ORF Radio-Symphonieorchester Wien
ORF/Milenko Badzic
Sparpaket

Scharfe Kritik an möglichem Aus für RSO

Das Radio-Symphonieorchester Wien (RSO) hat sich über Jahrzehnte zu einer fixen Größe in der heimischen Kulturlandschaft entwickelt. Dass es wegen der Sparpläne eingestellt werden könnte, führte zu scharfer Kritik von Kulturschaffenden.

Die Ursprünge des RSO gehen auf die Nachkriegszeit zurück. Bereits 1945 wurde für die Radioverkehrsaktiengesellschaft (RAVAG) ein erstes kleines Orchester zusammengestellt. Gut zwei Jahrzehnte wurde das Wiener Funkorchester, das sich dann zum Großen Wiener Rundfunkorchester wandelte, von Max Schönherr dirigiert. Der nächste Namenswechsel erfolgte in dieser Zeit in Richtung Großes Orchester des Österreichischen Rundfunks, bevor dann 1969 das ORF-Symphonieorchester aus der Namenstaufe gehoben wurde. Sein erstes Konzert im Großen Sendesaal fand am 19. September 1969 statt.

Heute lautet der offizielle Name ORF Radio-Symphonieorchester Wien. Inzwischen ist es längst als fixe Größe etabliert, sein Markenzeichen ist sein zeitgenössisches Repertoire, oft kombiniert mit dem klassischen Kanon.

Das RSO spielt Abonnementzyklen im Musikverein und Konzerthaus. Überdies ist man regelmäßig bei den Salzburger Festspielen, Wien Modern und dem Musikprotokoll im steirischen herbst zu hören. Eine Erweiterung des Profils erfolgte 2007, als man die regelmäßige Zusammenarbeit mit dem Theater an der Wien begann und sich eine Identität als Opernorchester aufbaute. Für dieses Profil zeichneten seit 1969 acht Chefdirigenten verantwortlich, darunter Dennis Russell Davies, Bertrand de Billy oder Cornelius Meister. Seit 2019 steht die US-Amerikanerin Marin Alsop als erste Frau an der Spitze des Orchesters. Die künstlerische Verantwortung des RSO trägt Angelika Möser.

Existenz steht infrage

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann stellte am Montag dem Finanzausschuss des Stiftungsrats die Sparpläne für das Medienhaus vor. „Das RSO ist ein wesentlicher Faktor, ein wirklich tolles Orchester. Wir werden jede Maßnahme unterstützen, damit es in Zukunft weitergeführt werden kann“, so Weißmann. Doch könne der ORF die Finanzierung des RSO „mit Stand heute“ nicht stemmen. Somit ist die Existenz akut bedroht.

Möser sagte der APA am Montag: „Es ist noch keine Entscheidung gefallen.“ Bis zum 23. März, der Zusammenkunft des ORF-Stiftungsrates, wolle sie nun um den Fortbestand kämpfen. „Ich fände es grundfalsch, wenn das Orchester eingestellt würde“, so Möser. In Europa habe praktisch jedes Land zumindest ein Radio-Symphonieorchester. „Wenn man im Musikland Österreich meint, auf das ORF Radio-Symphonieorchester verzichten zu können, dann wäre das ein fatales Signal für die gesamte europäische Musiklandschaft.“

Sie sehe jetzt vor allem das Kunst- und Kulturministerium gefordert, sich klar zu einem Fortbestand des RSO zu bekennen. „Die Regierung hat das Heft des Handelns hier in der Hand.“ Schließlich sei das RSO ein wesentlicher Baustein, der helfe, den Kulturauftrag des ORF zu erfüllen. Das kulturelle Erbe des Landes allgemein und zahllose zeitgenössische Musikschaffende im Speziellen würden ohne das ORF Radio-Symphonieorchester Wien ihre künstlerische Plattform verlieren. Nicht zuletzt sei man ein wesentlicher Lieferant von Content für den ORF.

Philharmoniker, Symphoniker entsetzt

Möser und dem RSO sprangen etliche Vertreterinnen und Vertreter aus der heimischen Kulturszene bei: „Das RSO stellt für Österreich und auch weit über die Grenzen des Landes hinaus ein unersetzbares und wichtiges Kulturgut dar, das das Musikleben weltweit seit seinen Anfängen maßgeblich geprägt hat“, hieß es in einem Statement der Wiener Philharmoniker. Ein einzigartiger Schwerpunkt sei die Hinwendung zu Neuer Musik, „wie kaum ein anderes österreichisches Orchester hat es so viel zeitgenössische Musik aufgeführt. Das Fehlen des RSO in der vielfältigen Musiklandschaft Österreichs würde eine große Lücke aufreißen.“

Vor einem Schlag für die zeitgenössische Musik warnte auch Jan Nast, Intendant der Wiener Symphoniker: „Das RSO ist mit der Pflege der zeitgenössischen Musik in der Programmatik der Stadt fest verankert.“ Das RSO könne sich in dieser Position ungeschützter auf dem Markt bewegen als die Philharmoniker oder Symphoniker, die stärker darauf achten müssten, für ihre eigene Institution oder die Konzerthäuser Einnahmen zu generieren. „Ein Aus für das RSO wäre ein Bruch in der Welthauptstadt der Musik.“

„Barbarischer Akt“

Auch Stefan Herheim, Intendant des Theaters an der Wien, sprang dem RSO zur Seite: „Ein Ende des Orchesters würde das MusikTheater an der Wien künstlerisch und finanziell in ernsthafte Schwierigkeiten bringen und wäre ein kulturpolitisch fatales Signal in einem Land, dessen weltweit anerkanntes, kulturelles Erbe von Institutionen wie der unseren getragen und erhalten wird.“

Matthias Naske, Intendant des Wiener Konzerthauses, fand der APA gegenüber deutliche Worte: „Die Schließung des RSO Wien wäre ein barbarischer Akt.“ Es gehe um mehr als das Schicksal der Orchestermusikerinnen und -musiker, seiner bedeutenden Chefdirigentin und zahlreicher damit verbundenen Fachleute hinaus. „Die Umsetzung dieses Vorhabens verletzt die kulturelle Identität dieses Landes und macht Österreich deutlich ärmer.“

Auch Stephan Pauly, Intendant des Wiener Musikvereins, warnte vor einem irreparablen Einschnitt in das österreichische Musikleben, sei das RSO doch ein unverzichtbarer Bestandteil des Kulturlandes Österreich. „Ohne das ORF RSO Wien wäre die jüngere Musikgeschichte anders verlaufen, es ist nicht vorstellbar, wie sie ohne diesen immens wichtigen Klangkörper weitergehen sollte“, betonte Pauly, der an die Verantwortlichen appellierte, eine Lösung zu finden.

Faktor Frauenanteil

Ins selbe Horn stieß Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) in einer Stellungnahme: Das RSO sei „eine tragende Säule des österreichischen und Wiener Musiklebens und muss als solche weiter bestehen. Das RSO ist aus der Musikstadt Wien nicht wegzudenken.“ Nicht zuletzt sei das Orchester ein Botschafter der Wiener Klangkultur in der Welt, erinnerte Kaup-Hasler an den Kulturauftrag des ORF.

Ulrike Sych, Rektorin der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw), nannte das RSO „eines der bedeutendsten Orchester dieses Landes, dessen Verdienste insbesondere auch für die Neue Musik und Uraufführungen neuer Werke unersetzlich sind“.

Die IG Freie Theaterarbeit verwies in ihrer Stellungnahme auf die besondere Rolle des RSO in der Beschäftigung von Frauen, liege man hier doch bei über 40 Prozent Musikerinnen. „Die geplanten Einsparungen werden in Folge auch zu einer Reduzierung des Frauenanteils im ORF führen“, heißt es. Auch die Funktion des RSO als Auftraggeber für Komponisten und Komponistinnen sei einzigartig.