Leere Sesseln bei Konferenz
APA/AFP/Michaela Rehle
München

Sicherheitskonferenz in der Zeitenwende

Einmal im Jahr zur Münchner Sicherheitskonferenz verwandelt sich die bayrische Landeshauptstadt zur Hochsicherheitszone. Das ist heuer noch mehr der Fall, findet die Konferenz doch während eines Krieges in Europa statt. Dieser ist freilich auch eines der Hauptthemen auf der Konferenz. Man erhofft sich ein „Signal der Geschlossenheit“ in München.

Von Freitag bis Sonntag wollen wieder Spitzenpolitikerinnen und -politiker, Diplomaten, Fachleute und NGOs über die internationale Ordnung und die Herausforderungen für die Sicherheit debattieren. Die Gäste sind höchstrangig, so wurden rund ein Drittel des US-Senats, US-Vizepräsidentin Kamala Harris, US-Außenminister Antony Blinken und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron erwartet.

Besonderes Augenmerk lag auch auf dem Besuch des Chefs der außenpolitischen Kommission im chinesischen Politbüro, Wang Yi. Er gilt als höchster chinesischer Außenpolitiker, daher wird seine geplante programmatische Rede mit Spannung erwartet. Aus Österreich kommen Außenminister Alexander Schallenberg und Europaministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP).

Streik und Demos

Vorausgesetzt freilich, alle Teilnehmenden erreichen das Luxushotel Bayerischer Hof. Denn am Freitag wurde ein Warnstreik an sieben deutsche Flughäfen abgehalten. Von der Aussetzung des normalen Passagierbetriebs in München waren Flüge für die Sicherheitskonferenz an und für sich ausgenommen.

Sicherheitskonferenz in München

Am Freitag findet in München die Sicherheitskonferenz statt. 40 Staats– und Regierungschefs versammeln sich und machen die politischen und militärischen Konsequenzen des Krieges zum Hauptthema. Erstmals seit 20 Jahren ist die russische Führung nicht eingeladen.

Eine erschwerte Anreise wurde dennoch erwartet. Dazu kommen noch mehrere geplante Demos in München. 4.500 Polizeikräfte und noch rund 300 Soldatinnen und Soldaten – weit mehr als voriges Jahr – sind im Einsatz, damit die Konferenz über die Bühne gehen kann.

Leitender Debütant

Die Konferenz wird erstmals von ihrem neuen Vorsitzenden Christoph Heusgen geleitet. Heusgen war außenpolitischer Berater der früheren deutschen Kanzlerin Angela Merkel und Botschafter bei der UNO.

Christoph Heusgen
Reuters/Annegret Hilse
Christoph Heusgen

Sein langjähriger Vorgänger Wolfgang Ischinger leitete im vergangenen Jahr das Treffen letztmalig. Damals sagte der deutsche Kanzler Olaf Scholz: „In Europa droht wieder ein Krieg.“ Nur vier Tage nach dem Treffen 2022 fiel Russland in die Ukraine ein. Nun soll die Konferenz Gelegenheit bieten „zur Bestandsaufnahme des Zusammenhaltes innerhalb der Allianz“, wie es heißt. Das Motto lautet heuer „Zeitenwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik“. „Wir erhoffen uns ein Signal der Geschlossenheit der transatlantischen Gemeinschaft“, so Heusgen.

Vorrangiges Thema wird freilich der Krieg in der Ukraine sein. Vertreter des Kreml sind heuer in München unerwünscht. Russland wird von der Opposition repräsentiert. Der frühere Oligarch Michail Chodorkowski stellt sein Buch „Wie man einen Drachen tötet“ vor. Am Samstagabend sitzt er zusammen mit dem ehemaligen Schachweltmeister Garri Kasparow auf der Bühne.

Selenskyj fordert Tempo ein

„Wir sind konfrontiert mit einem Zivilisationsbruch“, sagte Heusgen im Vorfeld über den Krieg. Darauf müsse man reagieren. Aus Kiew wird hingegen eine große Parlamentsdelegation des Parlaments anreisen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eröffnete am Freitagnachmittag zudem die Konferenz per Videoansprache. Dabei rief er die westlichen Verbündeten dazu auf, die Hilfe zu beschleunigen.

„Wir müssen uns beeilen, wir brauchen Tempo.“ Es gebe „keine Alternative“ zu einem Sieg der Ukraine, sagte Selenskyj. Auch gebe es „keine Alternative, dass die Ukraine Teil der EU wird. Es gibt keine Alternative dazu, dass die Ukraine Teil der NATO wird“, sagte Selenskyj weiter. Die Ukraine könne Russland besiegen, so Selenskyj: „Goliath wird auf jeden Fall dieses Jahr fallen. Wir können es schaffen.“

Scholz: „Nicht unsere Waffenlieferungen verlängern Krieg“

Bei der Sicherheitskonferenz werden jedenfalls mögliche weitere Lieferungen von Waffen, auch von Kampfjets, debattiert werden. Traditionell bieten die Hinterzimmer im Bayerischen Hof Gelegenheit für bilaterale Gespräche. Deutschland dürfte dabei zur Sprache bringen, dass manche Länder zunächst starken Druck ausgeübt haben, um Panzerlieferungen zu ermöglichen, und nun selbst säumig sind. Er werde nun in München „intensiv“ dafür werben, „dass alle, die solche Kampfpanzer liefern können, dies nun auch wirklich tun“, sagte Scholz zum Auftakt des Treffens.

Sicherheitskonferenz in München eröffnet

Überschattet vom Ukraine-Krieg wurde in München die diesjährige Sicherheitskonferenz eröffnet. Von 17. bis 19. Februar wollen wieder Spitzenpolitikerinnen und -politiker, Diplomaten, Fachleute und NGOs über die internationale Ordnung und die Herausforderungen für die Sicherheit debattieren. Russlands Führung ist erstmals seit mehr als zwanzig Jahren nicht eingeladen.

„Nicht unsere Waffenlieferungen sind es, die den Krieg verlängern. Das Gegenteil ist richtig“, so Scholz. „Je früher Präsident Putin einsieht, dass er sein imperialistisches Ziel nicht erreicht, desto größer ist die Chance auf ein baldiges Kriegsende, auf Rückzug russischer Eroberungstruppen.“

Auch Macron drängte auf schnelle Waffenlieferungen. „Der russische Angriff muss scheitern“, sagte Macron. Dazu sei eine dauerhafte Unterstützung der Ukraine erforderlich. Die ukrainischen Streitkräfte müssten in die Lage versetzt werden, eine Gegenoffensive zu starten. Für einen Dialog mit Russland sei nicht die Zeit, Verhandlungen könnten nur unter Bedingungen stattfinden, welche „die Ukraine wählt“. Macron rief die europäischen Länder auch zu kräftigen Investitionen bei der Verteidigung auf. „Wenn wir Europäer den Frieden wollen, müssen wir uns die Mittel dazu geben.“ Er hoffe, dass noch vor dem Sommer ein ambitioniertes gemeinsames Investitionsprogramm verabschiedet werde.

Schallenberg: „Wir leisten unglaublich viel“

Außenminister Alexander Schallenberg und Europaministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP) sehen Österreich mit seinem Festhalten an der militärischen Neutralität im Ukraine-Krieg nicht unter Druck. „Ich habe nie Anfragen bekommen, wir sollen Waffen liefern“, sagte Schallenberg am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). „Es wird anerkannt, dass wir unglaublich viel leisten in anderen Bereichen“, ergänzte Edtstadler mit Blick auf die humanitäre Hilfe.

Die Europaministerin berichtete diesbezüglich von ihrem kürzlichen Besuch in Kiew, bei dem es nach einem russischen Raketenangriff einen Feuerwehreinsatz gegeben habe. „Der Feuerwehrmann trug eine Schutzausrüstung aus Graz.“ Schallenberg wies darauf hin, dass Österreich gemessen an seiner Wirtschaftsleistung an erster Stelle stehe, was die humanitäre Hilfe für die Ukraine betreffe. Auch fahre Österreich in dem Konflikt „scharf an der Kante (dessen), was neutralitätsrechtlich möglich ist“.

Der Außenminister ließ auch mit positiven Tönen in Richtung des deutschen Bundeskanzlers Scholz aufhorchen, der innenpolitisch heftig für sein vermeintliches Zaudern bei der militärischen Unterstützung der Ukraine kritisiert wird. „Ich bin froh, dass die Führer dieser Staaten, die liefern, es sich nicht leicht machen, sondern sehr sichtbar ringen für die richtige Entscheidung, die auch Zeit braucht.“

Nach der Ballonaffäre

Diskussionen sind auch zwischen den USA und China programmiert, nachdem es zuletzt diplomatische Spannungen rund um chinesische Spionageballons gab. In München könnte es nun zu einem informellen Treffen des chinesischen Spitzendiplomaten Wang mit Blinken kommen. Wang soll zudem europäische Spitzenpolitiker treffen, darunter Scholz und auch Schallenberg. Edtstadler wiederum wird in München unter anderem mit der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja zusammentreffen.

Globaler Süden im Fokus

Bei der Sicherheitskonferenz soll auch der jährlich erscheinende „Munich Security Report“ vorgestellt werden, er widmet sich heuer dem zunehmendem Revisionismus autoritärer Staaten und soll eine Debatte darüber anregen, „wie es gelingen kann, die Koalition der Staaten zu vergrößern, die die liberale, regelbasierte Ordnung bereit sind zu verteidigen“.

Außerdem gibt es ein Novum auf der Agenda: Das Hauptprogramm am Samstag in der Früh sollen Vertreterinnen und Vertreter des Globalen Südens bestreiten. Dabei soll es etwa um die Energiewende gehen, aber auch den Blick dieser Länder auf den russischen Krieg gegen die Ukraine.