Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP)
ORF
„Auf andere zugehen“

Mikl-Leitner muss Partner suchen

Die Landtagswahl am Sonntag hat der ÖVP mit 39,9 Prozent das historisch schlechteste Ergebnis seit 1945 in Niederösterreich beschert. Die Partei von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner verliert damit auch die Mandatsmehrheit im Landtag. Einen Rücktritt schließt sie dennoch kategorisch aus, wie sie im ZIB2-Interview betonte – die Gründe für die Wahlschlappe lägen außerhalb ihres Bundeslandes. Nun plane sie Gespräche mit SPÖ und FPÖ – denn die Zeit der ÖVP-Alleinregierung in Niederösterreich ist vorbei.

Es sei ein „schmerzvolles Ergebnis“, so die Landeshauptfrau, allerdings auch kein überraschendes, da die schlechten Werte der ÖVP zuvor von nahezu allen Wahlumfragen prognostiziert worden waren. Persönliche Konsequenzen zieht Mikl-Leitner nicht in Betracht – die ÖVP sei eine Gemeinschaft, „in der man zusammensteht, auch wenn es Gegenwind gibt“.

Die Wählerinnen und Wähler hätten am Wahlabend nicht darüber entschieden, was die ÖVP in den vergangenen fünf Jahren zustande gebracht habe – und auch nicht über deren „Zukunftsvisionen“. Gerade der FPÖ sei es vielmehr gelungen, „die Landeswahl zur Bundeswahl zu machen“ und mit Themen wie Asylfragen und Teuerung zu punkten, die auf bundespolitischer und EU-Ebene zu klären seien.

Mikl-Leitner will Arbeitsabkommen mit FPÖ und SPÖ

Auch mit der FPÖ und deren Spitzenkandidaten Udo Landbauer wolle sie das Gespräch suchen, auch wenn dieser zuvor ausgeschlossen hat, Mikl-Leitner zur Landeshauptfrau zu wählen. „Ich habe das Verständnis von Politik, auf die anderen auch zuzugehen“, so Mikl-Leitner. Sie werde versuchen, mit allen politischen Parteien, die in der Regierung vertreten sind, ein Arbeitsübereinkommen zu treffen. Ob sie selber Landbauer zum Landeshauptfrau-Stellvertreter wählen werde, gelte es in den nächsten Tagen zu entscheiden.

Landeshauptfrau Mikl-Leitner zu den ÖVP-Verlusten

Die ÖVP hat mit 39,9 Prozent das historisch schlechteste Ergebnis bei einer Landtagswahl in Niederösterreich erzielt. Die ÖVP-Spitzenkandidatin und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner beantwortet, wie die Partei mit dem Ergebnis umgehen wird, und erklärt, weshalb sie nicht zurücktreten will.

ÖVP mit Problem bei den Jungen

Laut Wählerforschung ist Mikl-Leitners Einschätzung, dass der Wahlausgang auch von bundespolitischen Themen abhing, nicht ungerechtfertigt, wie Politologe Peter Filzmaier im ZIB2-Interview analysierte. Auch habe die ÖVP ein Problem bei den jüngeren Wählerinnen und Wählern. Bei den Pensionistinnen und Pensionisten läge die ÖVP bei 60 Prozent der Stimmen, bei den Erwerbstätigen nur noch bei 30 Prozent und darunter – „das ist nicht unbedingt eine vielversprechende Zukunftsperspektive“.

Eine Zusammenarbeit mit der SPÖ sieht Politologe Peter Filzmaier nun als „am wahrscheinlichsten“, wie er im ZIB2-Interview am Sonntag erklärte. Die Wählerinnen und Wähler beider Parteien würden laut Wahltagsbefragung diese Zusammenarbeit, „wenn auch mit enden wollender Begeisterung“, noch am ehesten befürworten – mehr dazu in noe.ORF.at.

Politologe Filzmaier zur Bedeutung der NÖ-Wahl

Politologe Peter Filzmaier analysiert, was das historisch schlechteste Ergebnis der ÖVP in Niederösterreich für das Bundesland und auch für ganz Österreich bedeutet.

Zum erst dritten Mal seit 1945 ist die ÖVP ohne Mandatsmehrheit in ihrem Kernland. Vor dem 29. Jänner 2023 war das bisher lediglich von 1993 bis 2003 der Fall. 39,94 Prozent laut dem vorläufigen Ergebnis und der im Vergleich zu 2018 mit minus 9,69 Prozentpunkten größte Verlust aller Zeiten (bisher sieben Prozentpunkte 1988) bedeuten künftig nur 23 der 56 Sitze im Landhaus an der Traisen in St. Pölten.

FPÖ feiert Triumph mit Platz zwei

Die FPÖ feierte am Sonntag hingegen einen Triumph in gleich mehrfacher Hinsicht: erstmals Platz zwei in Niederösterreich, 24,19 Prozent (plus 9,43 Prozentpunkte) als mit Abstand bestes Ergebnis (bisher 16,08 Prozent im Jahr 1998 und damit noch in der Ära Jörg Haider), 14 statt acht Mandate (bisheriges Maximum neun, ebenfalls 1998) und erstmals der Zweite Landtagspräsident.

„Wir haben die Themen angesprochen, die die Wähler bewegen, das ist der Schlüssel zum Erfolg gewesen“, sagte der wohl designierte Landesvize Udo Landbauer (FPÖ) zum Rekordergebnis. Nun wolle man „das, was wir vor der Wahl versprochen haben, auch zur Umsetzung bringen“. Es komme nun darauf an, ob die anderen Parteien etwas aus dem Ergebnis gelernt hätten. Eine Zusammenarbeit mit Mikl-Leitner schloss Landbauer in seiner ersten Reaktion am Wahlabend aus – mehr dazu in noe.ORF.at.

SPÖ mit bisher schlechtestem Ergebnis

Die SPÖ konnte weder von Themenlage noch von den ÖVP-Verlusten profitieren und stürzte ebenfalls auf 20,66 Prozent (zuletzt 23,92) und ihr bisher schlechtestes Ergebnis ab. Ein Sitz im Landtag ging verloren. Künftig stellen die Sozialdemokraten nur noch zwölf Mandatarinnen und Mandatare. In der Regierung bleibt es bei zwei Mitgliedern.

SPÖ-Spitzenkandidat Franz Schnabl wollte zumindest in einer ersten Reaktion am Sonntag nichts von Personaldiskussionen wissen. „Warum soll Feuer auf dem Dach sein?“, entgegnete Schnabl auf eine entsprechende Reporterfrage. Generell habe er ein lachendes und ein weinendes Auge, sagte er zur APA. Positiv sei, dass die ÖVP-Absolute gefallen sei. Negativ, dass die Sozialdemokraten „nicht stärker“ geworden seien.

Hochrechnung Landtagswahl NÖ 2023
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Grüne in Klubstärke, NEOS knapp daran vorbei

Die Grünen holten sich mit künftig vier Mandaten die Klubstärke zurück, die sie schon von 2003 bis 2018 innehatten. 7,58 Prozent (plus 1,15 Prozentpunkte) sind das zweitbeste Ergebnis im Bundesland nach 8,06 Prozent vor zehn Jahren. Grünen-Listenerste Helga Krismer sah im Plus für ihre Partei eine „starke, kräftige Stimme für die Zukunft“. Mit Klubstatus und Antragsrecht im Landtag möchte sich die Landessprecherin vor allem für ein Klimaschutzgesetz und mehr Erneuerbare Energien einsetzen.

NEOS schaffte beim zweiten Antreten in Niederösterreich 6,67 Prozent (plus 1,52 Prozentpunkte). Damit erreichte man neuerlich drei Sitze im Landtag. NEOS-Spitzenkandidatin Indra Collini sah ein „schönes Ergebnis“ und ein „solides Wachstum“ ihrer Partei, obwohl die Klubstärke verpasst wurde.

Landesräte neu verteilt

Für die Landesregierung bedeutet der Wahlausgang, dass die ÖVP künftig nur noch vier statt sechs der neun Mitglieder stellt. Die FPÖ hat erstmals drei (zuvor ein Landesrat) inklusive Landesvize, die SPÖ weiterhin zwei Landesräte. Im Landtagspräsidium dürften künftig alle drei Regierungsparteien vertreten sein. Der erste Präsident geht wie bisher an die ÖVP, der zweite von der Volkspartei an die FPÖ, der dritte bliebe demnach der SPÖ.

Mandate Hochrechnung Landtagswahl NÖ 2023
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Konsequenzen auch für Bundesrat

Konsequenzen hat die Wahl auch für die Zusammensetzung des Bundesrats. Die Bundeskoalition aus ÖVP und Grünen wird die Mehrheit im Bundesrat verlieren. Die Opposition stellt nun mit 31 der 61 Mandate die Mehrheit in der Länderkammer und kann im Nationalrat beschlossene Gesetze auf die Wartebank setzen – mehr dazu in noe.ORF.at.

Die Wahlbeteiligung betrug 71,52 Prozent. Sie war damit um 4,96 Prozentpunkte höher als vor fünf Jahren. In absoluten Zahlen haben dennoch heuer weniger Menschen ihre Stimme abgegeben: Da heuer erstmals Zweitwohnsitzer nicht mehr in Niederösterreich wählen durften, waren um 97.000 Personen weniger wahlberechtigt als noch 2018. Das vorläufige Endergebnis vom Sonntag enthält bereits den Großteil der Briefwahlkarten. Nur in fremden Wahlkreisen abgegebene Wahlkarten – 2018 waren es lediglich 760 – werden bis spätestens Dienstag ausgezählt. Diese dürften das Resultat nur noch geringfügig verändern – mehr dazu in noe.ORF.at.