Gesundheitsminister Johannes Rauch
APA/Georg Hochmuth
Gesundheitsreform

„Geben wir die Blockadehaltung auf“

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hat den Druck auf eine allfällige Gesundheitsreform noch einmal erhöht. Am Samstag betonte der Ressortchef, dass man angesichts der laufenden Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bis Ende des Jahres ein „Zeitfenster“ habe. Rauch appellierte an alle Beteiligten: „Leute, geben wir die Blockadehaltungen auf.“

Kassenstellen, Pflegebereich, Nachsorge und Vorsorge: Im heimischen Gesundheitssystem gibt es seit Jahren viele Schrauben, an denen gedreht werden müsste. Schon vor zwei Wochen hatte Minister Rauch deutliche Worte an alle Beteiligten gerichtete. Am Samstag sagte er in der Ö1-Interviewreihe „Im Journal zu Gast“, dass es am Ende „immer ums Geld“ gehe.

„Geben wir es auf, in unseren Finanzierungsgräben zu sitzen und zu sagen, nur bis zu dieser Grenze und nicht darüber hinaus, weil uns das, was Vorsorge ist und was Nachsorge ist, nicht interessiert.“ Man müsse zu einem Einverständnis kommen, „wir setzen uns an einen Tisch und überlegen, wie reformieren wir dieses Ding“.

„Wahrscheinlichkeit zu scheitern ist hoch“

Der derzeitige Gesundheitsminister weiß, dass vor ihm schon genügend Vorgänger und Vorgängerinnen ebenfalls das System reformieren wollten. „Die Wahrscheinlichkeit zu scheitern ist entsprechend hoch. Aber ich sage immer dazu: Es nie versucht zu haben würde ich mir ewig vorwerfen.“

Wenn man das jetzige Zeitfenster nicht nutzt, werde in fünf Jahren die Situation, „auch die finanzielle Situationz, nicht besser, sondern schlechter aussehen“, so Rauch. „Es ist unser gemeinsamer Job, das Gesundheitssystem so aufzustellen, dass Menschen einen guten offenen Zugang zu qualitativ hochwertiger Medizin haben, ohne die Kreditkarte zücken zu müssen. Es muss reichen, wenn man die E-Card hat.“

„Sehr viel Zuspruch“ nach Kritik an Ärztekammer

Angesprochen auf seine scharfe Kritik an der Ärztekammer, die laut Rauch den Ausbau von Primärversorgungseinheiten in Österreich verhindere, sagte der Gesundheitsminister: Er habe „sehr viel Zuspruch“ bekommen, aber ihm gehe es nicht um die Ärztekammer, sondern um die Situation im niedergelassenen Bereich.

Seine Frau sei kürzlich als praktische Ärztin in Dornbirn in Pension gegangen. Patienten und Patientinnen von ihr seien „weinend vor der Ordination und später auf der Straße“ gestanden, weil sie keinen Arzt bzw. keine Ärztin gefunden hätten, die sie aufnehmen. „Diese Mangelsituation zu beseitigen muss gemeinschaftliche Aufgabe von allen sein: Ärztekammer, Sozialversicherung, Länder und Ministerium.“

Arbeiten in einem Pflegewohnhaus
ORF.at/Christian Öser
Rauch will Gesundheitsberufe verstärkt attraktiveren: Es seien „wunderschöne“ Jobs

In einem Interview sagte der Gesundheitsminister, er halte es für einen Anachronismus, dass die Ärztekammer bei der Einrichtung einer Primärversorgungseinheit ein Vetorecht hat. „Also wird es finanzielle Anreize und gesetzliche Rahmenbedingungen brauchen, um da Bewegung hineinzubekommen.“ Würde allerdings keine Bewegung in Sicht sein, müssten gesetzliche Rahmenbedingungen her, so Rauch.

Einer gesetzlichen Änderung bedarf es zumindest jetzt mal nicht, wenn man Rauch Glauben schenkt. Wie er betonte, gebe es derzeit „intensive Gespräche“ mit der Ärztekammer. Und er ortet „Bewegung und Fortschritte und die Bereitschaft, die Blockade aufzuheben.“

Rauch: Ohne Wahlärzte geht es derzeit nicht

Derzeit gibt es in Österreich 33 Primärversorgungseinheiten (PVE), die in Form von Zentren und Netzwerken für Allgemeinmedizin organisiert sind. Ursprünglich war geplant, bis 2021 75 PVE zu errichten. Rauchs Vorgänger, Wolfgang Mückstein, hatte vor einem Jahr angekündigt, dass es in den nächsten Jahren insgesamt 90 PVE geben soll. Ob der Plan aufgeht, ist ungewiss. Andererseits gibt es allerdings immer mehr Wahlärzte und Wahlärztinnen im Gesundheitssystem.

„Ohne Wahlärzte und -ärztinnen kommen wir derzeit nicht aus“, so der Gesundheitsminister. Man können sie nicht einfach abschaffen. Aber man müsse den „Trend“, dass Ärzte und Ärztinnen vermehrt einen Job in Wahlarztpraxen annehmen, „einbremsen“. Ziel sei, die Arbeitsbedingungen für junge Mediziner und Medizinerinnen so zu gestalten, dass diese wieder bereit sind, eine Kassenarztpraxis anzunehmen.

Vorstellbar ist für ihn aber auch, einen privilegierten Zugang zum Medizinstudium für jene zu schaffen, die sich für eine gewisse Zeit dem öffentlichen Gesundheitsdienst verpflichten. An seinem Zeitplan in Sachen Coronavirus-Maßnahmen hält er fest. Ablehnend äußerte sich Rauch zu von der SPÖ geforderten „Zwangsverpflichtungen“ als Kassenärzte: „Damit kann man, glaube ich, nicht arbeiten.“