Berlinale: Sean Penn „zufrieden als Propagandist“

Just am 24. Februar 2022, dem Tag des russischen Angriffs auf Kiew, fand das erste Gespräch zwischen Sean Penn und dem Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, vor Filmkameras statt. Nun, fast ein Jahr später, ist die Doku „Superpower“ fertig und feierte bei der Berlinale Premiere. Im Film drückt Penn seine uneingeschränkte Bewunderung für Selenskyj aus: „Manchmal triffst du Menschen, die genau deine Hoffnung verkörpern“, sagt er über den ukrainischen Präsidenten.

Sean Penn bei einer PK
APA/AFP/Stefanie Loos

„Wir haben damit begonnen, dass Selenskyj uns fasziniert hat, aber niemand von uns konnte vorhersehen, was aus ihm für eine Person werden würde“, so Penns Koregisseur Aaron Kaufman am Samstag über das Projekt, das sich im Laufe seiner Fertigstellung radikal gewandelt hat. Die ursprüngliche Idee, eine Doku über Selenskyj zu machen, den Komödienschauspieler, der zum Präsidenten wurde, war aus dem Jahr 2019. Dass „Superpower“ schließlich vom Krieg handeln würde, konnte damals niemand wissen.

Das „geringere Übel“

Im Film dauert es mehr als eine Stunde, bis Penn zum ersten Mal persönlich auf Selenskyj trifft. Bis dahin wird der Kontext vorgestellt, zum Euromaidan, zur Ukraine als jungem Staat, der sich Richtung Westen orientiert, zu Selenskyj als Komiker, der vor allem in Russland beliebt war und dem bei der Präsidentschaftswahl viele Befragte ihre Stimme nur als „geringeres Übel“ gaben. Penn befragt ukrainische Journalistinnen, den amerikanischen Botschafter, Sicherheitsexperten und Aktivistinnen, das Filmteam besucht eine Militärschule, lässt Soldatinnen und Soldaten zu Wort kommen.

Vieles davon wurde noch vor Beginn der Invasion gefilmt, doch nicht wenige von ihnen haben Familie in Donezk oder auf der Krim. Einer der spannendsten Aspekte ist, wie der Film seine eigenen Entstehungsumstände miterzählt, den außergewöhnlichen Zufall, am ersten Tag des Überfalls auf die Ukraine praktisch dabeigewesen zu sein. Dass Selenskyj sich an diesem ersten Tag entscheidet, das Interview mit Penn trotzdem zu führen, verdeutlicht, wie sehr es von Beginn an auch ein Krieg in den Medien und um Aufmerksamkeit ist – und wie dieser Film Teil davon ist.

Volodomir Selenski und Sean Penn
THE PEOPLE’S SERVANT, LLC

Auch das erzählt „Superpower“ mit. Und so ist die Hemingway-Kriegsreporterromantik vielleicht ironisch zu verstehen, wenn Penn kettenrauchend und mit Drink in der Hand Videocalls absolviert, während draußen die ersten fernen Detonationen zu hören sind. Etwas weniger Penn hätte dem Film durchaus gutgetan, speziell seine Interviews mit dem Präsidenten sind in ihrer Begeisterung für die Persönlichkeit Selenskyj fast unangenehm.

Huckepack in Schützengraben

Penns Popularität ist auch der Grund, weshalb dieser Film so viel mehr Aufmerksamkeit bekommt als andere Dokumentarfilme über die Ukraine, und das ist auch das Ziel: Penn nimmt sein Publikum gewissermaßen huckepack in den Bunker, in den Schützengraben, in zerbombte Wohnhäuser und, womöglich heldenhafter Höhepunkt, bis ins Fox-News-Fernsehstudio, um ganz konkret um Unterstützung für die Ukraine zu werben.

„Das ist kein unparteiischer Film, weil das auch kein uneindeutiger Krieg ist“, so Penn in Berlin. „Wir zeigen die Realität der absoluten Einigkeit der Ukraine, bei ihrem Streben nach den Dingen, die das Leben lebenswert machen, und wenn uns das gelingt, bin ich zufrieden, als Propagandist zu gelten. Dieser Film ist unmissverständlich parteiisch, denn das war die Wahrheit, die wir vorgefunden haben.“ „Superpower“ wurde von VICE produziert und hat bislang noch keinen Vertrieb.