Vermeintlicher chinesischer Spionageballon
AP/The Billings Gazette/Larry Mayer
Ballon über USA

Blinken streicht kurzfristig China-Reise

Der Überflug eines chinesischen Ballons über die USA sorgt für Irritationen zwischen den beiden Großmächten. US-Außenminister Antony Blinken sagte deswegen kurzfistig eine geplante China-Reise ab. Die USA hatten einen Spionageballon vermutet. Peking bedauerte den Vorfall, es handle sich um einen Forschungsballon, der vom Kurs abgekommen sei.

Blinken telefonierte nach Angaben seines Ministeriums am Freitag mit dem chinesischen Spitzendiplomaten Wang Yi und erklärte dabei, dass er wegen des Vorfalls nicht wie geplant nach China reisen werde. Blinken habe dabei ausgeführt, dass er Chinas Erklärung des „Bedauerns“ zur Kenntnis genommen habe, dass der Balloneinsatz aber „einen verantwortungslosen Akt und eine klare Verletzung der US-Souveränität und des internationalen Rechts“ darstelle.

Chinas Vorgehen untergrabe das Ziel seiner eigentlich geplanten Reise. „Der Minister hat erklärt, dass es angesichts der andauernden Angelegenheit nicht angebracht wäre, Peking jetzt zu besuchen“, führte das US-Außenministerium aus. Er wolle die Reise aber nachholen, die Kommunikationskanäle nach Peking blieben offen, wie Blinken den Ministeriumsangaben nach betonte. US-Präsident Joe Biden war nach Angaben des Weißen Hauses bereits am Dienstag über den Ballon unterrichtet worden.

Chinesischer Ballon über den USA

Der Überflug eines chinesischen Ballons über die USA sorgt für Irritationen zwischen den beiden Großmächten. Die USA hatten einen Spionageballon vermutet. Peking bedauerte den Vorfall, es handle sich um einen Forschungsballon, der vom Kurs abgekommen sei.

Gegen Abschuss entschieden

Das US-Verteidigungsministerium hatte die Entdeckung am Donnerstagabend publik gemacht. Der Ballon sei bereits am Mittwoch über dem US-Bundesstaat Montana im Nordwesten gesichtet worden. Ein hochrangiger Pentagon-Mitarbeiter sagte, Verteidigungsminister Lloyd Austin habe die Führungsriege des Ressorts deshalb zusammengetrommelt. Auch Biden sei informiert worden und habe militärische Optionen erbeten.

Es sei erwogen worden, den Ballon abzuschießen, sagte der Beamte. Provisorisch seien auch F-22-Kampfjets in Bereitschaft versetzt worden, und der Flugverkehr in Montanas größter Stadt Billings wurde vorübergehend eingestellt.

Verteidigungsminister Austin und Spitzenkräfte des Militärs hätten sich letztlich dagegen entschieden, weil bei einem Abschuss durch die herunterfallenden Teile zu viele Menschen auf dem Boden gefährdet werden könnten. „Er ist unserer Einschätzung nach so groß, dass seine Trümmer Schäden anrichten könnten.“ Ex-Präsident Donald Trump hatte dagegen auf seiner Social-Media-Plattform gepostet: „Shoot down the balloon!“

China: „Höhere Gewalt“

China bestritt, einen Spionageballon in den Luftraum über den Vereinigten Staaten geschickt zu haben. Dabei handle es sich vielmehr um ein „ziviles“ Luftschiff für Forschungszwecke vor allem meteorologischer Art, sagte ein Sprecher des Außenministeriums am Freitag in Peking. Es sei wegen beschränkter eigener Steuerungsfähigkeit durch starke Westwinde „weit von seinem geplanten Kurs abgekommen“.

Der Sprecher fügte hinzu: „China bedauert den unerwarteten Eintritt in den Luftraum der USA durch höhere Gewalt.“ China werde weiter mit den USA kommunizieren und angemessen mit dieser „unerwarteten Situation“ umgehen. Es habe nicht die Absicht, den Luftraum eines anderen Landes zu verletzen.

Laut dem US-Verteidigungsministerium habe der Ballon zuletzt allerings seinen Kurs geändert, was Zweifel an der chinesischen Darstellung schürte. Der Ballon sei manövrierfähig, erklärte das US-Militär. Pentagon-Sprecher Patrick Ryder lehnte es bei einer Pressekonferenz ab zu sagen, wie genau der Ballon gesteuert werden und wer in China die Kontrolle darüber haben könnte. Den Pentagon-Angaben zufolge seien weiterhin alle Optionen offen. Wie Ryder hier anführte, werde sich der Ballon wahrscheinlich noch einige Tage über den Vereinigten Staaten befinden.

Noch über USA

Die Flugbahn des „relativ großen“ Ballons werde genau verfolgt, hieß es aus dem Pentagon. Er sei bereits vor einigen Tagen in den US-Luftraum eingedrungen und befinde sich noch immer über den Vereinigten Staaten. Zurzeit fliege er über den Nordwesten der USA, sagte ein Beamter des Pentagon. Er fliege „deutlich über der Höhe des Luftverkehrs“ und stelle „keine militärische oder physische Gefahr für die Menschen auf dem Boden dar“.

US-F-22 Raptor
APA/AFP/Martin Bernetti
US-Kampfjets stiegen auf – aber nur zur Beobachtung statt zum Abschuss

Kampfjets flogen den Angaben zufolge über dem US-Bundesstaat Montana in die Nähe des Ballons, um diesen beobachten zu können. Der Ballon sei zuvor über der größtenteils zu Alaska gehörenden Inselgruppe der Aleuten und dann über dem nördlich von Montana angrenzenden Kanada gesichtet worden, berichteten US-Medien. Von wo der Ballon gestartet war, war nicht bekannt.

Pentagon: Geringe Gefahr

„Ziel des Ballons ist ganz klar Spionage, und sein aktueller Weg führt ihn über sensible Stützpunkte“, hatte der Pentagon-Vertreter gesagt. Darunter seien Luftwaffenstützpunkte und unterirdische Raketenstandorte. „Wir haben keinen Zweifel, dass der Ballon aus China kommt“, hatte es geheißen. „Wir ergreifen Maßnahmen, um uns gegen das Sammeln von sensiblen Informationen zu schützen.“

Allerdings sei die Gefahr nach Einschätzung des Pentagon nicht besonders groß. „Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, dass dieser Ballon aus Spionagesicht nur eingeschränkte Fähigkeiten hat.“ Auf einem Stützpunkt der US-Luftwaffe im Norden Montanas lagern nach Angaben des „Wall Street Journal“ 150 mit Atomsprengköpfen bestückte Interkontinentalraketen des Typs Minuteman III. Solche sensiblen Standorte würden in der Regel abgeschirmt, berichtete die Zeitung unter Berufung auf einen hochrangigen Verteidigungsbeamten.

Kanada ergreift notwendige Maßnahmen

Die Kanadier seien in Sicherheit, hieß es aus dem Verteidigungsministerium des US-Nachbarstaates. Mit den USA ergriffen kanadische Geheimdienste „alle notwendigen Maßnahmen“, um sensible Informationen vor ausländischen Geheimdiensten zu schützen. Kanada hatte zuvor von einem „möglichen zweiten Vorfall“ mit einem Ballon berichtet.

Spionageballons waren unter anderem im Kalten Krieg häufig eingesetzt worden. Gegenüber Aufklärungssatelliten haben sie den Vorteil leichterer Einsetzbarkeit und größerer Flexibilität. Üblicherweise fliegen sie in Höhen zwischen 24.000 und 37.000 Metern. Aufklärungsflugzeuge wie die U2 können eine Höhe von 24.000 Metern erreichen.