IV-Präsident Georg Knill
ORF
IV-Chef Knill

Ruf nach Anreizen für mehr Vollzeitarbeit

Der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, hat sich am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ dafür ausgesprochen, mit Anreizen statt Verboten zu arbeiten, um mehr Menschen in die Vollzeitarbeit zu bringen. Dazu zählen etwa steuerliche Maßnahmen sowie bessere Kinderbetreuung, so Knill.

In Österreich arbeiten vor allem Frauen überdurchschnittlich oft in Teilzeit, das ist bekannt. Kürzlich hatte ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher einen Sturm an Reaktionen ausgelöst, nachdem er laut überlegt hatte, Sozialausgaben für Teilzeitbeschäftigte zu kürzen.

Die Gründe für Teilzeitbeschäftigung seien vielfältig, doch könne man an unterschiedlichen Schrauben drehen, um die Lage zu ändern, so Knill. „Wir brauchen einen Paradigmenwechsel am Arbeitsmarkt“, sagte er in der „Pressestunde“ am Sonntag. Vor wenigen Jahren noch sei die Arbeitslosigkeit das bestimmende Thema gewesen, daher sei für viele eine Teilzeitstelle attraktiv gewesen.

Jetzt sei die Lage allerdings vollkommen anders: Händeringend suchten die Betriebe nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, es gebe mehr als 200.000 offene Stellen. Gleichzeitig würden derzeit nicht alle Potenziale ausgeschöpft, so Knill. Die Frage sei nun, wie man „Anreizsysteme auf freiwilliger Basis“ schaffen könne.

An Steuerschrauben drehen

Knill sah Vollzeitbeschäftigte derzeit steuerlich im Nachteil, der Umstieg auf Vollzeit müsse sich aber finanziell auszahlen. Auch ältere Arbeitnehmer seien „durchaus punktuell“ bereit, länger als zum Pensionsantrittsalter zu arbeiten, doch auch sie seien steuerlich im Nachteil.

Ein Schlüssel, um Vollzeit zu forcieren, sei auch die Kinderbetreuung. Dabei sei es unwichtig, welche Partei in den Gemeinden und Städten regiere. „Wir brauchen ganz dringend einen flächendeckenden Ausbau“, so Knill. Investitionen in eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung seien ein wesentlicher Faktor für den Wirtschaftsstandort, jeder investierte Euro in die frühkindliche Bildung komme achtfach zurück.

„Pressestunde“ mit IV-Präsident Georg Knill

Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, stellte sich den Fragen von Johanna Hager („Kurier“) und Christoph Varga (ORF).

Arbeitskräfte „werden fehlen“

Die Teilzeit weniger attraktiv zu gestalten, wie es Kocher es andeutete, unterstützte Knill nicht: „Wir wollen Belohnung, nicht Bestrafung“, sagte er. Auch der qualifizierte Zuzug sei ein Baustein, aufgrund der demografischen Entwicklung „werden uns die Leute fehlen“.

Das könnten in den nächsten Jahren über 500.000 Arbeitskräfte sein. Die Steigerung der Anzahl der Rot-Weiß-Rot-Karten im Vorjahr sah Knill daher positiv. In Ländern, wo es Arbeitskraftpotenziale für Österreich gebe, brauche es dazu auch aktives Standortmarketing.

Weg von „Vollkaskomentalität“

Knill bedauerte, dass es in puncto Energiehilfen keine europäische Lösung gegeben habe. So habe jedes Land einzeln unterschiedliche Modelle erarbeitet. Voriges Jahr wurden viele der Förderungen von den Unternehmen gar nicht abgeschöpft. Von einer Überförderung wollte der IV-Chef nicht sprechen. Er schätzte aber, dass auch der Energiekostenzuschuss II nicht zur Gänze schlagend werden wird. Der Gaspreis sei wieder gesunken, die Unternehmen würden nicht mehr in eine Situation kommen, in der der Energiemarkt nicht mehr funktioniert.

Das Volumen der Wirtschaftshilfen sei – auch angesichts eines europäischen Subventionswettlaufs – hoch gewesen, aber notwendig. Nach den Staatshilfen, zuerst während der Pandemie und danach in der Energiekrise, brauche es nun aber wieder eine Entwöhnung von staatlichen Geldern, so Knill. Man müsse wieder wegkommen von einer „Vollkaskomentalität“ und zurück zu mehr Eigenverantwortung. Davon sei auch die IV nicht ausgenommen, so Knill. „Wir müssen uns auch selbst bei der Hand nehmen“. Der Staat solle auf seine ursprünglichen Aktivitäten zurückgedrängt und schlanker werden.

Knill sah auch Probleme für den Wettbewerb mit den USA auf Europa zukommen. Es gebe derzeit „eine gefährliche Kombination“ aus Push-Effekten in Europa – etwa hohe Energiekosten und viel Bürokratie – und Pull-Kräften in den USA, die ein 33 Milliarden Dollar schweres Anreizpaket für Investitionen schnürten. Er appellierte, dass die EU hier bald nachziehen möge.

Gas aus Russland: „Komplett verkalkuliert“

Beim Thema Energieabhängigkeit von Russland drängte Knill auf einen Ausstieg. Zuletzt sei die Abhängigkeit Österreichs von russischem Erdgas wieder gestiegen. „Wir dürfen uns auf diese Quelle nicht mehr verlassen“, so Knill. Angesprochen auf den 2018 bis 2040 verlängerten Liefervertrag der OMV mit der russischen Gasprom sagte Knill, man habe sich mit Russland „komplett verkalkuliert“, Österreich sei getäuscht worden.

Die Sanktionen gegen Russland sah Knill nicht ohne Wirkung. Der Einfluss des Westens sei aber bedingt, solange zahlreiche Staaten wie China und Indien weiterhin mit Russland Geschäfte machten.

Man müsse trotz der wieder gestiegenen russischen Liefermengen weiter davon ausgehen, dass Russland von heute auf morgen kein Gas mehr liefert. Es gehe daher darum, für die nächsten Jahre eine verlässliche, günstige Gasversorgung sicherzustellen. Es brauche daher andere Lieferländer wie Norwegen oder die Golfstaaten und Infrastruktur für den Import, etwa Flüssiggasterminals und Pipelines. Zudem müsse die Wasserstoffstrategie in die Umsetzung kommen, Wasserstoff sei das „Gas der Zukunft“.

Werbung für Mercosur-Deal

Knill warb zudem für mehr Freihandel. Bei dem geplanten Abkommen Mercosur mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay gehe nicht nur um argentinisches Rindfleisch, sondern um Absatzmärkte für österreichische Exporteure. Als Argument für das Mercosur-Abkommen nannte Knill den Klimaschutz: Die Länder würden sich in dem Freihandelsabkommen auch zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens verpflichten. Für Österreich gebe es hier Potenzial im Export und in grünen Technologien.