Soldat der Wagner Gruppe
IMAGO/SNA/Viktor Antonyuk
Rekrutierung eingestellt

Wagner fand kaum noch Häftlinge für Front

Die russische Söldnergruppe Wagner hat nach eigenen Angaben die Rekrutierung von Häftlingen für den Kampf in der Ukraine gestoppt. Was wie eine Selbstbeschränkung wirkt, hat laut Medien allerdings einen anderen Hintergrund. Die Häftlinge wollen sich nicht mehr rekrutieren lassen, zu heftig waren offenbar die Berichte von den Bedingungen an der Front und den geringen Überlebenschancen.

Die Rekrutierung von Häftlingen sei ganz eingestellt worden, hatte Wagner-Gründer Jewgeni Prigoschin in einer Antwort auf eine in sozialen Netzwerken veröffentlichte Anfrage eines russischen Medienunternehmens mitgeteilt. Die Wagner-Gruppe hatte im Sommer 2022 mit der Rekrutierung von Häftlingen begonnen. Prigoschin, ein Cateringunternehmer, der in Sowjetzeiten neun Jahre im Gefängnis gesessen war, bot ihnen eine Begnadigung für sechs Monate Militärdienst im Kampf in der Ukraine an.

Das private Militärunternehmen, das in den vergangenen Monaten eine zunehmend führende Rolle im russischen Krieg in der Ukraine übernahm, machte keine Angaben dazu, wie viele Sträflinge in seine Reihen aufgenommen wurden. Nach US-Erkenntnissen kämpfen etwa 50.000 Wagner-Söldner in der Ukraine. Darunter sollen 40.000 aus russischen Gefängnissen rekrutierte Häftlinge sein.

Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin
Reuters/Igor Russak
Jewgeni Prigoschin bei einem Gespräch in einem Wagner-Center

Häftlinge wollten sich nicht mehr anwerben lassen

Die Wagner-Rekrutierer waren laut der unabhängigen russischen Zeitung Mediazona Ende letzten Jahres wieder im Gefängnissen und Strafkolonien, um Häftlinge anzuwerben, hatten allerdings weitaus weniger Erfolg als Prigoschin selbst, so die englischsprachige Website Meduza.

Der Hintergrund: Die Häftlinge hatten von der Situation an der Front und den äußerst geringen Überlebenschance gehört. Sie wurden laut der Ukraine nur als Kanonenfutter eingesetzt. Die Überlebensrate soll zwischen zehn und 15 Prozent liegen. Teils überlebten die Häftlinge nur Tage oder Wochen.

Zerstörtes Haus in Kramatorsk
APA/AFP/Yasuyoshi Chiba
Ein Blick auf die Zerstörung in Kramatorsk Anfang Februar

Prigoschins inszenierte Auftritte

Fast nur die Rekrutierung durch Prigoschin selbst war laut einem Augenzeugen, den die Zeitung zitierte, erfolgreich. „Das erste Mal kamen die Rekrutierer Anfang Oktober. Die von ihnen rekrutierten Sträflinge sind dann am 23. Oktober abgereist – mehr als 300 Personen", zitierte die Zeitung einen Strafgefangenen. Das zweite Mal seien sie Ende Dezember gekommen. Da hätten sie allerdings nur etwa 20 Häftlinge rekrutieren können, sagte ein Gefangener im Ural gegenüber Mediazona.

Laut dieser Quelle war die erste Rekrutierungsreise der Wagner-Gruppe in das Gefängnis von Prigoschin selbst geleitet worden. Er sei mit einem Hubschrauber gekommen. Bei diesem ersten Besuch seien alle Gefangenen auf dem Exerzierplatz des Gefängnisses versammelt worden, um Prigoschin sprechen zu hören. Sogar der Leiter des Regionalbüros des russischen Bundesgefängnisdienstes sei erschienen, hieß es weiter.

„Zehn Jahre vor sich und zehn Jahre hinter sich“

Prigoschin habe auch den idealen Kandidaten als Söldner für die Wagner-Gruppe beschrieben. Es sei ein Häftling, der „zehn Jahre vor sich und zehn Jahre hinter sich“ habe. Auch hätte er den Gefangenen versichert, dass nur 15 Prozent der Kämpfer auf dem Schlachtfeld getötet würden – etwas, das sich sehr schnell als falsch herausgestellt habe.

In einem anderen Gefängnis hätten sich nach dem Besuch Prigoschins rund 1.000 Häftlinge gemeldet, rund drei Monate später, ohne den Auftritt Prigoschins und nach Bekanntwerden der Überlebenschancen für Häftlinge, nur noch 30, so ein Häftling in einem anderen Gefängnis zu Mediazona.

Ein zerstörtes Gebäude in Bachmuth
Reuters
Ein zerstörtes Gebäude in Bachmut

PR-Kampagne soll Wagner-Image verbessern

Prigoschin will nun mit einer PR-Kampagne auch in sozialen Netzwerken das durch die Häftlingssöldner offenbar angekratzte Image wieder aufpolieren und den Fokus auf die „Erfolgsgeschichte“ Wagners lenken, wie Mediazona weiter berichtet.

Der auch als „Putins Koch“ bezeichnete Prigoschin ist für seine inszenierten Propagandaauftritte und vollmundigen Worte bekannt. So war er eigenen Angaben zufolge in einem Kampfflugzeug, das die ukrainische Stadt Bachmut angegriffen habe. „Wir sind gelandet, wir haben Bachmut bombardiert“, sagte Prigoschin am Montag in einem auf Telegram veröffentlichten Video. Darin ist er mit einem Helm und einer Sauerstoffmaske zu sehen. Bachmut ist das Epizentrum der Kämpfe in der Ostukraine.

Prigoschin forderte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu einem Kampf am Himmel über Bachmut auf. Der Wagner-Chef sagte, er werde erneut an Bord eines Kampfjets gehen. „Wenn Sie den Willen haben, treffen wir uns am Himmel. Wenn Sie gewinnen, bekommen Sie Artemowsk zurück, wenn nicht, gehen wir bis zum (Fluss) Dnipro“, sagte Prigoschin. Artemowsk ist der russische Name für Bachmut.