Staatengruppe warnt vor weiterer Schuldenaufnahme durch die EU. Man müsse vorher schauen, „dass die Wirtschaft die bereits gewährten EU-Mittel absorbieren kann“. Und schließlich heißt es im Schreiben laut Reuters ganz klar: „… und keine neue Finanzierung sollte eingeführt werden“.

Komissionspräsident Ursula Von der Leyen und französischer Präsident Emmanuel Macron
IMAGO/Starface
Von der Leyen und Frankreichs Macron sind sich relativ einig. Zur Umsetzung der Pläne fehlt vor allem Deutschland.

Auch Deutschland gegen Von der Leyen

Laut Reuters teilen auch die Niederlande und Belgien und sogar Deutschland, immerhin Von der Leyens Heimat, diese ablehnende Haltung. Dagegen fordert Frankreich vehement ein gemeinsames und weitreichendes EU-Gegenpaket zum US-amerikanischen Subventionsprogramm.

Die sieben Staaten fordern in ihrem Schreiben, vorrangig sei es, Investitionen durch Bürokratieabbau zu erleichtern und die Kapitalmarktunion, die seit 2014 nicht vom Fleck kommt, umzusetzen. Letztere soll private Investitionen verstärken.

Die EU-Kommission argumentiert dagegen, neue Geldmittel seien nötig, damit auch ärmere Staaten den Umbau ihrer nationalen Ökonomien in Richtung Klimaschutz vorantreiben können und hier kein übermäßiges Gefälle innerhalb der Union entsteht. Das Ringen, im Bereich grüner Technologie konkurrenzfähig zu bleiben, wird in Europa durch die derzeit viel höheren Energiepreise zusätzlich erschwert. Das ist ebenso ein Argument für Unternehmen, ihre Produktion in billigere Länder zu verlagern.

Keine Zeit für lange Debatte

Die Grenzen in der EU-internen Debatte sind damit klar gezogen – im Wesentlichen zwischen Nettozahlern und Nettoempfängern. Egal, welche Lösung am Ende herauskommt – eine lange Debatte kann sich Europa nicht leisten, da die Zeit tatsächlich drängt, wie auch zahlreiche Aussagen in jüngerer Vergangenheit von Industrievertreterinnen und -vertretern zeigen. Seit Monaten warnen nationale und EU-Industrieverbände vor einer drohenden Abwanderung angesichts der hohen Produktionskosten, insbesondere für energieintensive Industrien.

Bereits Anfang des Jahres schlugen erste Länder, allen voran Frankreich und Belgien, Alarm. Delegationen aus mehreren US-Bundesstaaten befinden sich seit Monaten auf Werbetour durch Europa, um Firmen mit verlockenden Subventionen in ihren Bundesstaat zu locken. Die US-Bundesstaaten würden sich mittlerweile untereinander im Anlocken europäischer Firmen konkurrenzieren, so Chris Camacho von der Investitionsförderagentur Greater Phoenix Economic Council in Arizona gegenüber der „Financial Times“.

Us-Governeur Gretchen Whitmer
Reuters/Arnd Wiegmann
Michigans Gouverneurin Whitmer warb in Davos intensiv um europäische Firmen

Der Inflation Reduction Act (IRA) – die abgespeckte und im August 2022 beschlossene Variante des Build-Back-Better-Pakets von US-Präsident Joe Biden – enthält allein für die Umrüstung der US-Wirtschaft auf grüne Energien und andere Klimaschutztechnologien Subventionen im Wert von 369 Milliarden Dollar (340 Mrd. Euro). Bedingung für die gewaltigen Subventionen ist allerdings, dass die Firmen in den USA produzieren. Das schließt europäische Firmen zusätzlich vom attraktiven US-Markt aus.

Erste Erfolge für USA in Europa

Auf dem Wirtschaftsforum in Davos warben die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, und die Gouverneure von Georgia, Brian Kemp, und Illinois, Jay Pritzker, sowie der Senator von West Virginia, Joe Manchin, der den IRA entscheidend mitverhandelte, um die europäischen Firmen.

Bereits im Oktober kündigte BMW den 1,7 Mrd. Dollar teuren Bau eines E-Auto- und Batterienwerks in South Carolina an. Auch der norwegische Batterienspezialist Freyr will in Georgia ein 2,6 Mrd. Dollar teure Fabrik hochziehen. Der schwedische Batterienhersteller Northvolt überlegt, ein neues Batterienwerk in Deutschland zurückzustellen und eine Fabrik in den USA vorzuziehen. Auch die Entscheidung über ein VW-Batterienwerk in Osteuropa wurde vor Monaten verschoben. Trotz Bekenntnissen zum europäischen Standort dürften auch hier Expansionspläne in den USA dahinterstehen.

Subventionen als Weg in Protektionismus?

Freyr-Firmenchef Tom Jensen betonte trotzdem gegenüber der „Financial Times“ in Davos, Europa solle mit einem eigenen Subventionspaket kontern, wenn es wettbewerbsfähig bleiben wolle. Europa habe die USA lange dafür kritisiert, beim Thema Klimaschutz und grüner Energie zu langsam zu sein. „Und seit sie schließlich die beste Klimaschutzpolitik beschlossen haben, werden sie dafür kritisiert“, so Jensen. Das ist freilich ungenau: Brüssel kritisiert, dass die US-Subventionen an eine Produktion im Land gebunden sind, und warnt vor Protektionismus, der letztlich allen schade.

Die Brüsseler Denkfabrik Centre for European Policy Studies (CEPS) betonte freilich bereits Ende November, dass auch die EU grüne Technologien auf verschiedene Weise, etwa Forschungsprogramme, subventioniere. Und dass die USA den geplanten CO2-Grenzausgleich der EU für importierte Waren als genauso protektionistisch empfänden wie die EU die „Build American“-Bedingung für US-Förderungen.

Noch ist jedenfalls unklar, ob sich die EU angesichts enormer national gefärbter Subventionsmaßnahmen in China, Indien und den USA diesem Sog entziehen wird können. Zwar war die EU die erste große Wirtschaftsmacht, die mit ihrem „Fit for 2055“-Programm (55 Prozent weniger Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030) ein umfangreiches Gesetzespaket entwarf, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Doch in der Praxis droht nun die EU nicht nur die gern beanspruchte Vorreiterrolle in Sachen Ökologisierung zu verlieren, sondern vor allem auch Unternehmen, die bei der Entwicklung grüner Technologien führend sind.