Bewohner und Rettungskräfte auf der Suche nach Überlebenden
AP/Mahmut Bozarsan
Hunderte Tote

Schweres Beben in Syrien und Türkei

Bei einem schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien sind Hunderte Menschen ums Leben gekommen. Hunderte Gebäude stürzten ein, Hilfskräfte suchen mit einem Großaufgebot nach Verschütteten. In Syrien erhöhte sich die Opferzahl zuletzt auf über 300 und in der Türkei auf über 280. Angesichts der Schäden dürfte die Opferzahl jedoch deutlich höher liegen.

Neben mindestens 284 Toten seien mehr als 2.000 Menschen verletzt worden, sagte der türkische Vizepräsident Fuat Oktay am Montag. Todesopfer wurden auch aus dem von der Türkei kontrollierten Teil Nordsyriens gemeldet. In Syrien meldete das Gesundheitsministerium aus den von der Regierung kontrollierten Regionen Aleppo, Latakia und Tartus rund 230 betätigte Tote und mehr als 600 Verletzte.

Wenig später berichtete die Hilfsorganisation Syrian American Medical Society (SAMS) von über 120 weiteren Todesopfern. Hunderte seien verletzt worden, sagte SAMS-Vorsitzender Basel Termanini laut dpa. Die SAMS arbeitet vor allem im Nordwesten des Bürgerkriegslandes und betreibt in den von Rebellen kontrollierten Gebieten etwa die Hälfte der Krankenhäuser.

Bewohner und Rettungskräfte auf der Suche nach Überlebenden
AP/IHA
Rettungseinsatz in der türkischen Stadt Adana

„Lage sehr tragisch“

Fotos zeigten, wie syrische Rettungsteams Menschen auf Tragbahren wegtrugen. „Wir reagieren mit allem, was wir haben, um diejenigen zu retten, die unter den Trümmern liegen“, hieß es von der Rettungsorganisation Weißhelme: „Die Lage ist sehr tragisch.“ Der Leiter des Nationalen Erdbebenzentrums, Raid Ahmed sagte gegenüber der syrischen Nachrichtenagentur SANA, es sei das stärkste Beben in Syrien seit 1995. Präsident Baschar al-Assad berief sein Kabinett zu einer Dringlichkeitssitzung ein.

Türkei und Syrien: Hunderte Tote nach Erdbeben

Im Südosten der Türkei hat es in der Nacht auf Montag ein schweres Erdbeben gegeben. Auch der Norden Syriens ist stark betroffen. Hunderte Menschen kamen ums Leben.

Mindestens neun türkische Provinzen betroffen

In der Südosttürkei sind offiziellen Angaben zufolge mindestens neun Provinzen betroffen. Mindestens 1.700 Gebäude stürzten nach Angaben von Vizepräsident Oktay ein. Darunter sei neben Wohnhäusern auch ein Krankenhaus in der Stadt Iskenderun. Der Bürgermeister der Stadt Adana, Zeydan Karalar, sagte dem Fernsehsender TRT, dass ein 17- und ein 14-stöckiges Gebäude zerstört worden seien. In Gaziantep stürzte der Zeitung „Hürriyet“ zufolge eine historische Burg ein.

Grafik: Erdbeben in Syrien und Türkei
Grafik: APA/ORF; Quelle: USGS

Rettungsteams aus dem ganzen Land wurden ins Katastrophengebiet beordert, so Innenminister Süleyman Soylu. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan telefonierte nach Angaben seines Büros mit den Gouverneuren der betroffenen Provinzen und informierte sich über die Lage und die Rettungsarbeiten. Der Katastrophenschutz des Landes schickte Rettungsteams und Versorgungsflugzeuge in die betroffenen Gebiete und löste einen Alarm der Stufe vier aus, mit dem um internationale Unterstützung gebeten wird.

Noch viele Menschen unter Trümmern vermutet

„Unsere Hauptaufgabe ist es, die Such- und Rettungsarbeiten durchzuführen, und dafür sind alle unsere Teams in Alarmbereitschaft“, so Innenminister Soylu, der die Menschen in den Bebengebieten gleichzeitig dazu aufrief, die Benutzung von Mobiltelefonen einzustellen, damit vorrangig Verschüttete erreicht werden können. Rettungskräfte forderten die Menschen zudem auf, beschädigte Häuser zu verlassen.

Suche nach Verschütteten in Türkei

ORF-Korrespondentin Katharina Wagner meldet sich aus Istanbul und berichtet über die Erdbebenkatastrophe im Nordosten der Türkei. Sie schildert, wie die Suche nach Verschütteten vorangeht.

Vielerorts werden weiterhin etliche Menschen unter dem Schutt vermutet. Allein in Diyarbakir seien vermutlich rund 200 Menschen noch unter den Trümmern eines eingestürzten Gebäudes begraben, sagte ein Vertreter der Rettungsmannschaften dem türkischen Sender NTV. Im Staatssender TRT war zu sehen, wie Menschen bei Schnee in Iskenderun aus Trümmern befreit wurden. Weitere vom Beben betroffene Städte sind unter anderem Gaziantep, Sanliurfa, Osmaniye und Adana.

Hilfsangebot aus Griechenland

Die Türkei bekommt nach dem schweren Erdbeben Hilfe von ihren NATO-Partnern. Alliierte seien dabei, Unterstützung zu mobilisieren, schrieb NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf Twitter. „Nach dem Erdbeben in der Türkei heute Früh haben wir den EU-Zivilschutzmechanismus aktiviert“, kündigte zudem der für Krisenmanagement zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic am Montag auf Twitter an.

Griechenland erklärte sich trotz der schweren Spannungen mit der Türkei bereit, Rettungsmannschaften in das Erdbebengebiet im Nachbarland zu schicken. „Griechenland wird sofort helfen“, sagte der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis. Hilsangebote gibt es aus Deutschland, Italien, Belgien, Polen, Spanien und Finnland. EU-Angaben zufolge sind Rettungsteams aus den Niederlanden und Rumänien bereits auf dem Weg.

Zudem erklärten sich die USA bereit, Hilfe zu leisten. Auch Israel will der Türkei humanitäre Hilfe leisten. Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant wies Armee und Verteidigungsministerium am Montag an, entsprechende Vorbereitungen zu treffen. AP-Angaben zufolge kündigte auch Russland an, Rettungsteams in die Türkei und Syrien entsenden zu wollen.

Bewohner und Rettungskräfte auf der Suche nach Überlebenden
AP/IHA
Hunderte Gebäude sind eingestürzt

Rotes Kreuz: Hilfe auch in Österreich angelaufen

Das österreichische Außenministerium drückte in einer ersten Reaktion sein Mitgefühl und seine Solidarität mit den Opfern der Tragödie sowieden Rettungskräften aus. Nach Angaben des Roten Kreuzes sei auch in Österreich die Hilfe samt Spendenaufruf bereits angelaufen.

„Die Lage in der Türkei und Syrien ist dramatisch, viele Menschen sind noch unter den Trümmern verschüttet, und wir befürchten, dass die Opferzahl weiter steigt“, teilte der Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK), Michael Opriesnig, per Aussendung mit. „Nach Berichten unserer Kolleginnen und Kollegen im Einsatzgebiet müssen sich die Hilfstransporte den Weg durch verschneites Gebiet bahnen, um diejenigen zu retten, die noch unter den Trümmern begraben sind.“

Epizentrum bei Gaziantep

Die europäische Erdbebenwarte EMSC erklärte, dass ein Tsunami-Risiko noch geprüft werde. Das Epizentrum lag nach Angaben des Geo-Forschungszentrums (GFZ) in Potsdam in Deutschland nahe der türkischen Millionenstadt Gaziantep unweit der Grenze zu Syrien. Das Beben hatte nach Angaben des GFZ eine Stärke von 7,9. Die türkische Katastrophenschutzbehörde AFAD gab die Stärke des Bebens mit 7,4 an.

Erdbeben bei Gaziantep am 6.2.2023. Das Epizentrum ist als roter Punkt gekennzeichnet. Intensitätslinien zeigen die Stärke nach „Modified Mercalli Intensity“ (MMI).

Die US-Erdbebenwarte USGS verzeichnete mehrere starke Nachbeben nach dem ersten Beben, das mit einer Stärke von 7,8 angegeben wurde. Ein Beben der Stärke 6,7 ereignete sich in Gaziantep und ein weiteres der Stärke 5,6 im Stadtgebiet von Nurdag. Die betroffene Region wird regelmäßig von starken Erdbeben heimgesucht. Erst Ende Jänner hatte ein Beben die Grenzregion zwischen der Türkei und dem Iran erschüttert.

Auch im Libanon und auf Zypern war das Beben zu spüren. In den libanesischen Städten Beirut und Tripoli flohen die Menschen aus Angst vor einem Einsturz aus ihren Wohnhäusern, berichteten Augenzeugen. In Italien gab der Zivilschutz noch in der Nacht auf Montag eine Tsunami-Warnung aus und empfahl, sich von der Küste zu entfernen. Wenige Stunden später nahm die Behörde die Warnung zurück.