Zwei Menschen auf einer schneebedeckten Straße in Bachmut
AP/Libkos
Angriffe auf Ostukraine

Kiew ruft zu Flucht aus Bachmut auf

Angesichts der schweren Kämpfe in der ostukrainischen Stadt Bachmut hat die Regierung die Einwohnerinnen und Einwohner am Freitag zur Flucht aufgefordert. Die Stadt steht praktisch unter russischem Dauerbeschuss. Von den einst 70.000 Einwohnern dürften sich nur noch wenige tausend in der Stadt befinden.

„Wenn Sie zurechnungsfähige, gesetzestreue und patriotische Bürger sind, sollten Sie sofort die Stadt verlassen“, appellierte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk am Freitag auf Telegram an die wenigen Verbliebenen. Der Regierung zufolge wurden zuvor fünf Zivilisten getötet und neun verletzt.

Die russischen Truppen versuchen seit Monaten, Bachmut einzunehmen. Nach Wereschtschuks Angaben sind noch gut 6.000 Zivilisten und Zivilistinnen in der Stadt. Der Militärgouverneur von Donezk, Pawlo Kyrylenko, hatte die Zahl Anfang der Woche nur noch mit knapp 5.000 beziffert.

Zwei Menschen ziehen einen Schlitten mit Wasserkanister auf einer schneebedeckten Straße in Bachmut
AP/Libkos
Nur wenige tausend Menschen sind noch in Bachmut

Die Behörden hatten damals den Zugang für Zivilisten weiter beschränkt, was zu Spekulationen führte, dass ein geordneter Rückzug vorbereitet werde. Viele ältere Menschen harren in Bachmut aus, weil ihre Wohnung oder ihr Haus ihren einzigen Besitz darstellt und sie ihren Geburtsort nicht verlassen wollen. Manche sympathisieren auch mit Russland.

Langandauernde Abnutzungsschlacht

US-Generalstabschef Mark Milley bezeichnete den Kampf um die Region Bachmut zuletzt als „eine sehr große Abnutzungsschlacht mit sehr hohen Verlusten, insbesondere auf russischer Seite“. Obwohl der Kampf um Bachmut lediglich von russischer Seite symbolisch hochgehalten wird, hatten auch die Ukrainer ihre Truppen dort verstärkt.

Ukrainische Soldaten beschießen eine russische Stellung in Bachmut
APA/AFP/Yasuyoshi Chiba
Die Situation in der Ostukraine, hier ukrainisches Militär in Bachmut, hat sich weiter verschärft

Eine Erklärung lieferte zuletzt Mark Cancian von der US-Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS): „Das ist ein klassisches Problem wie im Ersten Weltkrieg. Wenn die Russen dort angreifen, haben die Ukrainer keine andere Wahl, als die Stadt zu verteidigen.“ Und das, obwohl ein Sieg „in militärischer und strategischer Hinsicht nichts bedeuten würde“.

Russland verstärkt Angriffe in Ostukraine

Russland verstärkte ukrainischen Angaben zufolge seine Angriffe in der Ostukraine. „Heute ist es überall ziemlich schwierig, denn die Zahl der Angriffe hat deutlich zugenommen“, sagte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters im Fernsehen. Auch der Beschuss habe stark zugenommen, auch durch die russischen Luftstreitkräfte. „Es gibt ständige Versuche, unsere Verteidigungslinien zu durchbrechen“, sagte er über die Kämpfe in der Nähe der Stadt Kreminna nördlich von Bachmut.

Grafik zum Frontverlauf iim Ukraine-Krieg
Grafik: APA/ORF; Quelle: ISW/Le Monde

Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in seiner nächtlichen Videoansprache gesagt, seine Priorität sei es, die russischen Angriffe abzuwehren und sich auf eine mögliche eigene Gegenoffensive vorzubereiten. Gegenüber der BBC erteilte Selenskyj Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin erneut eine Absage. Es gebe „kein Vertrauen“. Er bat erneut um Waffen aus dem Westen. „Waffen sind die einzige Sprache, welche die Russische Föderation versteht.“ In einem Gespräch mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte sagte er, es dürfe bei Waffenlieferungen an die Ukraine keine Tabus geben.

Vor einem Abzug russischer Truppen werde es keine Verhandlungen geben, erklärte Mychailo Podoljak, der Berater des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, die Bedingungen seines Landes auf Twitter. „Zur Entkriminalisierung der Weltpolitik und echter globaler Sicherheit muss der Krieg mit dem Sieg der Ukraine enden“, so Podoljak. „Die Verhandlungen können beginnen, wenn Russland seine Truppen vom Territorium der Ukraine abzieht. Andere Optionen geben Russland nur Zeit, seine Streitkräfte neu zu gruppieren und die Feindseligkeiten jederzeit wieder aufzunehmen.“

Moskau baut Militärführung weiter um

Russland ernannte unterdessen der Nachrichtenplattform RBC zufolge Generalleutnant Andrej Mordwitschew zum neuen Kommandeur des Militärbezirks Mitte. Er ersetzt Generaloberst Alexander Lapin, der im vergangenen Monat zum Stabschef der russischen Bodentruppen ernannt wurde. Mordwitschews Ernennung fügt sich in eine ganze Reihe tiefgreifender Veränderungen in der Führung des russischen Militärs während des Ukraine-Krieges. RBC zufolge führte Mordwitschew die russischen Einheiten bei der Offensive in der südukrainischen Hafenstadt Mariupol.