Nina Tomaselli
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U-Ausschuss-Bericht

Grüne Abrechnung mit „Episode Kurz“

Nach dem Aus des ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschusses ziehen die Grünen mit dem am Donnerstag präsentierten Abschlussbericht Bilanz. Laut Fraktionsführerin Nina Tomaselli findet sich darin das „akribische Protokoll einer großen Täuschung“, wie auch der Titel des Berichts lautet. Man habe „genau aufgezeigt, wie ein kleiner türkiser Machtzirkel rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz das ganze Land getäuscht hat“.

Der Fraktionsbericht der Grünen stellt auf 91 Seiten die Erkenntnisse aus dem U-Ausschuss und die Sichtweisen der grünen Fraktion auf diesen dar. Ganz nach dem Untertitel des Berichts dreht sich dieser um die „Aufarbeitung der Episode Kurz“. Sechs Kapitel widmen sich den Kernbereichen und sind überschrieben mit „Eine Toolbox für Trixer – Die Inseratenaffären“, „Aufträge für befreundete Unternehmen“, „Spezialbehandlung für Superreiche“, „Postenschacher“ und „Kuschelkurs mit Putin“.

Wie im grünen Abschlussbericht zum Ibiza-U-Ausschuss fasst ein Kapitel wieder Statistisches zusammen. Dabei erfährt man etwa, dass in 42 Befragungstagen insgesamt 85 Befragungen durchgeführt wurden. Die Befragungsdauer umfasste 218 Stunden und 48 Minuten. Insgesamt wurden 26,5 Mio. Seiten an Akten und Unterlagen geliefert, davon 19.773 Dateien elektronisch, der Rest in 2.160 Papierordnern.

Grüne legen Bericht zu ÖVP-U-Ausschuss vor

Die Grünen waren die erste Fraktion, die ihren Abschlussbericht zum ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss präsentiert hat. Darin wird der Koalitionspartner ÖVP stark kritisiert.

Republik als „Selbstbedienungsladen“

„Sie haben manipuliert, mit frisierten Umfragen und mit Steuergeld finanzierten Inseraten“, so die grüne Fraktionsführerin bei der Vorstellung des Berichts. Das „Beinschab-Tool“ habe beinahe europaweit Bekanntheit erlangt.

Genau beleuchtet habe man auch das Vorarlberger „Wirtschaftsbund-Tool“ und den „Inseratengoldesel der Bauernzeitung“. Der Machtzirkel um Kurz habe „Postenschacher“ betrieben und die Republik als „Selbstbedienungsladen“ missbraucht. Das wohl „prominenteste, doch bei Weitem nicht einzige Beispiel“ für „Postenschacher“ sei dem Bericht zufolge „Thomas Schmid und sein Aufstieg zum ÖBAG-Chef“. Statt der Kompetenten wurden laut Tomaselli für diverse Posten in der Verwaltung jene ausgesucht, „die steuerbar sind“.

„Dem, der hat, dem wird gegeben“

Unter Punkt drei wird im Fraktionsbericht der Grünen („Spezialbehandlung für Superreiche“) „Dem, der hat, dem wird gegeben“ als mutmaßliches „Motto“ in den Raum gestellt: Unter diesem könnte im vom U-Ausschuss behandelten Zeitraum das türkise Finanzministerium geführt worden sein. Akten belegten in zahlreichen Fällen eine privilegierte Behandlung einer betuchten Klientel.

„Wer über den nötigen Einfluss und das nötige Geld verfügte, konnte sich bei auftretendem Ungemach eine bevorzugte Behandlung durch ÖVP-geführte Ministerien, insbesondere durch das BMF (Finanzministerium, Anm.), erhoffen“, heißt es im Bericht weiter.

Als Beispiel stellte Tomaselli einen „satten Steuernachlass“ für den Unternehmer Siegfried Wolf und eine „Spezialbehandlung“ etwa für den Immobilieninvestor Rene Benko in den Raum. „Während die einfachen Leute Steuern zahlen, ist das Finanzministerium ein Steuerwohlfühlprogramm für Superreiche gefahren“, sagte Tomaselli.

Russland-Connection als Thema für neuen U-Ausschuss?

Ein weiteres Thema sei der „Russland-Kuschelkurs“ gewesen. Kurz und sein Machtzirkel hätten Österreich dadurch in eine gefährliche Situation manövriert. Die Auswirkungen der Energiepolitik spürten die Menschen nun tagtäglich, so die Abgeordnete.

Dieses Thema böte sich auch für einen neuen U-Ausschuss an. Diesbezüglich habe man schon bei den anderen Fraktionen vorgefühlt. Einzig von NEOS habe man zustimmende Signale vernommen. Das reiche aber nicht, räumte Tomaselli ein. Für einen U-Ausschuss nach Minderheitenrecht braucht es nämlich ein Viertel der Nationalratsabgeordneten.

Verweis auf Rücktritte

Nun gehe es darum, das verloren gegangene Vertrauen in die Politik zurückzugewinnen. Der U-Ausschuss habe einiges dafür geleistet und habe schon während seiner Laufzeit eine „sehr gute Wirkung“ entfalten können, Tomaselli verwies auf zahlreiche Rücktritte etwa von Kurz und der ÖVP-Minister Gernot Blümel und Elisabeth Köstinger.

Zudem sei Ex-ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter als Verfassungsrichter zurückgetreten, Oberstaatsanwalt Johann Fuchs verlor die Fachaufsicht über die Wirschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), und der mächtige Justizsektionschef Christian Pilnacek wurde suspendiert. „Das alles sind gute Nachrichten“, so Tomaselli.

Legistisch sei es schließlich auch zu „vielen positiven Beschlüssen“ gekommen: „gläserne Parteikassen“ und ein scharfes Antikorruptionsgesetz. Auch an einem modernen Informationsfreiheitsgesetz werde man weiter „beharrlich arbeiten“.

NEOS ortet „grüne Lippenbekenntnisse“

Kritik an den Aussagen Tomasellis kam am Donnerstag von NEOS: „Es ist zwar schön, dass die Grünen im U-Ausschuss mit uns auf der Seite der Aufklärung standen, grüne Lippenbekenntnisse allein reichen jedoch nicht“, bemängelte Fraktionsführerin Stephanie Krisper. Bei den Grünen bleibe es in Sachen sauberer Politik bei „Lippenbekenntnissen“.

Interesse an den notwendigen Reformen hätten sie offenbar nicht, denn sonst hätten sie den NEOS-Anträgen im vergangenen Plenum für ein Informationsfreiheitsgesetz, ein schärferes Korruptionsstrafrecht und einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt zugestimmt, so Krisper. Die Grünen positionierten sich im U-Ausschuss als Aufklärer, in der Regierungsverantwortung würden sie dann aber die Haltung verlieren und umfallen.