Geerntete Jasminblüten auf einem Feld in der Nähe von Grasse (Südfrankreich)
Reuters/Eric Gaillard
Blumenernte

Wie die Klimakrise Parfums verändert

Die Klimakrise macht auch vor der Parfumherstellung nicht halt. Die Angst in der milliardenschweren Industrie ist groß, dass sich durch höhere Temperaturen und anhaltende Trockenheit – wie etwa in der französischen „Welthauptstadt des Parfums“ Grasse – neben drastischen Ernteausfällen auch der Duft der Blumen ändert. Derweil sucht man nach Auswegen – auch ohne Blumen als Grundstoff.

Frankreich erlebt bereits jetzt eine bedrohliche Dürreperiode – und das mitten im Winter und nach dem vergangenen Sommer mit extremer Hitze und Wassermangel. Mittlerweile wird vom französischen Wetterdienst Meteo France schon ein zweiter Dürresommer in Folge befürchtet. Die Trockenheit ist in Frankreich inzwischen ein Dauerphänomen: Seit August 2021 ist in allen bis auf drei Monaten weniger Regen gefallen als bisher im Schnitt üblich.

Die zunehmende Häufigkeit und Intensität der Dürreperioden sind Folgen des menschengemachten Klimawandels. Sie führen unter anderem dazu, dass der Grundwasserspiegel weiter sinkt, dass in manchen Gegenden das Trinkwasser knapp wird und die Landwirtschaft, darunter auch die Blumenzüchter für Parfums, geringere Ernten befürchten muss.

Pflückerin in einem Rosenfeld in Grasse (Südfrankreich)
APA/AFP/Valery Hache
Die Rosen werden per Hand gepflückt – wie hier in Grasse

Sorge um die Qualität

Grasse, eines der Zentren für die Pflanzenproduktion für Parfums, aber auch für Parfums selber, war bereits letzten Sommer von Extremen heimgesucht worden. Teils verloren die Produzenten die Hälfte ihrer Ernte, wie der „Guardian“ jetzt schreibt. Die hohen Temperaturen schlagen sich allerdings auch auf die Qualität der Blumen, wie etwa Rosen, nieder.

Die Tuberose, eine Pflanzenart aus der Unterart der Agaven, wuchs teils gar nicht. Die Erntemengen fielen letztes Jahr bei einigen Herstellern in und rund um Grasse um rund 40 Prozent, so die Zeitung weiter. Das Öl der noch nicht erblühten Pflanze wird als Duftbestandteil von Parfums verwendet.

Mikroklima im Hinterland der Riviera

Grasse ist seit dem 17. Jahrhundert weltweit für seine Parfums und auch für seine Blumenzucht bekannt. Die Vorzüge der Kleinstadt im Hinterland der französischen Riviera liegen in ihrem Mikroklima. Das machte bisher die weithin sichtbaren blühenden Felder von Mairosen, Tuberosen, Lavendel und Jasmin möglich.

Lavendelfeld in Südfrankreich
IMAGO/Fesus Robert
Ein Lavendelfeld in Südfrankreich

Die Region produziert Blumen für die größten globalen Luxusmarken wie etwa Dior und Chanel, die signifikante Summen für diese Rohmaterialien ausgeben, wie der „Guardian“ weiter schreibt. Laut der Zeitung wird für den Jasmin der Gegend mehr als für Gold bezahlt. Die Produzenten von Grasse gelten als weltweit federführend. 2018 wurde auch die Parfumkultur der Region in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen.

Alarm wegen Vanille und Patschuli

Doch nicht nur in Frankreich sind Parfumpflanzen den Wechselfällen der Klimakrise ausgesetzt. Weltweit sind die Ernteerträge durch das wechselhaftere und extremere Wetter gefährdet. So macht man sich laut „Guardian“ etwa Sorgen um Vanille.

Vanille gilt als einer der wichtigsten Rohstoffe in der Parfumindustrie. Die hauptsächlich auf dem afrikanischen Kontinent angebaute Vanille wurde in den letzten Jahren von Hitzewellen heimgesucht. So stiegen etwa 2017, als rund 30 Prozent der Ernte auf Madagaskar von einem Zyklon zerstört wurden, die Preise in immer größere Höhen – sehr zum Unmut der Parfumhersteller. Auch für Safran wird Alarm geschlagen.

Ausgetrocknetes Flussbett des Issole-Flusses in Flassans-sur-Issole (Südostfrankreich)
APA/AFP/Nicolas Tucat
Das ausgetrocknete Flussbett des Issole in Flassans-sur-Issole in Südfrankreich Ende Februar

Das Schweizer Unternehmen Givaudan, eines der größten Parfumhäuser der Welt, ist um Patschuli besonders besorgt. Etwa 80 Prozent kommen von der tropischen Insel Sulawesi in Indonesien. In den letzten Jahren war Sulawesi allerdings plötzlichen Extremen von Trockenheit und Nässe ausgesetzt. Das setzte den Pflanzen zu, weniger Patschuliöl wurde hergestellt, so Bloomberg.

Natürliche Rohmaterialien oder synthetische Stoffe?

Dürre, plötzlicher und unvorhergesehener Wechsel der Jahreszeiten und häufiger und extremer auftretendes Wetter in der Form von vermehrtem Frost, Regen, Hagel und hohen Temperaturen verändern die Ernteerträge und die Qualität der Inhaltsstoffe, so Bloomberg bereits im Herbst nach den schlechten Ernten des Vorjahres. Es müsse darüber nachgedacht werden, wie bestimmte Gerüche hergestellt werden.

Die Parfumproduzenten haben zwei grundlegende Möglichkeiten: weiter die natürlichen Rohmaterialien bei schwankenden Ernten und Preisen zu nutzen oder auf Alternativen zu setzen. Eine davon ist der Verzicht auf Naturmaterialien durch die synthetische Herstellung der Düfte.

Jasminblüten werden in einem großen Behälter zuf Parfümverarbeitung verrührt
Reuters/Eric Gaillard
Jasminblüten werden in einem großen Behälter zur Parfumverarbeitung verrührt

Parfumklassiker sollen immer gleich riechen

Synthetische Komponenten sind einfacher zu beschaffen und auch zu kontrollieren, auch die Preise sind stabiler, denn schwankenden Ernten unterliegen sie nicht. Noch wehren sich bekannte Produzenten gegen die Tendenz Richtung synthetischer Duftstoffe. Das sei nicht das gleiche wie natürliche Stoffe. Die großen Produzenten versuchen, Varianten der Pflanzen, die weniger für die Extreme anfällig sind, zu züchten.

Für die bekannten und großen Parfumhersteller wie Chanel und Dior ist die gleichbleibende Qualität der Rohstoffe von großer Bedeutung. Klassiker, die sich seit Jahrzehnten auf dem Markt halten, wie etwa Chanel No. 5, sollen ja immer gleich riechen.

Studie: Temperaturen beeinflussen auch Aromastoffe

Laut Bloomberg gibt es bereits Anzeichen, dass die Klimakrise die Qualität der Rohstoffe beeinflusst. Alon Cnaany von der Universität Kopenhagen und Koautor einer Studie, die sich mit dem Thema beschäftigt, sagte Bloomberg letztes Jahr, dass es „starke Belege dafür gibt, dass ein sich änderndes Klima – etwa steigende Temperaturen – die Aromastoffe von Pflanzen beeinflussen könnte“.

Cnaany fand heraus, dass die genetische Ausstattung von Blumen – also die Maschinerie, die die aromatischen Verbindungen produziert, die wir als fruchtig oder blumig wahrnehmen – bei höheren Temperaturen abnimmt.

Auch in Italien stellten Wissenschaftler eine „klare Korrelation“ zwischen einem Rückgang der Duftproduktion von Bergamotte und extremen Bedingungen wie Hitzewellen und Dürren fest, wie Bloomberg vor einiger Zeit berichtete. Über 95 Prozent der weltweiten Produktion von kaltgepresstem ätherischen Bergamottenöl stammen aus Kalabrien in Süditalien, wo das Klima immer heißer und trockener wird.

Debatte über Nachhaltigkeit

Doch auch die Produzenten der Pflanzen selbst kommen laut „Guardian“ durch die Klimakrise in die Kritik. Heftig debattiert wird über Nachhaltigkeit. Es sei eine romantische Sicht auf Parfum, dass es natürlich sei, so Benoit Verdier, Mitbegründer des Parfumhauses Ex Nihilo in Paris, bekannt für seine auf Kundinnen und Kunden maßgeschneiderten Düfte, im „Guardian“. „An einem Ort wie Grasse herrscht Mystik, das bringt die Menschen zum Träumen.“

Aber es sei nicht immer nachhaltiger. Pflanzen für Parfums benötigten viel Wasser und Land. Auch der Versand von Rohstoffen in die ganze Welt führe zu erheblichen CO2-Emissionen. „Es ist nachhaltiger, Parfum im Labor herzustellen“, so das Fazit von Verdier.

Hoffen auf „grüne Chemie“

Doch die Synthetikproduktion hat wieder ihre eigenen Probleme und Herausforderung der Umwelt gegenüber. Viele Stoffe sind Nebenprodukte der Ölraffinierung oder anderer chemisch-industrieller Prozesse, d. h. Überreste könnten die Umwelt verschmutzen oder auch zu entsorgen sein. Die Hoffnung liegt auf Innovationen in Richtung einer „grünen Chemie“.

Doch nicht nur was natürliche Rohstoffe angeht, sondern auch in Sachen Wasserverbrauch sind die Produzenten in Grasse anderer Meinung als Verdier. „Wir verbrauchen tatsächlich sehr wenig Wasser“, so Carole Biancalana, in vierter Generation Parfumblumenzüchterin, im „Guardian“. Die Produzenten in der Region würden Tropfbewässerung verwenden, die in der Vergangenheit nur fünf Prozent des Wasserverbrauchs der Region ausmachte, so Biancalana. Die Pflanzen würden auch umweltfreundlich aufgezogen.

Artenvielfalt und Wissenschaft als Waffen

2006 gründete Biancalana Les Fleurs d’Exception du Pays de Grasse, eine Vereinigung, die Produzenten aus der Region zusammenbringt. Das Credo: Alle Produzenten sollen ökologisch wirtschaften, um den Schutz der Artenvielfalt zu gewährleisten. Artenvielfalt sei eine der größten Waffen gegen den Klimawandel, so Biancalana.

Als eine weitere Waffe gilt die Wissenschaft. Doch leider gebe es nur wenige wissenschaftliche Studien darüber, wie sich der Klimawandel auf die Kulturpflanzen in der Region auswirkt, so Armelle Janody, die Präsidentin der Vereinigung der Parfumblumenzüchter. „Wir beobachten Veränderungen, aber wir haben keine wissenschaftlichen Studien darüber, was objektiv passiert“, so Janody weiter.

Skepsis gegenüber Einfluss von außen

Führende Unternehmen der Parfumbranche haben bereits damit begonnen, lokale Produzenten zu unterstützen, indem sie in Forschung, aber auch Anpassungstechniken investieren. Damit will man sich in die Zukunft retten. Doch nicht alle Blumenproduzenten können dem vermehrten Einfluss von außen etwas abgewinnen. Sie sind laut „Guardian“ misstrauisch.

„Für uns stellt sich die Frage, wie wir die Industrie unterstützen können, ohne unsere Autonomie und Souveränität zu verlieren“, so Janody weiter. Sie befürchtet, dass große Parfumunternehmen unter dem Vorwand der Unterstützung der Klimaanpassung eine stärkere Kontrolle über die Blumenproduktion fordern könnten. Und das sei mit den meisten Züchtern und Züchterinnen nicht zu machen.