Personen bei Demonstration
Reuters/Christian Mang
Demo in Berlin

Tausende fordern Verhandlungen mit Putin

Tausende Menschen haben am Samstagnachmittag am Brandenburger Tor in Berlin für Friedensverhandlungen mit Russland demonstriert. Zur Kundgebung hatten Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Feministin Alice Schwarzer aufgerufen. Die Polizei sprach von rund 13.000 Teilnehmern, die Veranstalter von rund 50.000. Wagenknecht forderte in ihrer Rede den Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine. Mehrere Parteien kritisierten die Demo und warnten vor einem Schub für die rechte AfD.

Befürchtet wurde eine starke Mobilisierung von AfD-Anhängern und jener, die gegen die Maßnahmen gegen die Pandemie auf die Straße gingen. Die Polizei war am Samstag wegen der Demo und Gegenveranstaltungen im Zusammenhang mit dem Krieg mit 1.400 Kräften im Einsatz. Unterstützt wurde sie von Kolleginnen und Kollegen aus Sachsen-Anhalt.

Die Linken-Politikerin Wagenknecht forderte auf der Kundgebung erneut einen Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine und Friedensverhandlungen mit Russland. Es gehe darum, „das furchtbare Leid und das Sterben in der Ukraine zu beenden“, sagte sie am Samstag bei der Kundgebung. Zugleich gehe es darum, Russland ein Verhandlungsangebot zu unterbreiten, „statt einen endlosen Abnutzungskrieg mit immer neuen Waffen zu munitionieren“. Es gelte, das Risiko einer Ausweitung des Krieges auf ganz Europa und womöglich die Welt zu bannen. Dieses Risiko sei „verdammt groß“.

Ruf nach Stopp von Waffenlieferungen an Kiew

Unter dem Motto „Aufstand für Frieden“ hatten Wagenknecht und die Frauenrechtlerin Schwarzer zu der Demonstration aufgerufen. Die beiden hatten vor zwei Wochen ein „Manifest für Frieden“ veröffentlicht, in dem sie den deutschen Kanzler Olaf Scholz (SPD) auffordern, „die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen“. Die Frauenrechtlerin und die Linken-Politikerin rufen darin zu einem Waffenstillstand und Friedensverhandlungen mit Russland auf. Kritiker hatten Wagenknecht und Schwarzer vorgeworfen, ihr Text sei „naiv“.

Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht
Reuters/Christian Mang
Wagenknecht fordert von Scholz, die Waffenlieferungen sofort zu stoppen

AfD: Viele Mitglieder bei Demo dabei

Dass sich Wagenknecht und Schwarzer vor der Demo nicht klar von rechten Parteien und Gruppen distanziert hatten, war der Kern der Kritik anderer Parteien. Tatsächlich betonte die AfD am Nachmittag, zahlreiche Mitglieder der Rechtspartei hätten an der Demo teilgenommen. Auch der AfD-Landesvorsitzende aus Sachsen, Jörg Urban, sei zu der Veranstaltung am Brandenburger Tor gekommen, schrieb die Bundespartei auf Twitter.

Die Polizei bestätigte, dass sich Menschen aus dem rechten Spektrum unter den Demozug gemischt hatten. Die Exekutive hatte nach eigenen Angaben aber keine Kenntnis von der Teilnahme von Rechtsextremen.

Augenzeugen hatten während der Kundgebung mehrere Anhänger rechter Gruppierungen gesichtet. Die Polizei berichtete, dass sich eine Gruppe linker Gegendemonstranten eine lautstarke Auseinandersetzung mit dem Herausgeber des „Compact-Magazins“, Jürgen Elsässer, geliefert habe. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft das Magazin als rechtsextrem ein.

Schwarzer: Menschen aus der Mitte der Gesellschaft

Schwarzer nannte die Kundgebung einen „gewaltigen Erfolg“. „Ich bin total glücklich“, so die Frauenrechtlerin. „Es war eine so friedliche und fröhliche Stimmung. Keine parteigebundene Stimmung, keine Sektenstimmung. Da waren einfach Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die aus allen Ecken Deutschlands angereist waren, um ein Zeichen zu setzen.“

Vorwurf der Geschichtsvergessenheit

Wagenknecht warf bei ihrer Rede der deutschen Regierung Geschichtsvergessenheit mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg vor: „Wir wollen nicht, dass mit deutschen Panzern auf die Urenkel jener russischen Frauen und Männer geschossen wird, deren Urgroßeltern tatsächlich von der Wehrmacht auf bestialische Weise millionenfach ermordet wurden.“

Waffenlieferungen sind für Wagenknecht demzufolge keine Form der Solidarität. Dafür brauche man keine Panzer, sondern Diplomatie, Verhandlungen und Kompromissbereitschaft beider Seiten. Natürlich müsse auch Russlands Präsident Putin zu Kompromissen bereit sein. „Die Ukraine darf kein russisches Protektorat werden.“ Frühere Verhandlungen seien nach Berichten aber „offensichtlich nicht an der russischen Seite gescheitert“, so Wagenknecht, ohne das zu belegen oder konkrete Wege zu Entspannung und einer fairen Verhandlungslösung aufzuzeigen.

Habeck und Lindner warnen eindringlich

Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hatte die Demonstration im Vorfeld kritisiert. „Jeder, der bei Sinnen und Verstand ist, wünscht sich Frieden“, sagte der deutsche Wirtschaftsminister am Freitagabend in einem ARD-„Brennpunkt“. Wagenknecht und die ihr folgenden Leute wollten aber etwas als Frieden verkaufen, das ein „imperialistischer Diktator“ Europa aufzwinge. Wenn sich das durchsetze, wäre das eine Einladung an Putin, die nächsten Länder zu überfallen.

Auch FDP-Chef Christian Lindner kritisierte den Aufruf heftig. „Putins Aggression verharmlosen, Waffenlieferungen ablehnen. Keine Hilfen – nur Forderungen nach diplomatischen Lösungen“, schrieb der deutsche Finanzminister auf Twitter. Der Protestaktion müsse man „deutlich entgegnen: Wer der Ukraine nicht zur Seite steht, steht auf der falschen Seite der Geschichte.“

SPD und Linke grenzen sich auch ab

Führende Politiker von SPD und Linke grenzten sich ebenfalls ab. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich sagte der „Rheinischen Post“ (Samstag-Ausgabe): „Die Sichtweise von Frau Wagenknecht ist nicht meine.“ Es wäre aus seiner Sicht gut gewesen, wenn der Aufruf eine stärkere Abgrenzung gegenüber radikalen Strömungen gehabt hätte. Mützenich sagte aber auch, man müsse anerkennen, dass Teile der Bevölkerung eine noch stärkere Orientierung auf Friedensgespräche wünsche.

Auch Linken-Parteichefin Janine Wissler kritisierte den Aufruf zur Veranstaltung. Der Umgang mit der Mobilisierung in rechten Kreisen mache ihr Sorgen. „Da hat der Aufruf eine Leerstelle“, sagte Wissler den Funke-Zeitungen.

Gysi für Forderungen, warnt vor AfD-„Übernahme“

Der Linken-Politiker Gregor Gysi stellte sich dagegen im Vorfeld hinter die Demo und deren Forderungen. Gysi betonte zugleich, man müsse darauf achten, dass die AfD das Ganze nicht zu ihrer Kundgebung mache.