Bundesministerium für Inneres
ORF.at/Dominique Hammer
Türkei, Syrien

Innenministerium hält an Visakriterien fest

Eine Woche nach den katastrophalen Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet mit Zehntausenden Toten wird das Ausmaß der Zerstörung immer deutlicher. Nach Schätzungen der UNO könnten alleine in Syrien bis zu 5,3 Millionen Menschen durch das Beben obdachlos geworden sein. Länder wie Deutschland debattieren eine Erleichterung der Visaregeln. Auch in Österreich will man durch rasche Visaverfahren Erdbebenopfer unterstützen – ändern möchte das Innenministerium die Kritierien aber nicht.

Keine einfache Lösung gebe es zwar für eine Aufnahme von Menschen aus Syrien, da Deutschland dort nicht diplomatisch vertreten sei, „unbürokratisch“ und „pragmatisch“ will die Regierung in Deutschland laut Innenministerium aber zumindest die Aufnahme von Erdbebenbetroffenen aus der Türkei gestalten. Sie sollen dadurch leichter bei Angehörigen in Deutschland unterkommen können. Ähnliche Initiativen gibt es bereits in der Schweiz, den Niederlanden und Belgien.

„Wir fordern die österreichische Bundesregierung auf, sich diesem Vorstoß (aus Deutschland, Anm.) anzuschließen und ebenfalls eine temporäre Visaerleichterung zu ermöglichen“, erklärte am Montag der Wiener Integrationsrat. Am Sonntag hatte sich der Erste Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), für eine zeitlich begrenzte Aufnahme Betroffener in Österreich ausgesprochen.

Beschleunigte Visa für Erdbebenopfer

Othmar Karas, der Erste Vizepräsident des Europäischen Parlaments, regte in der ORF-„Pressestunde“ an, zur Hilfe nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien möglichst schnell eine europaweite Konferenz einzuberufen. In Deutschland sollen Opfer der Katastrophe beschleunigt ein Visum bekommen, wenn Angehörige im Land für sie sorgen können. Othmar Karas hält das EU-weit und damit auch für Österreich für sinnvoll.

Möglichkeiten „im gesetzlichen Rahmen“ nutzen

Österreich will Opfer des Erdbebens in der Türkei und Syrien oder deren Angehörige zwar durch eine raschestmögliche Prüfung ihrer Visumsanträge unterstützen, aber die Kriterien nicht ändern.

Aus dem Innenministerium in Wien hieß es am Montag auf APA-Anfrage, die österreichischen Vertretungen, bei denen die Anträge zu stellen sind, würden die im gesetzlichen Rahmen bestehenden Möglichkeiten dafür nutzen. Die Prüfung erfolge weiterhin auf Grundlage der bisher geltenden Kriterien.

Für die Einreise nach Österreich aus Syrien oder der Türkei ist laut Innenministerium per Gesetz nach wie vor ein gültiges Visum vorgesehen. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums seien in einem individuellen Verfahren zu prüfen, hieß es weiter.

Rettungskräfte in Antakya
APA/AFP/Fdfa/Michael Fichter
Millionen Menschen verloren in Syrien und der Türkei ihr Zuhause – so wird der Ruf nach einfacheren Visaverfahren laut

Grüne: Deutsche Ankündigung Vorbild für Österreich

Die außenpolitische Sprecherin der österreichischen Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, sieht die deutsche Ankündigung als Vorbild für Österreich an. „Wenn es uns gelingt, durch Visaerleichterungen Menschen in Europa zu helfen, um sie vor dem Kältetod oder vor dem Hungertod zu bewahren, dann ist es unsere europäische Verpflichtung bei einer Katastrophe von solch einem Ausmaß“, sagte Ernst-Dziedzic zur „Presse“ (Dienstag-Ausgabe).

Für die Umsetzung brauche es auch nicht grüne Ministerien wie das Innen- und Außenministerium: „Hier warten wir auf entsprechende Vorschläge“, so die Grünen-Politikerin. „Deutschland hat ja auch bewusst gesagt: Das ist ein Visum auf Zeit in einer äußersten Notlage.“

Bürgerinitiative fordert Humanitärvisum

Der SPÖ-Bezirksrat in Wien-Favoriten, Muhammed Yüksek, brachte unterdessen eine parlamentarische Bürgerinitiative ein, welche die unverzügliche Schaffung eines vorübergehenden sechsmonatigen Humanitärvisums für vom Erdbeben betroffene Angehörige von in Österreich lebenden Personen fordert.

Die Initiative müsse nun voraussichtlich verbindlich im Petitionsausschuss des Nationalrats behandelt werden, teilte der Initiator am Montag mit. Yüksek hofft auf eine breite und parteiübergreifende Unterstützung aus dem Nationalrat und der Bevölkerung, damit Angehörigen so schnell und unbürokratisch wie möglich geholfen werden könne.

Aufnahme „Gebot der Stunde“

Der SPÖ-Parlamentsklub befürwortete am Montag ein erleichtertes Verfahren für ein Dreimonatsvisum für Erdbebenopfer. Menschen, die ihr Heim verloren haben oder medizinische Behandlung brauchen, sollten so für eine befristete Zeit bei engen Angehörigen in Österreich unterkommen können. „Europa muss in einer großen Hilfsaktion den Betroffenen und Opfern des furchtbaren Erdbebens in der Türkei und Syrien beistehen. Es braucht jetzt vorrangig rasche Hilfe vor Ort und in der Folge einen internationalen Plan, wie der Wiederaufbau – der Jahre dauern wird – unterstützt werden kann“, heißt es in einem Statement des SPÖ-Parlamentsklubs.

Für die Volkshilfe Österreich sei es „ein Gebot der Stunde, uns dafür einzusetzen, dass Überlebende des Erdbebens temporär in Österreich aufgenommen werden“, sagte deren Präsident Ewald Sacher laut Aussendung.

Migrationsforscherin Judith Kohlenberger schrieb dazu auf Twitter: „Deutschland, Schweiz, Niederlande und Belgien haben bereits damit begonnen, den Visaprozess für Erdbebenopfer, die Verwandte im Land haben, zu erleichtern. Wann folgt Österreich?“

Drei Millionen Euro aus Auslandskatastrophenfonds

Eine staatliche Verpflichtungserklärung zur Kostenübernahme werde auch nötig sein, denn die Verwandten in Österreich könnten sie nicht tragen. „Ein europäisches Resettlement-Programm wäre überhaupt der beste Weg, weil die humanitäre Situation in Nordsyrien, die schon vor dem Erdbeben katastrophal war, jetzt noch unsicherer geworden ist“, sagte Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger.

Österreich hat für humanitäre Hilfe nach dem Erdbeben bisher etwa drei Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds bereitgestellt. Dem Vernehmen nach wurden im Verlauf der vergangenen sieben Jahre mehr als 70.000 Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern aus Syrien und der Türkei in Österreich Schutz gewährt.