Menschen mit Fahnen in Teheran
APA/AFP
„Proteste gescheitert“

Regierung des Iran beschwört eigene Stärke

Inmitten der bereits monatelangen Proteste gegen die Regierung im Iran haben sich am Samstag jene auf den Straßen der Hauptstadt Teheran versammelt, die der Revolution vor 44 Jahren gedachten. Der Tag erinnert an die Ausrufung der heutigen Islamischen Republik, also den Beginn des vielfach verhassten Mullah-Regimes. Für die Regierung eine Gelegenheit, Stärke und Durchsetzungsfähigkeit des iranischen Systems zu beschwören: Präsident Ebrahim Raisi erklärte die Protestbewegung für „gescheitert“.

„Das iranische Volk hat das Projekt Unruhen und Medienkrieg der ausländischen Feinde scheitern lassen“, sagte Raisi in einer im TV übertragenen Rede. Damit sei eine weitere vom Ausland gesteuerte Verschwörung neutralisiert und ein weiterer Sieg der Revolution errungen worden. Kaum verwunderlich also, dass die staatlich organisierten Kundgebungen in vielen Städten landesweit zugunsten des Systems der Islamischen Republik gelagert waren – staatliche Medien berichteten über Aktionen in 1.400 Städten.

Allein in Teheran zogen Abertausende Menschen zu Fuß und fahnenschwenkend zum Freiheitsplatz, wobei sie Slogans wie „Nieder mit den USA“, „Nieder mit Israel“ und „Nieder mit Großbritannien“ skandierten. Einige Menschen trugen auch Porträts des obersten geistlichen Führers Ali Chamenei oder des Präsidenten Raisi. Erneut hielt dieser dem Ausland – namentlich den USA – vor, die Proteste gesteuert und finanziert zu haben, um den Fortschritt im Iran zu stoppen.

Menschen mit Fahnen in Teheran
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Das Mullah-Regime wurde am Jahrestag der islamischen Revolution in Teheran gepriesen

Auch die ausländischen Darstellungen zur Rolle der Frauen im Iran sind laut Raisi schlicht falsch. Frauen seien frei und in allen Spitzenpositionen vertreten, nur würden sie anders als im Westen „nicht als Objekte vermarktet“. Außerdem stehe im Iran die Familie im Vordergrund und nicht Themen wie Homosexualität. „Dies (Homosexualität, Anm.) macht den Status der Familie zunichte und löscht letztendlich die menschliche Generation“, sagte der Kleriker.

Der Onlinestream der im TV ausgestrahlten Rede des Präsidenten wurde allerdings unterbrochen: Etwa eine Minute lang war das Logo einer Gruppe von offenkundig regierungsfeindlichen Hackern mit dem Namen „Edalat Ali (Gerechtigkeit Alis)“ zu sehen. Eine Stimme rief „Tod für die Islamische Republik“. In der Rede hatte Raisi der „getäuschten Jugend“ im Land noch geraten, Buße zu tun, damit sie vom obersten Führer begnadigt werden könnten.

Proteste laufen in vielen Formen weiter

Tatsächlich sieht die Realität im Iran generell anders aus als von Raisi dargestellt. Zwar finden weniger Straßendemonstrationen statt, dafür werden die Proteste in anderen Formen kontinuierlich fortgesetzt. Unter anderem ignoriert eine zunehmende Anzahl von Frauen den Kopftuchzwang in der Öffentlichkeit, und somit die islamischen Vorschriften. Darüber hinaus gibt es vermehrt Forderungen nach einer Verfassungsänderung und einem Referendum, das den neuen politischen Kurs des Landes bestimmen soll.

Regierung des Iran beschwört eigene Stärke

Im Iran wurde der 44. Jahrestag der Islamischen Revolution von 1979 inmitten landesweiter regierungsfeindlicher Proteste und verstärkter Spannungen mit dem Westen begangen. Der Tag erinnert an die Ausrufung der heutigen Islamischen Republik, also den Beginn des vielfach verhassten Mullah-Regimes.

Außerdem steckt die Raisi-Regierung wirtschaftlich in der schlimmsten Krise der Geschichte des Landes. Die nationale Währung Rial hat weiter stark an Wert verloren, und eine Verbesserung der Lage ist derzeit nicht in Sicht. Wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen die Protestierenden wurden gegen den Gottesstaat weitere Sanktionen verhängt, die das bereits davor international isolierte Land noch weiter abgeschottet haben.

Im Februar 1979 hatte ein Aufstand unter dem Revolutionsführer und schiitischen Geistlichen Ayatollah Ruhollah Chomeini zum Zusammenbruch der Monarchie geführt. Der iranische Nationalfeiertag erinnert an den Sturz des Schahs nach der Rückkehr Chomeinis aus dem Exil. In den vergangenen zwei Jahren hatten sich die Feierlichkeiten wegen der Pandemieauflagen größtenteils in Autokorsos abgespielt.

Feuerwerk in Teheran
Reuters/Wana News Agency
Beim Fernsehturm Bordsch-e Milad wurde der Jahrestag der Revolution mit einem Feuerwerk begangen

Heuer wurde staatlich zwar breit organisiert – jedoch fällt der Jahrestag in eine Zeit wütender Proteste. Diese richteten sich zunächst im Rahmen einer Frauenbewegung gegen den islamischen Kopftuchzwang, dann aber gegen das gesamte islamische System. Die Demonstrierenden und die iranische Opposition im In- und Ausland fordern eine säkulare Demokratie anstelle der theokratischen Herrschaft der letzten vier Jahrzehnte.

Nach Einschätzung von Menschenrechts-NGOs sind seit Beginn der Proteste im September 2022 mehr als 500 Menschen getötet und fast 20.000 Protestierende festgenommen worden. Zum Jahrestag der Revolution hat Irans Staatsoberhaupt Chamenei Zehntausende Gefangene begnadigt. Darunter sollen auch Protestierende sein, die im Rahmen der jüngsten Demonstrationswelle inhaftiert worden waren.