Ärztin
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Verwaiste Praxen

ÖGK stellt selbst Ärzte an

Lange Schlangen vor der letzten Arztpraxis der Region – solche Bilder haben kürzlich für viel Kritik gesorgt. Eigentlich sei die Versorgung sehr gut, meint die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK). Doch wo lange die Kassenarztpraxis leer steht, sollen bald Medizinerinnen und Mediziner auch stundenweise einspringen können. Vorerst sollen über das Pilotprojekt „Ärztebereitstellungsgesellschaft“ neun Standorte in Wien und Niederösterreich bedient werden.

Die Zahl der Kassenverträge sinkt, die Zahl der Wahlarztpraxen steigt hingegen weiter. Das Projekt, das dem Problem neben anderen Maßnahmen beikommen soll, wurde am Dienstag im Verwaltungsrat der ÖGK beschlossen. Ärztinnen und Ärzte sollen stundenweise in der Betreuung von länger nicht nachbesetzten Standorten eingesetzt werden, wie die ÖGK am Mittwoch bekanntgab. Sie werden dafür angestellt und bekommen einen Stundenlohn bezahlt.

Insgesamt werden neun Stellen über die Ärztebereitstellungsgesellschaft versorgt, sechs davon in Wien (drei Kinderarztpraxen, drei für Allgemeinmedizin). In Niederösterreich sind es zwei Allgemein- und eine Kinderarztordination.

ÖGK stellt Kassenärzte an

In Österreich fehlen vor allem Haus- und Kinderärzte. Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) stellt nun Ärztinnen und Ärzte zur Besetzung verwaister Kassenordinationen in Wien und Niederösterreich an.

110 Euro Stundenlohn

Der Stundenlohn ist aus ÖGK-Sicht mit 110 Euro attraktiv. Am 1. Oktober 2023 steigt er auf 115 Euro, am 1. Oktober 2024 auf 120 Euro und am 1. Oktober 2025 auf 125 Euro. Das orientiere sich am Durchschnittshonorar eines Allgemeinmediziners, hieß es auf APA-Anfrage.

Unabhängig von Alter, Wohnort oder Einkommen solle jeder und jede die Behandlung erhalten, die notwendig sei, wurde seitens der Kasse erklärt. Um das weiterhin zu gewährleisten, seien innovative Konzepte notwendig. Insgesamt sei die allgemeinmedizinische Versorgung in Österreich sehr gut, 97 Prozent aller Planstellen seien besetzt.

Ärzte müssen sich nicht binden

Der Vorteil für die Ärztinnen und Ärzte bei der Bereitstellungsgesellschaft sei, dass sie sich an keinen Standort binden müssten und es ihnen ermöglicht werde, ohne unternehmerisches Risiko als Kassenarzt tätig zu sein. Auf diese Weise könne die ÖGK Mediziner im Bereich der Allgemeinmedizin und Kinderheilkunde gewinnen, die bisher nicht für das Kassensystem verfügbar gewesen seien. Die Ärztebereitstellungsgesellschaft arbeitet laut ÖGK in Zusammenarbeit mit den Ärztekammern für Wien und Niederösterreich unter Einbeziehung der betreffenden Bundesländer.

Die Arbeitgeberseite begrüßte das Pilotprojekt: „Damit können wir einen weiteren Schritt zur besseren ärztlichen Versorgung unserer Versicherten setzen“, so Moritz Mitterer (ÖVP-Wirtschaftsbund), Vorsitzender der Dienstgeberkurie in der ÖGK-Hauptversammlung. Für Patientinnen und Patienten sei kein Unterschied zu einer Vertragsarztpraxis bemerkbar, sagte er.

Stipendien für Studierende

Die ÖGK verwies am Mittwoch darauf, dass man bereits mehrere Maßnahmen initiiert hat, um dem Mangel an verfügbaren Kassenärzten zu begegnen. Dazu zähle auch ein Stipendium, mit dem ab dem Sommersemester 50 Medizinstudierende für maximal dreieinhalb Jahre monatlich 923 Euro erhalten, wenn sie nach dem Studium für mindestens fünf Jahre einen Kassenvertrag in einer Bedarfsregion übernehmen.

Interessierte müssen an einer österreichischen Universität studieren und mindestens im dritten Studienjahr sein. Ausnahme ist die Sigmund Freud Privatuniversität, der zuletzt die Akkreditierung für ihr Masterstudium entzogen wurde. Außerdem müssen Interessierte einen entsprechenden Studienerfolg vorweisen. Die Förderung muss zurückgezahlt werden, wenn der Studienerfolg ausbleibt, die Ausbildung nicht abgeschlossen bzw. die kassenärztliche Tätigkeit nicht rechtzeitig aufgenommen oder nicht lang genug ausgeübt wird.

Hoffnung auf Verbleib

So soll jungen Menschen ein Kassenvertrag schmackhaft gemacht werden, wie Bernhard Wurzer, Generaldirektor der ÖGK, am Montag dem Ö1-Radio sagte. Ziel sei, „dass junge Ärztinnen und Ärzte, wenn sie fünf Jahre im Kassenvertrag sind, dann in diesem Kassenvertrag auch bleiben wollen. Deswegen diese Mindestdauer von fünf Jahren. Und wenn sie einmal fünf Jahre drinnen sind, dann sind wir davon überzeugt, dass sie auch länger den Vertrag haben wollen“, so Wurzer.

Welche Standorte als Bedarfsregionen definiert würden, sei nicht einfach zu bestimmen. Inzwischen gebe es auch in Großstädten wie Wien „Regionen, wo es schwerer ist, Kassenplätze zu bekommen“, so Wurzer.

Jury entscheidet

60 Personen – 30 Frauen und 30 Männer – bewarben sich bereits für die 50 verfügbaren Plätze, so die für die Abwicklung zuständige Agentur für Bildung und Internationalisierung (OeAD) zur APA. Wer zum Zug kommt, entscheidet nun eine Jury.

Bei der Auswahl sind u. a. die Motivation, soziales Engagement (z. B. bei Rettungs- und Hilfsorganisationen bzw. im Pflege- und Sozialbereich) und bisheriger Studienerfolg entscheidend. Voraussichtlich im März sollen die Bewerberinnen und Bewerber über die Entscheidung informiert werden. Einen Rechtsanspruch auf die Gewährung gibt es nicht. Ob es eine weitere Bewerbungsrunde geben wird, ist laut OeAD noch offen.