FPÖ-Bundesparteichef Herbert Kickl und Spitzenkandidat Udo Landbauer
APA/Helmut Fohringer
Großer Zuwachs bei NÖ-Wahl

FPÖ als Meister der Alleinstellung

Die Liederbuchaffäre in Niederösterreich, Korruptionsskandale im Bund – obwohl die FPÖ in nicht allzu ferner Vergangenheit mit Skandalen Schlagzeilen gemacht hat, ist es der Partei gelungen, bei der Niederösterreich-Wahl am Sonntag enorme Zuwächse für sich zu verbuchen. Für Politikwissenschaftlerin Katrin Praprotnik habe die Partei einmal mehr mit „Alleinstellungspositionen“ vor allem im Lager der unzufriedenen Wählerinnen und Wähler gepunktet, sagte sie gegenüber ORF.at.

Nach sieben schweren Wahlschlappen 2019 bis 2021 und der bereits positiven Wahl in Tirol folgte am Sonntag in Niederösterreich ein Triumph. Mit Udo Landbauer an der Spitze nützten die Blauen, stark unterstützt von Bundesparteichef Herbert Kickl, die für sie günstige Themenlage: Sie holten sich das größte Plus im Lande, ihr mit Abstand bestes Ergebnis und erstmals Platz zwei vor der SPÖ.

Der FPÖ-Erfolg sei zu einem guten Teil auch der CoV-Krise geschuldet, so Praprotnik. Die Pandemie habe eine Art „Schlussstrich“ gezogen gegenüber allem, was davor passiert ist. Weil sich die FPÖ als einzige Partei gegen die Impfpflicht positioniert habe, habe sie damit für viele Menschen bei einem sehr emotionalen Thema eine Alternative dargestellt. „Das sehen wir häufig, dass die FPÖ eine Alleinstellungsposition vertritt“, das sei auch schon in EU-Wahlkämpfen so gewesen.

Viele ÖVP-Wähler stimmten für FPÖ

Die ÖVP hat seit der letzten Landtagswahl 2018 fast zehn Prozent der Stimmen verloren. Laut einer Analyse der Wählerströme entschied sich ein großer Teil der damaligen ÖVP-Wähler und -Wählerinnen diesmal für die FPÖ.

Alternative in Zeiten „großer politischer Unzufriedenheit“

Der FPÖ gelinge es auch immer wieder sehr gut, „in einer Situation mit großer politischer Unzufriedenheit eine glaubhafte Alternative anzubieten“. Das schlage sich auch deutlich in den Wahltagsbefragungen nieder, so Praprotnik. Bei jenen, die gesellschaftliche Entwicklungen als negativ bewerten, „da reden wir eigentlich schon von einer absoluten Mehrheit“.

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten beurteilen Wählerinnen und Wähler auch die persönliche Bilanz. „Ist man zufrieden, wählt man eher den Amtsinhaber, ist man damit nicht zufrieden, wählt man eben eher eine andere Partei“, so die Politologin. Hier müsse sich die SPÖ fragen, wie es sein könne, dass man bei sozialistischen Kernthemen wie der Teuerung nicht punkten könne.

Solange es in der Bundespartei die Personaldebatten gebe und die Partei diese Probleme bei sich selbst nicht lösen könne, glaube man der SPÖ gar nicht mehr, dass sie inhaltliche Probleme lösen kann.

FPÖ-Spitzenkandidat für sehr wenige wahlentscheidend

In der Wahlmotivbefragung der Institute SORA und ISA für ORF wird deutlich, dass es für die FPÖ-Wählerinnen und -Wähler kaum eine Personenwahl, vielmehr eine Themenwahl war. Für mehr als ein Drittel waren die inhaltlichen Standpunkte der Partei wahlentscheidend. Nur zwei Prozent gaben an, ihre Wahl wegen Spitzenkandidat Landbauer getroffen zu haben.

Die Wahlmotive zeigten, dass es ein Fehler sei, die FPÖ auf das Thema Asyl zu reduzieren, so Meinungsforscher Peter Hajek. Das Thema Coronavirus sei „nach wie vor da“, wenn auch weniger stark, auch das neue Thema Nummer eins, die Teuerung, konnte die FPÖ besetzen.

Dass es den Freiheitlichen in Niederösterreich gelungen sei, sich trotz eigener Affären in der jüngeren Vergangenheit als „Antikorruptionspartei“ zu positionieren, ist für Politikberater Thomas Hofer ein „Treppenwitz der Geschichte“. Eines sei mit dem Wahlergebnis aber klar: Kickl sitze fest im Sattel, sagte Hofer.

Rekordergebnis auf bisher schwierigem Pflaster

Insgesamt wählten 24,19 Prozent am Sonntag die FPÖ. Das ist das mit Abstand beste Ergebnis in dem Land, das bisher eher ein schwieriges Pflaster für die FPÖ (die erst 1988 in den Landtag einzog) war. Über 16,08 Prozent im Jahr, am Höhepunkt der Erfolgswelle unter Jörg Haider, waren sie in Niederösterreich bisher nie hinausgekommen.

Erstmals ist die FPÖ damit in Niederösterreich auch Zweite vor der SPÖ. Insgesamt holte sie in den bisher 142 Landtagswahlen, an denen sie bzw. der „Verband der Unabhängigen“ seit 1949 teilgenommen hat, 18-mal Rang zwei; in Kärnten war sie zudem dreimal Erste. Auch in Tirol konnte die FPÖ (trotz dort geringeren Zuwachses) vor vier Monaten die SPÖ überholen.

In die im Frühjahr noch anstehenden Landtagswahlen in Kärnten und Salzburg können die Freiheitlichen nun mit einiger Zuversicht gehen. Große Verluste, wie sie sie erlebten, seit das „Ibiza-Video“ von Heinz-Christian Strache 2019 auftauchte, drohen wohl nicht mehr. Jetzt scheint die Trendwende für die seit Juni 2021 von Kickl – mit höchst kantiger und angriffiger Oppositionspolitik – geführten Freiheitlichen gelungen.