Logo der OSZE an der Wiener Hofburg
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Streit in Wien

OSZE-Treffen mit heiklen Vorzeichen

Die Treffen der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stehen im Normalfall kaum im Fokus der Öffentlichkeit. Bei der am Donnerstag beginnenden Tagung in Wien ist das anders: Wochenlang wurde gestritten, ob Österreich die russischen Delegierten teilnehmen lassen soll. Die Regierung sah sich zur Ausstellung von Visa verpflichtet – nun boykottieren die Ukraine und Litauen das Treffen.

Mit den beiden Ländern wären es 323 Delegierte aus den 57 Mitgliedsstaaten, die an der Tagung in Wien teilnehmen, die ausgerechnet am Jahrestag des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine stattfindet. Die 1995 gegründete OSZE ist die größte regionale Sicherheitsorganisation der Welt.

Der ukrainische Delegationsleiter Mykyta Poturajew befürchtet, dass die russische Delegation die Veranstaltung zur „Rechtfertigung der Aggression gegen die Ukraine“ sowie zur „Schönfärberei von an Ukrainern verübten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verwenden werde. Die ukrainischen Abgeordneten werden zwar nicht an der offiziellen Versammlung in der Hofburg teilnehmen. Sie fahren aber nach Wien und wollen mit Partnern beraten, wie die OSZE aus ihrer Krise herauskommen könnte.

Appell an Österreich

Doch nicht nur der Ukraine missfällt die Anwesenheit der russischen Delegation. 81 Abgeordnete aus 20 Ländern hatten Anfang Februar Österreich aufgefordert, die Teilnahme der russischen Delegation an der OSZE-Tagung in Wien zu verhindern.

Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus Polen, Litauen, Belgien, Kanada, Tschechien, Dänemark, Estland, Frankreich, Georgien, Deutschland, Island, Lettland, den Niederlanden, Norwegen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Schweden, der Ukraine und Großbritannien unterzeichneten das Schreiben. Litauen hat dem Vernehmen nach außerdem eine Verschiebung der Veranstaltung in den März beantragt. Die litauische Delegation will der Versammlung fernbleiben, hat das laut einem Pressesprecher der Versammlung aber nicht offiziell mitgeteilt.

Präsidentin verspricht Kritik an Russland

All dieser Bedenken zum Trotz findet die Tagung wie geplant statt. Die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung (PV), Margareta Cederfelt, erklärte zwar mit „den Bedenken in Bezug auf eine Teilnahme an der Wintertagung angesichts des laufenden groß angelegten und von Russland geführten Kriegs in der Ukraine“ zu sympathisieren. Die schwedische Konservative argumentierte aber, dass die russischen Delegierten dabei „stundenlang verbale Verurteilungen ihrer Handlungen ertragen“ werden müssen. Die Sitzung werde zeigen, „wie isoliert Moskau tatsächlich ist“. Auch eine Verschiebung kommt für Cederfelt nicht infrage.

Einreise als „völkerrechtliche Verpflichtung“

Für die österreichische Diplomatie ist die Angelegenheit ebenfalls heikel. Das Außenministerium verweist auf das OSZE-Amtssitzabkommen. Dieses verpflichte Österreich, dafür zu sorgen, dass Mitglieder von Delegationen von OSZE-Teilnehmerstaaten bei ihren Reisen zum und vom Amtssitz der OSZE nicht behindert werden. „Das bedeutet eine klare völkerrechtliche Verpflichtung, die Einreise der Delegierten zu gestatten“, präzisierte ein Sprecher des Außenamts.

Auch die OSZE bestätigte das. Das Amtssitzabkommen verlange von Österreich, den teilnehmenden Delegationen die Einreise zu erleichtern, „was bedeutet, dass das Ausstellen von Visa keine Ermessensfrage, sondern eine Frage der rechtlichen Verpflichtung ist“, teilte die Versammlung mit.

Visa nur für OSZE-Tagung gültig

Die Russische Föderation hat nach Angaben des Innenministeriums neun Personen als Delegation für die OSZE-Wintertagung eingemeldet. „Die ausgestellten Visa erlauben lediglich die Teilnahme an der OSZE-Versammlung. Bei Missbrauch wird das Visum aufgehoben“, teilte ein Ministeriumssprecher der APA mit. Der Besuch anderer Veranstaltungen, wie etwa des freiheitlichen Akademikerballs, wäre demnach nicht erlaubt. Und es ist nach Angaben der Russen auch nicht vorgesehen. Sie würden lediglich auf der Tagung „arbeiten. Andere Events, Bälle, Empfänge und so weiter planen wir nicht“, sagte Delegationsleiter Pjotr Tolstoj gegenüber der APA.

Die Parlamentarierdelegation werde auch nicht an einer Zeremonie anlässlich des „Tags der Vaterlandsverteidiger“ auf dem Wiener Schwarzenbergplatz teilnehmen, versicherte am Mittwoch ein Sprecher der russischen Botschaft. Die diplomatischen Vertretungen Russlands würden am 23. Februar jedoch für die Delegation einen Kranz vor dem Heldendenkmal der Roten Armee niederlegen, erläuterte er.

Sechs Teilnehmer auf EU-Sanktionslisten

Tolstoj selbst bestätigte am Mittwoch der APA den Erhalt der österreichischen Visa. Die Delegation werde am Donnerstag nach Wien kommen, Direktflüge aus Moskau gebe es nicht, erklärte der Vizepräsident der russischen Staatsduma.

Laut einer Sprecherin des österreichischen Außenministeriums wurden in Moskau für die Delegation von den neun Visa sechs für Personen ausgestellt, die sich auf Sanktionslisten der Europäischen Union befinden und deshalb nur in raren Ausnahmefällen die Möglichkeit haben, in EU-Länder einzureisen.

Streaming statt Journalistenzugang

Für Kritik sorgte außerdem, dass die OSZE keine Journalistinnen und Journalisten zur Veranstaltung in die Hofburg lässt. „Diese Entscheidung wurde aus logistischen und sicherheitstechnischen Gründen getroffen“, erklärte die PV auf Anfrage. PV-Pressesprecher Nat Parry kündigte eine Liveübertragung des Treffens auf YouTube und Facebook an.

„Wir sind der Meinung, dass die Livestreamingoption für Transparenz sorgt.“ Journalistenvereinigungen kritisierten den Ausschluss der Medien. Die Vereinigung der Europajournalistinnen und -journalisten (AEJ) und der Verband der Auslandspresse in Wien warnten in einem Schreiben an die OSZE, die Entscheidung könne „die Freiheit der unabhängigen Berichterstattung stark beeinträchtigen“.

Ukraine-Krieg als zentrales Thema

Die Generaldebatte der Wintertagung steht unter dem Motto „Ein Jahr danach: Russlands fortgesetzter Krieg gegen die Ukraine“. Geplant sind am Donnerstag Reden von Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP), PV-Präsidentin Cederfelt, dem amtierenden OSZE-Vorsitzenden, dem nordmazedonischen Außenminister Bujar Osmani, sowie von OSZE-Generalsekretärin Helga Schmid.

Auch Teresa Ribeiro, die OSZE-Medienbeauftragte, wird zu Wort kommen. Bei der Debatte am Jahrestag des Kriegs am Freitag sollen sprechen: die Sonderbeauftragte der PV für Osteuropa, Daniela De Ridder, der OSZE-Sonderbeauftragte für die Ukraine, Reinhold Lopatka (ÖVP), der Sonderbeauftragte für politische Gefangene, Steve Cohen, und der Sonderberichterstatter für Kriegsverbrechen in der Ukraine, John Whittingdale.