schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon
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Schottland

Regierungschefin Sturgeon tritt zurück

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon tritt zurück. Sturgeon, die auch Chefin der Schottischen Nationalpartei (SNP) ist, gab ihren überraschenden Rückzug am Mittwoch in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz bekannt. Sie hatte ihr Amt als „First Minister“ in Schottland seit 2014 ausgeübt.

„Ich kündige meine Absicht an, als Regierungschefin und Chefin meiner Partei zurückzutreten“, sagte die 52-Jährige am Mittwoch in Edinburgh. Auch wenn diese Entscheidung für viele überraschend und für manche zu früh komme, wisse sie „mit meinem Herzen und meinem Verstand, dass das der richtige Zeitpunkt“ sei. Sie wolle als „First Minister“ und SNP-Chefin im Amt bleiben, bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden sei.

Mit Blick auf eine Kontroverse über ein umstrittenes Gendergesetz sagte Sturgeon, ihre Entscheidung sei keine Reaktion auf Druck und schwierige Situationen in der Vergangenheit. Ihre Entscheidung sei nicht kurzfristig gefallen, sie habe seit Wochen mit sich gerungen. Sie merke mittlerweile, welchen körperlichen und psychischen Einfluss die großen Belastungen der CoV-Pandemie auf sie als Regierungschefin hatten.

Nicola Sturgeon bei Wahl zu SNP-Chefin 2014
Reuters/Cathal Mcnaughton
Nicola Sturgeon bei der Wahl zu SNP-Chefin 2014

Sturgeon glaubt weiter an Unabhängigkeit

Das Regierungsamt sei hart, und die einzige Möglichkeit, den Job auszufüllen, sei es, absolut alles dafür zu geben. Die Fragen, ob der Job das Richtige für sie sei und ob sie die Richtige für ihre Partei, ihr Land und den Kampf für die schottische Unabhängigkeit sei, sei immer schwieriger mit Ja zu beantworten gewesen.

„Ich bin zu der schwierigen Entscheidung gekommen, dass es nicht mehr so ist“, sagte Sturgeon. Sie wolle ihrer Partei daher die Freiheit geben, sich für eine neue Führung zu entscheiden. Mit dem Rücktritt mache sie den Weg frei für eine Entscheidung ihrer Partei, welcher Weg beschritten werden solle.

Schottland sei in einem kritischen Moment, so Sturgeon. Die Unterstützung für eine Unabhängigkeit müsse verstärkt werden. Der Kampf um die Unabhängigkeit könne gewonnen werden. Er befinde sich „in der finalen Phase“, sagte sie bei ihrer Pressekonferenz. „Ich glaube fest daran, dass mein Nachfolger Schottland in die Unabhängigkeit führen wird“, so Sturgeon. Sie werde die Politik nicht verlassen und habe die Absicht, Abgeordnete des Parlaments bleiben.

Sturgeon gibt Rücktritt bekannt

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon hat ihren Rücktritt bekanntgegeben. Die 52-Jährige hatte als erste Frau ihr Amt als „First Minister“ in Schottland seit 2014 ausgeübt. Auch wenn diese Entscheidung für viele überraschend und für manche zu früh komme, wisse sie „mit meinem Herzen und meinem Verstand, dass dies der richtige Zeitpunkt“ sei. Sie wolle als „First Minister“ und Chefin der Schottischen Nationalpartei (SNP) im Amt bleiben, bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden sei.

Dämpfer bei Unabhängigkeitsbestrebungen

Im Ringen um eine Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich musste Sturgeon zuletzt mehrere Dämpfer hinnehmen: London blockiert eine von ihr angestrebte erneute Abstimmung über die Frage, ob Schottland Teil des Vereinigten Königreichs bleiben soll oder nicht. Zudem verloren die Unabhängigkeitsbefürworter vor dem höchsten britischen Gericht.

Der Supreme Court hatte geurteilt, dass das schottische Regionalparlament kein Recht hat, ohne Zustimmung der britischen Regierung eine Volksabstimmung anzusetzen. Sturgeon sagte, sie sei enttäuscht von der Entscheidung, akzeptiere sie aber. Die Unabhängigkeit müsse auf legalem und demokratischem Wege erreicht werden.

Keine überzeugende Strategie entwickelt?

Sturgeon hätte im Oktober 2023 ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum abhalten lassen wollen. Die Schotten hatten bereits 2014 über einen Austritt aus dem seit drei Jahrhunderten bestehenden gemeinsamen Königreich mit England und Wales abgestimmt. Damals setzten sich die Gegner einer Unabhängigkeit mit 55 zu 45 Prozent der Stimmen durch.

Nicola Sturgeon hält Schild mit Aufschrift „Scotland’s for Europe“
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Sturgeon 2019 bei einer SNP-Konferenz

Sturgeon begründete den Wunsch nach einer erneuten Abstimmung mit dem Ausgang des Brexit-Referendums im Jahr 2016, bei dem eine deutliche Mehrheit der Schotten gegen den inzwischen erfolgten Austritt Großbritanniens aus der EU gestimmt hatte. Kritiker warfen Sturgeon vor, nach der Ablehnung eines erneuten Referendums durch das oberste Gericht keine überzeugende Strategie zum Thema Unabhängigkeit entwickelt zu haben.

Viel Kritik an Gendergesetz

Zudem belastete zuletzt der Streit über ein kontroverses Gendergesetz die schottische Regierung. Mit dem Gesetz, für das das schottische Parlament im vergangenen Jahr gestimmt hatte, soll unter anderem die Pflicht zu einem medizinischen Gutachten als Voraussetzung für eine Änderung des Geschlechtseintrags entfallen. Das Mindestalter für einen Antrag soll von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden.

Am Gesetz gab es viel Kritik, zu den prominentesten Kritikerinnen gehört die „Harry Potter“-Autorin Joanne K. Rowling. Sie und ihre Mitstreitenden befürchten, dass Männer die vereinfachten Regeln ausnützen könnten, um aus sexuellen Motiven in Bereiche einzudringen, die Frauen vorbehalten sind, zum Beispiel Damenumkleiden und -toiletten.

Nicola Sturgeon feiert Wahlerfolg 2019
Reuters/Russell Cheyne
Sturgeon feiert ihren Erfolg bei der britischen Wahl 2019

Unterstützer sehen in dem Gesetz hingegen eine längst überfällige Reform, die Transmenschen das Leben erleichtern und ihnen ermöglichen könne, selbstbestimmt zu leben. Als Transmenschen werden Personen bezeichnet, die sich dem Geschlecht, das ihnen bei Geburt zugeschrieben wurde, nicht zugehörig fühlen.

Politologe sieht Vakuum

Der SNP-Abgeordnete Stewart McDonald bezeichnete Sturgeons bevorstehenden Rückzug am Mittwoch als „enormen Verlust“. Das Engagement der scheidenden Regierungschefin für Schottland sei „unübertroffen“. Sturgeon hinterlasse ein Vakuum, sagte Anthony Wells, Leiter der Abteilung European Political and Social Research bei YouGov UK. „Es gibt jetzt niemanden, der ein klarer und offensichtlicher Nachfolger ist.“

Sturgeons Stärke an der Spitze der Partei habe interne Streitigkeiten über den weiteren Weg eingedämmt: „Ohne jemanden, der eindeutig die Hand am Ruder hat, wird es wohl ein bisschen chaotisch.“ Doch das Rennen um die Nachfolge hat offenbar schon begonnen: Genannt wird etwa Finanzministerin Kate Forbes, die eben erst aus der Elternzeit zurückkehrt. Auch Sturgeons Vize John Swinney und Gesundheitsminister Humza Yousaf gelten als Kandidaten.

Der britische Premierminister Rishi Sunak und seine Konservative Partei verlieren mit Sturgeon eine ihrer bekanntesten und erbittertsten Gegnerinnen. Mit einer betont liberalen Politik hatte Sturgeon wiederholt Alternativen zur harten Linie der Regierung in London aufgezeigt und damit mehrere Premierminister vor sich hergetrieben.

Politisierung durch Thatcher-Jahre

Sturgeon kam 1970 als Tochter eines Elektrikers in der Industriestadt Irvine südwestlich von Glasgow zur Welt. Mit 16 Jahren trat sie der SNP bei – politisiert durch die für das Arbeitermilieu besonders harten Jahre unter der konservativen britischen Premierministerin Margaret Thatcher. Die hohe Arbeitslosigkeit damals gab Sturgeon nach eigener Aussage „ein starkes Gefühl für soziale Gerechtigkeit“ und den Antrieb, in die Politik zu gehen.

Sturgeon studierte Jus an der Universität Glasgow und kandidierte 1992 mit 21 Jahren erfolglos bei der britischen Unterhauswahl. Nach mehreren Jahren als Rechtsanwältin zog sie 1999 als eine der ersten Abgeordneten ins neu gegründete schottische Regionalparlament ein.

Mit Vorgänger überworfen

Sturgeon erarbeitete sich schnell einen Ruf als ehrgeiziger Workaholic. „Ihr Telefon ist nie ausgeschaltet, das können viele in der Familie bezeugen“, sagte ihr Mutter Joan einmal. 2010 heiratete Sturgeon den SNP-Politiker Peter Murrell, der Generalsekretär der Partei wurde.

Schottischer Politiker Alex Salmond
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Sturgeons Vorgänger Alex Salmond

Nach dem Nein beim Unabhängigkeitsreferendum 2014 übernahm die ehrgeizige Juristin den SNP-Vorsitz von Alex Salmond und beerbte ihn auch als Erste Ministerin. Mit ihrem einstigen Mentor hatte sie sich inzwischen überworfen. Ein Streit über Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen Salmond belastete auch den Wahlkampf in Schottland 2021. Den Machtkampf mit Salmond gewann Sturgeon damals klar: Seine neu gegründete Partei Alba gewann bei der Regionalwahl keinen einzigen Sitz.