Karl Nehammer in der ZIB 2
ORF
EU-Gipfel zu Grenzschutz

Laut Nehammer „alles besprochen“

Künftig soll mehr EU-Geld für den Schutz der Außengrenzen ausgegeben werden: Darauf haben sich die EU-Spitzen auf ihrem Sondergipfel am Freitag nach nächtlichem Ringen geeinigt. Zäune und Mauern sind in der Abschlusserklärung nicht erwähnt, wohl aber Infrastruktur für den Grenzschutz. Bundeskanzler Karl Nehammer, einer der lautesten Befürworter verstärkter Außengrenzen, wiederholte in der ZIB2 seine Einschätzung, einen Erfolg eingefahren zu haben.

Das Thema wird in der EU seit Jahren heftig diskutiert, während der Bau von Mauern und Zäunen immer weiter voranschreitet. Zwischen 2014 und 2022 ist die Gesamtlänge der Zäune an den Außen- und Binnengrenzen der EU nach Angaben des EU-Parlaments von 315 auf mehr als 2.000 Kilometer angewachsen. Inzwischen sind 13 Prozent der EU-Außengrenzen mit Zäunen versehen, unter anderem um die spanischen Enklaven Ceuta und Melilla in Marokko, am Eingang zum Tunnel unter dem Ärmelkanal bei Calais, an der Grenze zwischen Litauen und Belarus oder zwischen Bulgarien und der Türkei.

„Das ist ein klares Signal“, sagte Nehammer nach Abschluss des Gipfels. Er hatte zuvor allein zwei Milliarden Euro für den Ausbau der Grenzanlagen zwischen Bulgarien und der Türkei verlangt. Er rechne damit, dass es in Bulgarien und Rumänien künftig „Pilotprojekte“ geben werde. „Wir müssen in der ganzen EU die Asylbremse anziehen“, forderte er mit Blick auf die fast eine Million Asylanträge in der EU im vergangenen Jahr.

Bundeskanzler Nehammer (ÖVP) über den EU-Gipfel

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) spricht unter anderem über den EU-Gipfel in Brüssel und die Beschlüsse, die dort vereinbart worden sind. Außerdem spricht er darüber, ob sich ein Land wie Bulgarien den Grenzzaun überhaupt leisten kann oder ob es hierbei Unterstützung erhält.

Noch nie sei „so klar und ehrlich“ über Migration gesprochen worden, sagte Nehammer nach dem Gipfel. In der ZIB2 wiederholte er: Man habe endlich einmal „alles besprochen“. Die Frage, ob nun Zäune oder Mauern in der Abschlusserklärung stehen würden, sei eine „philosophische“, schließlich sei darin auch nicht enthalten, dass ein „Nichtzaunbau“ beschlossen worden sei.

„Geld hat kein Mascherl“

Auf die Frage, wie sich etwa Bulgarien eine Investition von zwei Milliarden für die Grenzsicherung leisten sollte, sagte Nehammer: „Geld hat bekanntlich kein Mascherl.“ Es gebe Zusagen für Personalplanung, Fahrzeuge, technische Ausrüstung und Überwachung. Dadurch würden nationale Budgetmittel frei, die Bulgarien dann wieder in die Verstärkung des Grenzzauns zur Türkei einsetzen könne, so Nehammer.

Gleichzeitig räumte der Kanzler ein, dass ein Zaun allein nicht das Problem der undokumentierten Zuwanderung lösen könne, notwendig sei ein „systemisches Vorgehen“. Darunter stellt er sich Registrierungsstellen an den Außengrenzen, gezielte Rückführungen und „Perspektiven“ für die Herkunfts- und Transitländer der Migranten und Migrantinnen vor. Über eine fairere Verteilung der Menschen innerhalb der EU könne erst dann geredet werden, wenn das gewährleistet sei. Immerhin habe man nach dem Gipfel nun „einen Fuß in der Tür“, um eine Systemänderung zu einem europäischen Asylsystem zu bewerkstelligen.

Zum österreichischen Veto gegen die Schengen-Erweiterung sagte Nehammer, der Außengrenzschutz sei prioritär zu lösen, bevor man über Schengen sprechen könne. Es sei beim Gipfel postuliert worden, dass Schengen scheitern werde, wenn die Migrationsfrage nicht gelöst werde. „Das war eine sehr ernste und tiefgehende Diskussion.“

Die Beschlüsse des EU-Gipfels

Bei dem EU-Sondergipfel der 27 Staats- und Regierungschefinnen und -chefs am Freitag um das Thema der irregulären Migration kam es zu einigen Beschlüssen. Unter anderem ein Brüsseler Kompromiss, mit dem es mehr Geld für den Außengrenzschutz geben wird.

Opposition kann Euphorie nicht teilen

Aus Österreich gab es nach dem EU-Sondergipfel geteilte Reaktionen aus Österreich: Während die ÖVP von einem „vollen Erfolg“ sprach, kritisierten Grüne, NEOS, SPÖ und FPÖ das Ergebnis aus unterschiedlichen Gründen.

Während FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl von einer „PR-Show“ sprach und „Grenzbarrieren an neuralgischen Punkten der österreichischen Grenze“ forderte, da „nur eine ‚Festung Österreich‘ vor illegaler Masseneinwanderung“ schütze, warnte die Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament, Monika Vana, vor einer „Festung Europa“: Menschen auf der Flucht müsse geholfen werden. „Wir brauchen ein solidarisches und humanitäres EU-Asyl- und -Migrationssystem.“

Ähnlich sah das SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner: „Wir brauchen ein gemeinsames europäisches Asylsystem, das mit Verfahrenszentren an der Außengrenze beginnt.“ Auch NEOS forderte „neben Grenzsicherung schnelle Verfahren an den Außengrenzen für eine faire Verteilung von Schutzsuchenden.“ Asylsprecherin Stephanie Krisper trat zudem für die „Umsetzung einer Residenzpflicht für Asylberechtigte“ ein.