Jürgen Flimm
APA/Barbara Gindl
1941–2023

Theatermacher Jürgen Flimm ist tot

Der Regisseur und Intendant Jürgen Flimm ist tot. Er starb am Samstag im Alter von 81 Jahren, wie die Berliner Staatsoper Unter den Linden mitteilte. Flimm galt als einer der maßgeblichen Regisseure im deutschen Sprachraum, von 2006 bis 2010 leitete er als Intendant auch die Salzburger Festspiele.

Flimm selbst sah sich „immer auf Entdeckungsreise“ – und war doch in so vielen Bereichen zu Hause. Er wirkte in Oper, Theater, Film, Fernsehen. Seine Arbeiten wurden an Häusern in der ganzen Welt gefeiert. Am 17. Juli 1941 als Kind einer protestantischen Ärztefamilie in Gießen geboren, wuchs Flimm in Köln auf und studierte dort Theaterwissenschaft, Germanistik und Soziologie.

Seine Regiekarriere startete er 1968 als Assistent bei Fritz Kortner und Claus Peymann an den Münchner Kammerspielen. Als Theaterleiter verdiente er sich in Köln von 1979 bis 1985 Meriten. Das Hamburger Thalia Theater machte er als Intendant von 1985 bis 2000 zur bestbesuchten Bühne Deutschlands. 2005 bis 2008 leitete er die Ruhrtriennale. Die Berliner Staatsoper Unter den Linden führte er von 2010 bis 2018 als Intendant.

Lange Verbundenheit mit Salzburger Festspielen

Bei den Salzburger Festspielen hatte Flimm als Regisseur großen Erfolg mit seinem Blick von außen auf die österreichische Dramatik: Er brachte Ferdinand Raimunds „Der Bauer als Millionär“ (1987, 1988), Johann Nestroys „Das Mädl aus der Vorstadt“ (1989, 1990) sowie Hugo von Hofmannsthals „Der Schwierige“ (1991) auf die Bühne.

Seine Inszenierung von Claudio Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“ mit Nikolaus Harnoncourt als musikalischem Leiter wurde 1993 zu einer viel beachteten Opernproduktion im Großen Festspielhaus.

Der Intendant der Salzburger Festspiele – Juergen Flimm und Präsidentin Helga Rabl-Stadler
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Sechs Jahre lang stand Flimm als Intendant neben Präsidentin Helga Rabl-Stadler an der Spitze der Salzburger Festspiele

Als Salzburger Schauspielchef initiierte Flimm eine Neuinszenierung des „Jedermann“, das „Young Directors Project“ und die Präsentation des bei den Mülheimer Theatertagen gekürten besten neuen deutschsprachigen Stücks der Saison. Er engagierte junge Regisseure wie Michael Thalheimer, Falk Richter, Sebastian Nübling, Elmar Goerden und Niklaus Helbling. 2006 bis 2010 war er auch Intendant der Salzburger Festspiele, löste seinen eigentlich bis 2011 laufenden Vertrag aber vorzeitig.

Erfolgreiche „Fidelio“-Produktion in New York

Flimm wirkte unter anderem an der Mailänder Scala, am Royal Opera House Covent Garden London, an der Wiener Staatsoper, an der Metropolitan Opera New York sowie bei den Bayreuther Festspielen. Mit seinem Bayreuther „Ring des Nibelungen“ erntete er gespaltene Reaktionen, ebenso bei seiner Zusammenarbeit mit Harnoncourt zu Henry Purcells „King Arthur“ in Salzburg. Ungeteilt gefeiert wurde er in New York mit Ludwig van Beethovens „Fidelio“, die von der „New York Times“ zur besten Opernproduktion des Jahres gekürt wurde.

Flimm war auch Regisseur bei Film- und Fernsehproduktionen. So realisierte er unter anderem zwei Folgen der in den 70er Jahren als TV-Kult geltenden Staffel „Ein Herz und eine Seele“ mit Heinz Schubert als Ekel Alfred und Helga Feddersen in der Rolle der Else. Mitunter wirkte Flimm auch als Schauspieler. So stand er unter anderem in zwei „Tatort“-Folgen vor der Kamera. In Berlin traf er sich manchmal mit Otto Rehhagel, ihn kannte Flimm aus Hamburger Zeiten. An dem Fußballtrainer bewunderte er Nervenstärke und Menschenkenntnis: „Der hat als Trainer jede Woche Premiere.“

Würdigung aus Politik

Grünen-Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer würdigte Flimm als einen „einzigartigen, enthusiastischen Künstler, der immer aufs Ganze ging“. Flimm habe „eine ganze Generation an Regisseurinnen und Regisseuren, aber auch uns Theaterbesucherinnen und -besucher geprägt“, so Mayer in einer Aussendung. Sie sprach „insbesondere seiner Familie, seinen Freundinnen und Freunden und seinen zahlreichen Weggefährtinnen und -gefährten“ ihre Anteilnahme aus.

Auch Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz brachte seine Anerkennung für Flimm zum Ausdruck. „Ob Theater, Oper, TV oder Kino – Jürgen Flimm hat die Bühnen als Regisseur und Intendant erneuert und geprägt – in Hamburg, dem Ruhrgebiet, Salzburg, Bayreuth, Berlin“, schrieb der SPD-Politiker auf seinem Twitter-Account. „Sein großes Herz, seine Zuversicht und sein feiner Humor werden nun fehlen.“

Berlins Kultursenator Klaus Lederer schrieb auf Twitter: „Sein Humor und seine Offenheit machten Jürgen Flimm in meinen ersten Jahren als Senator zu einem engen Berater und guten Freund.“ Der Intendant des Hamburger Thalia Theaters, Joachim Lux, sprach von einem leidenschaftlichen Theatermenschen. Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda bezeichnete Flimm als Theaterlegende.